Kinderarmut

Schockierende Zahlen in Darmstadt

Der Paritätische Gesamtverband veröffentlichte Anfang dieses Jahres seinen Bericht zur Armutsentwicklung in Deutschland 2017 (http://www.der-paritaetische.de/nc/pressebereich/artikel/news/armutsberi...). Der Bericht und seine Ergebnisse haben in Deutschland eine breite Debatte entfacht. Kernaussage des Berichtes: die Armutsquote ist in Deutschland in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen. Betrug die Armutsquote 2006 noch 14,0 %, so waren es 2015 15,7 %. In absoluten Zahlen ausgedrückt: im Jahre 2015 lebten rund 12,9 Mio. Menschen in Deutschland unter der Einkommensarmutsgrenze.

Armutsdefinition

Als arm werden in dieser Untersuchung alle Personen gezählt, deren Einkommen weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens aller Haushalte beträgt. Dabei wird das gesamte Nettoeinkommen des Haushaltes, inklusive Wohngeld, Kindergeld, Kinderzuschlag, anderer Transferleistungen oder sonstiger Zuwendungen berücksichtigt.

Das Konzept der relativen Einkommensarmut geht davon aus, dass Personen und Familien, die ein Einkommen unterhalb dieser Quote haben, ein Mangel an Teilhabe im gesellschaftliche Leben und an Verwirklichungschancen haben. Als Armutsschwellen werden auf Grund des Mikrozensus von 2015 definiert:

  • Single ohne Kinder: 942 €
  • Alleinerziehend mit 1 Kind unter 14 Jahren: 1.225 €
  • Alleinerziehend mit 1 Kind zwischen 14 und 18 Jahren: 1.413 €
  • Paar ohne Kinder: 1.413 €
  • Paar mit 1 Kind unter 14 Jahren: 1.696 €
  • Paar mit 2 Kindern unter 14 Jahren: 1.987 €
  • Paar mit 2 Kindern zwischen 14 und 18 Jahren: 2.355 €

Laut dem Armutsbericht leben in Deutschland 1,9 Millionen Kinder und Jugendliche in Hartz IV.

Von Armut sind besonders Alleinerziehende, Familien mit drei und mehr Kindern, Menschen mit niedrigem Qualifikationsniveau, MigrantInnen und zunehmend auch RentnerInnen betroffen. Im Armutsbericht der Parität wird darauf hingewiesen, dass von Armut betroffene Menschen eine deutlich geringere Lebenserwartung haben.

Darmstadt – arme reiche Stadt ?

Darmstadt gilt als relativ wohlhabende Stadt. Doch auch hier sind die Zahlen schockierend. Nach einer älteren Studie der Hans-Böckler-Stiftung von 2013 betrug der Anteil der von Armut bedrohten Kinder hessenweit 16,3 %, war aber im Regierungsbezirk Darmstadt mit 16,7 % am höchsten und der Anteil stieg in nur zwei Jahren von 2011 bis 2013 um 1,3 Prozentpunkte.

Nach dem aktuellen Armutsbericht 2017 des Paritätischen Gesamtverbands stieg die regionale Armutsquote im Raum Starkenburg von 2010 auf 2015 von 10,9 % auf 12,7 % an.

Nach dem Bericht der Stadt Darmstadt zur Kinderarmut von Anfang dieses Jahres leben insgesamt 4.357 Kinder unter 15 Jahren und 5.014 Kinder/Jugendliche unter 18 Jahren in Darmstadt in Familien mit einem SGB-II-Bezug. Die Anzahl dieser armutsgefährdeten Kinder steigt stark an, 2011 waren es noch 4.372 Kinder/Jugendliche unter 18 Jahren. Im „reichen“ Darmstadt leben somit 20,0 % der Kinder unter 18 Jahren in Familien mit SGB-II-Bezug.

Sozialer Brennpunkt Kranichstein

Der Anteil der Kinder mit SGB-II-Bezug ist in Darmstadt sehr ungleich verteilt. Während in Bessungen der Anteil dieser Kinder 6,1% beträgt, liegt er in Eberstadt bei 26,5% und in Kranichstein sogar bei 45,7%. Die Verweildauer von Kindern von 7 bis unter 15 Jahren im SGB-II-Bezug liegt in Darmstadt unter 1 Jahr bei 16,8%, von 1 bis 3 Jahren bei 20,8% und über 3 Jahre bei 62,4%. Ein beträchtlicher Teil der Kinder wächst somit in langandauernder relativer Armut auf.

Das Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) greift nur beschränkt

Das Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) ist eine Leistung der Bundesregierung, die anspruchsberechtigten Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen einen leichteren Zugang zum sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft und Bildung ermöglichen soll. Dazu gehören z. B. Unterstützung bei Nachhilfe, das Mitmachen bei Klassenfahrten, dem gemeinschaftlichen Mittagessen in der Kita oder der Schule oder das Mitmachen bei Sport, Spiel und Musik im Verein oder einer anderen geeigneten Organisation. Nach Auskunft der Sozialdezernentin hatten in Darmstadt 3.681 Kinder Anspruch auf Leistungen im Rahmen des BuT. Tatsächlich in Anspruch nahmen es aber nur 2.296 Kinder.

Die nur beschränkte Inanspruchnahme des BuT zeigt, dass Maßnahmen, die die Menschen in eine Bittstellerposition bringt, nicht geeignet sind, um Benachteiligung von Kindern und Jugendlichen im erforderlichen Umfang zu verhindern.

Fazit

Die aktuellen Zahlen zeigen deutlich die fortschreitende soziale Spaltung in Deutschland. Verantwortlich für die verschärfte Entwicklung sind die Maßnahmen in Zusammenhang mit den Hartz-Gesetzen. Die Gegenmaßnahmen liegen auf der Hand: Anhebung der Grundsicherung, Verbesserung der Situation der Alleinerziehenden, Anhebung des Rentenniveaus.

Auch die Deregulierungen auf dem Arbeitsmarkt müssen zurückgefahren werden. Dazu gehören der Abbau von Leiharbeit und Werkverträgen, die Einschränkung von Mini-Jobs und die Erhöhung des Mindestlohns und verstärkte Umsetzung der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen.

Erhard Schleitzer
29.03.2017
Schlagwörter: