Bofrost-Niederlassung in Darmstadt vor dem Aus

Schließung um eine bessere Entlohnung der Verkaufsfahrer*innen zu verhindern?

Bofrost beabsichtigt die Schließung der Niederlassung in Darmstadt mit fast 40 Mitarbeiter*innen. Just zu dem Zeitpunkt als der Betriebsrat dabei war, Arbeitszeiten durchzusetzen, die dem Arbeitszeitgesetz entsprechen und gleichzeitig eine auskömmliche Entlohnung absichern. Zufall? Wohl kaum. Im folgenden drucken wir Auszüge ab aus „Kuckuck – Informationen für Betriebsräte und Beschäftigte“ vom ver.di Bezirk Südhessen, Fachbereich Handel, Nr. 155 (Überschriften und Zwischenüberschriften sind von der Redaktion).

"Begonnen hatte die Auseinandersetzung nach der Neuwahl des Betriebsrates vor drei Jahren mit der Frage, warum die Arbeitsverträge der Verkaufsfahrer* innen völlig unterschiedlich gestaltet sind: Für die einen gilt noch das tarifvertraglich an den Groß- und Außenhandel in Nordrhein-Westfalen gebundene Garantieentgelt von derzeit 2.850 Euro monatlich. Andere liegen dabei um mehr als 1.000 Euro darunter, so dass sie in Zeiten schlechter Haustürgeschäfte damit kaum über die „Runden“ kommen können.

Begonnen hatte die Auseinandersetzung nach der Neuwahl des Betriebsrates vor drei Jahren mit der Frage, warum die Arbeitsverträge der Verkaufsfahrer*innen. völlig unterschiedlich gestaltet sind: Für die einen gilt noch das tarifvertraglich an den Groß- und Außenhandel in Nordrhein-Westfalen gebundene Garantieentgelt von derzeit 2.850 Euro monatlich. Andere liegen dabei um mehr als 1.000 Euro darunter, so dass sie in Zeiten schlechter Haustürgeschäfte damit kaum über die „Run­den“ kommen können.Sicher gab es einige, die mussten aus finanziellen Gründen länger verkaufs­fahren oder wollten sich keinen noch so spät zu ergatternden Euro an Umsatz entgehen lassen.

Der Regierungspräsident verlangt korrekte Arbeitsaufzeichnung

Die Abteilung für Arbeitsschutz und Umwelt beim Regierungspräsidium Darmstadt bekam darauf­hin im Herbst 2019 wohl einen Tipp, die Einsatz- und Arbeitszeiten der Bofrost-Verkaufsfahrer zu überprüfen. Die Kontrolleure sahen sich mit ihrer Aufgabe in der Niederlassung anscheinend vor eine „Black Box“ gestellt.

Denn einerseits lagen ihnen hinsichtlich der Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Höchstar­beitszeit von 10 Stunden täglich „gleichlautende Beschwerden vor“. Andererseits trafen die Arbeits­schützer bei Bofrost in Darmstadt auf eine betriebliche Verfahrensweise, wodurch zwar die Arbeits­zeiten der Verkaufsfahrer „mittels Eingabe in ein mobiles Datengerät erfasst“, dabei jedoch nur „Fahrtbeginn und Fahrtende dokumentiert“ wurden. Es fehlten Aufzeichnungen der „Zeiten für Be­sprechungen, Fahrzeugübergaben, Inventuren, Schulungen, Unterweisungen der Verkaufsfahrer und weitere regelmäßig anfallende Arbeitszeiten“.

Mit Schreiben vom 4. November 2019 wies das Regierungspräsidium Darmstadt die Geschäftsfüh­rung von Bofrost darauf hin, es bestehe nach dem Arbeitszeitgesetz „eine Verpflichtung für den Ar­beitgeber, die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer aufzuzeichnen, wenn zu erwarten ist, dass die Ar­beitszeiten über 8h täglich hinausgehen (…) Es liegt nicht zuletzt in Ihrem Interesse, eine Überlas­tung der Arbeitnehmer durch überlangen Arbeitszeiten zu erkennen und rechtzeitig gegensteuern zu können, z.B. indem die Anzahl der aufzusuchenden Kunden am Tag angepasst wird.“ (...)

Der Betriebsrat schlägt eine Dienstvereinbarung vor - Bofrost will die Niederlassung schließen

Der Betriebsrat (setzte) an diesem Punkt sein Vorhaben an, die Arbeitszeiten der Verkaufsfahrer*in­nen und das Provisionssystem bei Bofrost in Darmstadt so aufeinander abzustimmen, dass einerseits eine Überlastung der Beschäftigten vermieden, sie aber gleichzeitig ein zur Lebenshaltung notwen­diges Einkommen erarbeiten konnten. Die hierzu notwendige feste Mitbestimmung war gegeben, doch - kaum anders zu erwarten - fehlte es auf Seiten der Geschäftsführung an der Bereitschaft zu einer Einigung, die Höchstzahl der täglich aufzusuchenden Kund*innen so festzulegen, dass beispielsweise die tarifvertragliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden pro Woche als „Messlatte“ eines „Normalarbeitstages“ zugrunde gelegt werden könn­te. (...)

Die freien Verhandlungen zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat ließen keine größere Chance auf einen Kompromiss erkennen - zu weit lagen die Profitinteressen der einen und die sozi­al sowie gesundheitspolitischen Ziele des anderen auseinander. Im gegenseitigen Einverneh­men wurde die so genannte Einigungsstelle für einen Versuch der Schlichtung zwischen beiden Parteien in Fragen der Arbeitszeit und der „direktvertriebsorientierten Verkäufer-Entloh­nung“ angerufen. Am 27. Mai erklärte sich diese Einigungsstelle für „ruhend“, weil die Bofrost-Ge­schäftsführung die fast 40-köpfige Belegschaft der Niederlassung über deren beabsichtigte Schlie­ßung informieren wollte. Die Verhandlungen mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich und Sozialplan sollen am 14. Juli beginnen. Ist damit bei Bofrost das ehrgeizige Projekt einer auskömmlichen Entlohnung der Verkaufsfahrer*innen bei „normaler“ Arbeitszeit „ge­storben?“

 

Hintergrundinformationen zu Bofrost:

Bofrost ist mit Abstand Deutschlands größter Direktvertreiber von Tiefkühlkost. Der Umsatz beträgt über 400 Mill. €. Bofrost beschäftigt über 10.000 Mitarbeiter*innen in 115 Niederlassungen.

2012 erhielt Bofrost den Negativpreis „Big Brother Award“ für die Ausspionierung eines Betriebsrats. Das Unternehmen hatte ungeniert auf eine gesetzlich geschützte Datei von Betriebsräten zugegriffen.

 

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