Darmstadt ist Spitze! - bei den Mieten

Mietspiegel steigt in 4 Jahren um 17,4 %
Erhard Schleitzer

Darmstadt ist mit einer durchschnittlichen Mietbelastungsquote von 33,6 % (im Jahr 2018) einer der teuersten Städte in Deutschland und liegt noch vor den Großstädten München und Frankfurt. Bundesweit beträgt die durchschnittliche Mietbelastungsquote im gleichen Jahr 29,8 %. Das ergab eine Untersuchung der Humboldt-Universität in Berlin im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung. Fast 12 % der Miethaushalte in Deutschland müssen mehr als 50% ihres Einkommens für Miete ausgeben. Hier liegt Darmstadt auf dem unrühmlichen ersten Platz in Deutschland. Fast 21% der Darmstädter Miethaushalte müssen mehr als 50 % ihres Einkommens für die Miete aufbringen. Ursache dafür sind laut Studie auf der einen Seite die steigenden Mietpreise, auf der anderen Seite der Anstieg der Haushalte mit niedrigem Einkommen. Durch die steigende Inflation und die sich massiv erhöhenden Nebenkosten besteht die Gefahr, dass die Situation der Mieter*innen mit niedrigem und mittlerem Einkommen sich weiter verschärft.

Dieser Trend, festgestellt für die Jahre bis 2018, verstärkt sich in Darmstadt immer mehr. Am 1.6.2022 stellte die Stadt Darmstadt, gemeinsam mit dem Institut Wohnen und Umwelt, dem Mieterbund und Haus & Grund, den neuen Mietspiegel für 2022 vor. Er weist eine Steigerung gegenüber 2018 um 17,4 % auf. Der durchschnittliche Quadratmeterpreis für eine Mietwohnung liegt bei 10,44 €. Für eine 80 Quadratmeter große Wohnung bedeuten das 835 €. Der Durchschnittslohn ist in diesem Zeitraum lediglich um etwa 5% angestiegen. Zusammen mit den steigenden Nebenkosten werden die Mieten in Darmstadt nicht nur für die Geringverdiener sondern auch für den Mittelstand immer unerschwinglicher.

An der Erstellung und der Systematik des Mietspiegels gibt es jedoch grundsätzliche Kritik. Die bisherigen Mietspiegel geben nämlich nicht die tatsächliche Situation bei den Mieten wieder, da nur die neu geschlossenen Mietverträge oder die in den letzten 6 Jahren erhöhten Mieten erfasst werden. So führt die Erstellung des Mietspiegels zu immer steigenden Vergleichsmieten. Erforderlich sind dagegen weitergehende politische Maßnahmen, wie z. B. die Einführung eines Mietendeckels, der allerdings auf Bundesebene beschlossen werden muss.

Was in Darmstadt getan werden kann

Aber es gibt auch Möglichkeiten auf kommunaler Ebene die enorme Steigerung der Mieten zu bekämpfen. Vor einigen Monaten fragte die Stadtverordnetenfraktion der LINKEN den Magistrat an, wie sich die Mieten des Bauvereins im Vergleich zum Mietspiegel verhalten. Die Antwort fasste die LINKE in einer aktuellen Presseerklärung wie folgt zusammen: „Das Ergebnis ist enttäuschend: gerade einmal ein Viertel der frei finanzierten Wohnungen vermietet der Bauverein deutlich unterhalb des Mietspiegels, bei 40% der Wohnungen befindet sich die Miete am gesetzlichen Limit. Erschreckend ist, dass durch Erst- und Wiedervermietungen etwas mehr als ein Drittel der Wohnungen sogar oberhalb des Mietspiegels liegt. Auf diese Weise treibt unser städtisches Wohnungsunternehmen den Mietspiegel aktiv in die Höhe.“

Dass eine Änderung der Mietpreispolitik des Bauvereins notwendig ist, liegt auf der Hand. Auch die Darmstädter SPD fordert, dass die Bauverein AG auf Ausschüttungen an die Stadt verzichtet, um ihrer sozialen Aufgabe gerecht werden zu können.

… und auf Bundesebene

Bundespolitisch gibt es durchaus weitere Möglichkeiten den Anstieg der Mieten wirksam zu bekämpfen. So könnten alle Mieten an einer zentralen Stelle in einem Mietenkataster erfasst werden. Mit der Erstellung eines Mietenkatasters werden verlässlich ortsübliche Vergleichsmieten erhoben und es kann ein Mietspiegel erstellt werden, der die Mieten wirklichkeitsgerecht erfasst. Das wären abgesicherte Daten für die Einführung eines Mietendeckels. Für Wohnungskonzerne und Vermieter wird es so entschieden schwieriger, die Mietpreise weiter nach oben zu treiben. Da mit den bisherigen Mietspiegeln eine rechtssichere Anwendung der Mietpreisbremse meist nicht möglich ist, bietet dagegen das Mietenkataster eine rechtlich verlässliche Grundlage dafür.

Vonovia will „Inflationsausgleich“ für seine Aktionäre

“Wenn die Inflation dauerhaft bei vier Prozent liegt, müssen auch die Mieten künftig jährlich dementsprechend ansteigen“. So Rolf Buch, Vorstandsvorsitzender von Vonovia, Deutschlands größten Wohnungskonzern. Vonovia besitzt europaweit 565.000 Wohnungen, 396.000 davon in Deutschland. Buch befürchtet, dass die Vermieter sonst in „ernsthafte Schwierigkeiten“ geraten. Welche Schwierigkeiten? Vonovia erzielte 2021 einen Gewinn von von fast 1,7 Milliarden Euro. Die höchste Auszahlung an die Aktionäre in der Firmengeschichte. Für 2022 wird sogar eine Steigerung auf rund 2 Milliarden Euro erwartet.

Die Politik des Wohnungskonzerns ist an Zynismus kaum zu überbieten. Der DAX-Konzern „bangt“ um die Milliarden-Dividende seiner Aktionäre, während seine Mieter teilweise über 50 % ihres Einkommens für die Miete ausgeben müssen.

 

 

07.06.2022