Beginn einer Mieterbewegung?

Wohnungsgipfel in Darmstadt

Die Wohnungsnot in den Ballungszentren nimmt spürbar zu. Für viele Menschen sind die geforderten Mieten kaum noch erschwinglich. Die Empörung über diese Zustände macht sich jetzt auch in ersten Aktionen Luft. Am Samstag dem 10.11.2012 demonstrierten Mieterinitiativen in Berlin, Hamburg und Freiburg. Diese Proteste könnten Zeichen einer aufkommenden Mieterbewegung sein.

Eher zufällig fand am gleichen Tag im Darmstädter Schloss ein Wohnungsgipfel statt. Verschiedene Fachleute beleuchteten kritisch die Wohnungssituation vor Ort in ihren unterschiedlichen Aspekten. Das neugegründete "Darmstädter Bündnis für bezahlbaren Wohnraum" besteht aus dem DGB-Stadtverband Darmstadt, Mieterbund Darmstadt, Arbeit und Leben Südhessen, AStA TU Darmstadt, AStA Hochschule Darmstadt, DGB-Hochschulgruppe Darmstadt und DGB-Jugend Südhessen. Die Veranstaltung wird unterstützt durch Einzelgewerkschaften, Partei und Fraktion DIE LINKE, Fraktion UFFBASSE und durch die Gewerkschaftliche Arbeitslosen-Initiative (GALIDA) Darmstadt

Christian von Malottki vom Institut Wohnen und Umwelt befasste sich mit der zunehmend angespannten Lage auf dem Darmstädter Wohnungsmarkt. Wie in allen Ballungszentren sei auch in Darmstadt eine Zunahme der Bevölkerung festzustellen. Dem wachsenden Bedarf an Wohnungen stehe kein entsprechende Zunahme des Wohnungsbestands gegenüber. Diese führe in den letzten Jahren zu stark steigenden Mieten, vor allem für kleinere Wohnungen. So seien die Mieten für Ein-Zimmer-Wohnungen von 2004 bis 2011 von 9,72 Euro pro Quadratmeter auf 11,34 Euro gestiegen. Ein signifikanter Rückgang bei den Sozialwohnungen verschärft die Probleme der unteren Einkommensgruppen: Gab es 1987 noch 15000 Sozialwohnungen, so ist deren Zahl auf 5000 zurückgegangen. Von jährlich 2000 Anspruchsberechtigten, die eine Sozialwohnung suchen, können unter diesen Bedingungen nur 500 vermittelt werden.

Georg Hang, Stadtverordneter von Uffbasse, ging in seinem Vortrag auf die Politik des Bauvereins ein, dem größten Anbieter von Mietwohnungen in Darmstadt. Von etwa 46.000 vermieteten Wohnungen sind 12.000 im Besitz des Bauvereins. Auch in den Wohnungen des Bauvereins sei ein kontinuierlicher Anstieg der Mieten festzustellen. So sei die Anzahl der Wohnungen mit einer Miete bis zu sechs Euro pro Quadratmeter in den letzten vier Jahren deutlich gesunken. Entsprechend gestiegen die Zahl der Wohnungen mit höheren Mieten. Hang, der auch Mitglied des Aufsichtsrats des Bauvereins ist, erklärte auch die Rolle, die der Bauverein nach dem schwarz-grünen Koalitionsvertrag haben soll: Die Gewinne, die der Bauverein erzielt, sollen zum Ausbau des sozialen Wohnungsbaus verwendet werden.

Diese Politik wurde von Frau Heilmann, der Vertreterin des Mieterbundes kritisiert: Da die Gewinne des Bauvereins vor allem durch Mieterhöhungen erwirtschaftet werden, sollten so die eher einkommensschwachen Mieter_innen des Bauvereins für die Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus herangezogen werden. Dadurch wird aber bezahlbarer Wohnraum für geringverdienende Menschen ohne Anspruch auf eine Sozialwohnung immer knapper. In ihrem Beitrag ging Frau Heilmann auch auf die Funktion des Mietspiegels ein, der einerseits Mieterhöhungen begrenze, andererseits aber auch den Spielraum für Mieterhöhungen schaffe. Vor allem bei Zuschlägen für die Lage oder Ausstattung einer Wohnung sei oftmals die Berechtigung zu hinterfragen. Auch in diesem Punkt übte sie Kritik an der Praxis des Bauvereins, der die durch einen neuen Mietspiegel geschaffenen Spielräume stets vollständig ausschöpfe.

Diese Themen wurden in Workshops vertieft und am Ende der Veranstaltung diskutierten die Teilnehmer_innen Forderungen für eine bessere Wohnungspolitik. Sie sollen in elf Thesen zusammengefasst werden. Nach der redaktionellen Überarbeitung werden wir diese Thesen ebenfalls in „siehsmaso“ veröffentlichen.

Die Zusammensetzung der Teilnehmer_innen des Wohnungsgipfels machte deutlich, dass sich in Darmstadt der Ärger über steigende Mieten noch nicht in politisches Handeln umsetzt. Anwesend waren vorwiegend Personen, die sich schon seit einem längeren Zeitraum mit der Situation auf dem Wohnungsmarkt, den Problemen der Mieter_innen oder mit kommunaler Wohnungspolitik beschäftigen. Vielleicht wurde mit dieser Veranstaltung aber die Grundlage gelegt für eine weitergehende Zusammenarbeit.

Reinhard Raika
20.11.2012