Schließung der T-Online Redaktion ist nur Spitze des Eisbergs

Abgekartetes Spiel zwischen Ströer und Telekom?

Die Schließung der T-Online-Redaktion in Darmstadt mit 100 Beschäftigten war Thema auf den Wirtschaftsseiten vieler Tageszeitungen, auch beim Darmstädter Echo.

Outsourcing von Entlassungen?

T-Online war einmal eine von drei Säulen der Telekom. Neben T-Mobil und der Festnetzsparte T-COM stand T-Online für das Internetgeschäft des Telekom Konzerns und beschäftigte einst über 3.000 Menschen. Diese Drei-Säulen-Strategie ist längst Geschichte und die Beschäftigten wurden im Zuge zahlreicher Umstrukturierungen in andere Bereiche des Konzerns verschoben. Übrig blieb von T-Online der Markenname und das gleichnamige Nachrichtenportal und dem Zugang zu verschiedenen Telekom-Services. Für dieses Portal arbeiten 400 Menschen, davon 100 in der Redaktion. Und diese Redaktion soll jetzt in Darmstadt geschlossen werden. Die Telekom hatte das Portal im Herbst 2015 an die Ströer Mediagruppe verkauft. Dieses Unternehmen vermarktet Werbeflächen im öffentlichen Raum, hatte aber auch schon vor der Übernahme Onlinewerbung vermarktet.

Oberbürgermeister Jochen Partsch bedauert zwar die Schließung der Redaktion, laut Darmstädter Echo merkt jedoch an, dass "durch den Verkauf (…) an Ströer gleichwohl früher oder später mit einer Änderung für die journalistischen Redaktionen zu rechnen" war. Den Arbeitnehmer_innen wurde bei der Übernahme allerdings etwas anderes versprochen: Für sie würde sich nichts ändern und ihre Arbeitsplätze seien sicher. Nun, nach einem Jahr, wurde für Frühjahr 2017 die Schließung der Redaktion in Darmstadt bekanntgegeben. Die Betroffenen haben die Möglichkeit, sich in Berlin(!) auf eine Stelle bei der im Aufbau befindlichen Zentralredaktion der Ströer-Gruppe zu bewerben(!), d.h. es gibt nicht einmal eine garantierte Übernahme.

Zudem gäbe es bei dem neuen Arbeitgeber  Ströer in Berlin schlechtere Arbeitsbedingungen.  Da das T-Online-Portal zum Telekom-Konzern gehörte, musste Ströer bei der Ausgliederung den gültigen Telekom-Tarifvertrag für mindestens ein Jahr übernehmen. Nach den gesetzlichen Regelungen für einen Betriebsübergang ist das übernehmende Unternehmen verpflichtet, innerhalb von einem Jahr nach Übernahme keine Kündigungen auszusprechen und die bisher gültigen Arbeitsverträge einzuhalten. Kaum war diese „Anstandsfrist“ verstrichen, kündigte Ströer die Schließung der Redaktion an. In den anderen Betrieben der Ströer-Gruppe mit 3.800 Beschäftigten gibt es keinen Tarifvertrag. Bei der Redaktionsschließung handelte es sich also auch noch um Tarifflucht.

Auf den ersten Blick sieht es so aus, als habe Ströer den Arbeitsplatzabbau zu verantworten und der Telekom Konzern habe damit nichts zu tun. Doch erhielt der Telekomkonzern den Kaufpreis für das T-Online-Portal in Form von Aktien und ist jetzt Großaktionär der Gruppe. Beim magentafarbenen Unternehmen war es auch zuvor schon geübte Praxis, Bereiche an Fremd- oder Tochterfirmen auszugliedern, bei denen der Abbau von Arbeitsplätzen geräuschloser über die Bühne geht. Ähnliches geschah schon beim Verkauf von Callcentern an „Walter Telemedien“ (heute: walterservices). Die Beschäftigten mussten erhebliche Einbußen in Kauf nehmen, da der Tarifvertrag beim aufnehmenden Betrieb wesentlich schlechter ist als der bei der Telekom. Doch als die Telekom das Auftragsvolumen bei walterservices reduzierte, kam das Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten und musste einige Callcenter schließen.

OB Partsch nicht informiert?

OB Partsch lobt die "die Robustheit des IT-Standorts Darmstadt", da die 300 Arbeitsplätze bei Technik und Marketing des T-Online-Portals in Darmstadt bleiben. Dabei ignoriert er, wie gerade bei der Telekom in den letzten Jahren in großem Stil Arbeitsplätze abgebaut wurden. Bei der IT-Tochter T-Systems fielen seit 2013 etwa 5.000 Stellen weg, davon mehrere hundert in Darmstadt.

Auch sonst zeigt das Unternehmen viel Phantasie, um Personalkosten zu senken und den Kapitaleignern eine höhere Dividende zu sichern. So sollte konzernweit die Zahl der Ausbildungsplätze von jährlich 3.000 auf 1.500 halbiert werden. Nach Verhandlungen mit ver.di wurde die Zahl auf 2.200 erhöht, also immer noch 800 weniger als zuvor. In Darmstadt gab es 2013 noch 113 Ausbildungsplätze und 70 Absolventen eines dualen Studiums. Heute werden hier noch 27 junge Menschen ausgebildet und noch 27 absolvieren ein duales Studium.

Unter dem Titel „Einfach anders“ steht mal wieder eine große Umorganisation an. Etwa 15.000 Beschäftigte sollen in andere Bereiche des Konzerns verschoben werden. Dabei wird ausgenützt, dass es für die unterschiedlichen Bereiche auch unterschiedliche Tarifverträge gibt mit durchaus spürbaren Unterschieden. Für die Umstrukturierung bringt der Konzern eine ganze Reihe von sachlichen Argumenten. Aber es ist sicher kein Zufall, dass für die meisten Betroffenen das Tarifniveau in den neuen Bereichen deutlich unter dem der Herkunftsbetriebe liegt.

Etwas Besonderes hat sich die Telekom für die Beamten ausgedacht. Bis in die neunziger Jahre wurden Beschäftigte der Telekom standardmäßig als Bundesbeamte eingestellt. Nach Privatisierung blieben sie Bundesbeamte und wurden vom Bund den Postnachfolgeunternehmen (Post AG, Telekom, Postbank) zugewiesen. Der ehemalige Personalchef Sattelberger soll einst gesagt haben, ein guter Telekom-Beamter sei nur der, der die Telekom verlässt. Um diesen Prozess zu beschleunigen, wurde nun ein spezieller Betrieb nur für Beamte gegründet. Und dieser Betrieb hat nur zwei Standorte: Darmstadt und Köln. Die Absicht ist jedoch klar, die Beamt/innen sollen dort zum großen Teil gar nicht arbeiten. Die Rahmenbedingungen mit bewusst langen und unzumutbaren Pendlerstrecken – obwohl passende Arbeitsplätze wohnortnah im Konzern sogar frei sind – sollen so unerträglich gestaltet werden, dass die Alternative einer Versetzung zum BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) oder zu anderen Gebietskörperschaften (Bund, Land, Kommune) attraktiver erscheint, als Beamter bei der Telekom zu bleiben.

Auch Sparmaßnahmen bei den betrieblichen Kindertagesstätten könnten Beschäftigte der Telekom zwingen, ihren Arbeitsplatz aufzugeben oder die Arbeitszeit zu reduzieren. Während sich der Konzern in der Außendarstellung gerne als familienfreundlich gibt, sollen bei der Kinderbetreuung 1,7 Millionen Euro eingespart werden. In Darmstadt gab es bisher zwei Kitas der Telekom: Diese sollen nun zusammengelegt werden. Das aber ist nur eine Umschreibung für die Schließung einer Kindertagesstätte.

Reinhard Raika
20.10.2016
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