Ökologische Waldnutzung

„Zertifizierung“, was ist das?

Viele Systeme der Waldzertifizierung tummeln sich zur Zeit auf dem lokalen und internationalen Holzmarkt. Die vertrautesten sind „FSC“ (Forest Stewardship Council) und „Naturland“. Jedes System basiert auf selbsterarbeitete ökologische Kriterien und Standards, anhand dessen ein Wald bewirtschaftet werden muss, damit das gewonnene Holz mit dem entsprechenden „Zertifikat“ versehen werden darf. Sicherlich, jedes dieser Systeme ist auch ein Minimalkonsens, die Waldwirtschaft etwas naturfreundlicher zu gestalten. Es lohnt sich für die Waldpolitik trotzdem, die kleinen aber feinen Unterschiede der verschiedenen Zertifikate zu betrachten und danach zu handeln.

Immer mehr Wälder in Deutschland werden inzwischen nachhaltiger bewirtschaftet. Seitens der Naturschützer wird die klassische Waldnutzung, die sich früher schon bei einer erreichten Balance von Einschlag und Nachwuchs als „nachhaltig“ loben ließ, abgelehnt, weil sie nicht hinreichend Rücksicht auf die Entwicklung der Artenvielfalt nimmt. In den Medien, aber auch in der Forstwirtschaft selbst - Peter Wohlleben ganz vorn - findet im Augenblick ein in diese Richtung gehendes ökologisches Umdenken statt. In Darmstadt und Umgebung sind wir aber leider noch nicht soweit.

Aktuell findet z.B. in Mühltal die Beratung und Verabschiedung der sogenannten „Forsteinrichtung“ statt, einer Art Flächennutzungsplan für den Wald, gültig für die nächsten 10 Jahre. Dieser Plan schlägt immerhin vor, die Menge des geschlagenen Holzes etwas zu begrenzen. Das Mühltaler Gemeindeparlament hatte letztes Jahr beschlossen, auch die Wirtschafts- und Arbeitsweise der mit den Waldarbeiten beauftragten Firma „HessenForst“ durch eine „unabhängige“ Kontrollinstanz prüfen zu lassen. Das Stichwort lautet hier FSC-Zertifizierung. So wird z.B. im FSC-Prinzip Nr.6 die Sicherung der biologischen Vielfalt und der empfindlichen Ökosysteme im Wald angesprochen.

All das hört sich zwar gut an, ist es aber leider nicht wirklich! Denn immer wieder wurde in Mühltal (aber auch in Darmstadt oder Seeheim) von der BI-Waldschutz Darmstadt und Dieburg festgestellt, dass Einschlagsmengen unnötig hoch ausfielen, dass auch während der Setz- und Brutzeiten gefällt wurde oder dass waldboldenzerstörende Harvester zum Einsatz kamen. Selbst die FSC-Kriterien stellen an vielen sensiblen Stellen nur einen dekorativen Kompromiß zwischen Ökologie und Ökonomie dar. Der FSC-Prüfungsablauf für Mühltal ist aktuell noch nicht abgeschlossen und es gibt bereits jetzt Kritik an die Vorgehensweise der Agentur IMO-Swiss, die im Auftrag des FSC die Waldwirtschaft begutachtet (mehr Infos: www.pro-walderhalt.de).

Ein konsequenter Umstieg auf eine ökologische Waldnutzung, die ihren Namen auch verdient, ist deshalb unerläßlich. Die definitiv bessere Möglichkeit, ist eine Waldwirtschaft nach den „Naturland-Richtlinien“ zu betreiben. In Deutschland hat „Naturland“ die Standards gesetzt, an dem sich viele Zertifizierungssysteme orientiert haben. Der Naturland-Verband hat dazu - in Zusammenarbeit mit BUND, Greenpeace und Robin Wood - gültigere Richtlinien zur ökologischen Waldnutzung erarbeitet. Dabei ist die Kontrolle durch unabhängige Gutachter die Basis für die Glaubwürdigkeit des Naturland-Siegels.

Darmstadt, Seeheim oder Mühltal sollten den Beispielen aus u.a. Wiesbaden, München, Boppard, Hannover, Bonn oder Saarbrücken folgen und den eigenen Wald durch eine Zertifizierung  nach den Naturland-Richtlinien absichern. Ein solcher Wald wäre ein Gewinn für die Natur, hätte einen höheren Erholungswert und stellte ein Aushängeschild für unsere Waldregion dar. Finanziell machbar wäre dies übrigens ohne jedes Problem. Man müsste es nur wollen.

Fazit: FSC kann jeder, Naturland ist besser!

Franz Fujara und Mario Guglielmi
14.04.2017
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