Gesinnungswächter in Darmstadt seit Jahren aktiv

Offener Brief an das Darmstädter Echo und an Oberbürgermeister Partsch

Als im Januar 2018 die Rockgruppe "Stainless Steel" in der Böllenfalltorhalle auftreten wollte, riet die Stadt Darmstadt dem Veranstalter, dieses Konzert abzusagen. Voraus gingen Hinweise des grünen Stadtverordneten und Vorsitzenden der Grünen Jugend Hessen Philip Krämer, zu diesem Konzert könnten scharenweise rechtsradikale Menschen anreisen. Das "Darmstädter Echo" kritisierte daraufhin, dass die Stadt auf den bloßen Verdacht eines "Junggrünen" eine solche Veranstaltung absagen lasse. Hilla Dombrowe vom Darmstädter Friedensbündnis und Johannes Borghetto vom Israel-Palästina-Solidaritätskreis nehmen dies zum Anlass, die Redakteure über weitere Versuche Philip Krämers zu informieren, ihm nicht genehme Veranstaltungen in Darmstadt zu unterbinden.

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Sehr geehrte Redakteure,

mit großem Interesse haben wir die Berichte und Kommentare des Darmstädter Echo zur Absage des Konzerts der Gruppe „Stainless Steel“ in Darmstadt gelesen. „Hinweise“ des grünen Stadtverordneten Philip Krämer hatten den Büroleiter des Oberbürgermeister-Büros dazu bewegt, Sicherheitsbedenken gegenüber dem Veranstalter vorzutragen, so dass sich dieser dazu veranlasst sah, die Veranstaltung abzusagen.

Leider ist der Stadtverordnete Philip Krämer auch in der politisch aktiven Darmstädter Szene seit Jahren kein Unbekannter und schon mehrfach durch massiven Druck auf Veranstalter, Unterstützer von Veranstaltungen und Bereitsteller von Räumlichkeiten aufgefallen, wenn er persönlich nicht mit den eingeladenen Referent/innen einverstanden war.

Wir nehmen den jüngsten Vorfall rund um das Konzert daher zum Anlass, Sie nachstehend über einige dieser Vorgänge zu informieren. Diese betrafen verschiedene Veranstaltungen des Solidaritätskreises IsraelPalästina (IPS Darmstadt) und des Darmstädter Friedensbündnis. Ob darüber hinaus weitere Veranstaltungen in Darmstadt betroffen waren, entzieht sich unserer Kenntnis.

Das Vorgehen des grünen Nachwuchsstars, der derzeit auch für den Hessischen Landtag im Gespräch ist, ist dabei immer ähnlich. Zunächst wird der Veranstalter per Schreiben unter Druck gesetzt, weil der/die eingeladene Referent/in wahlweise antisemitsch oder antiamerikanisch sei oder „möglicherweise“ rechte Positionen vertrete bzw. mit Personen verkehre, die dessen verdächtig seien. Verwahrt man sich gegen solche Unterstellungen, gibt dem Druck nicht nach und will die Veranstaltung weiter durchführen, folgt Schritt zwei. Nun werden alle Register gezogen, um die Unterstützer der Veranstaltung dazu zu bewegen, sich von den Veranstaltern loszusagen. Besonders perfide ist dies, wenn 1-2 Tage vorher auf Druck von Herrn Krämer der Veranstaltungsraum gekündigt wird, denn wer will schon etwas mit „Antisemiten“ oder „rechten Verschwörungstheoretikern“ zu tun haben?

Im folgenden sind einige Beispiele für das Wirken des Grünen Philip Krämer in Darmstadt aufgeführt. Mit dabei war früher auch Tim Huß, Nachwuchspolitiker der SPD, der sich aber in letzter Zeit zurückgehalten hat - wohl auch aufgrund seiner Erfahrungen mit seinem umstrittenen Online-Auftritt zum Atomabkommen mit dem Iran. Die beiden kennen sich aus der AStA-Arbeit der TUD.

 

1.)  10.06.15, Veranstaltung des Israel-Palästina-Solidaritätskreises (IPS)im Katholischen Bildungszentrum Nieder-Ramstädter Str. 30,

Veranstaltung mit Mark Braverman, (http://markbraverman.org/) jüdischer Psychologe aus den USA, Autor und Friedensaktivist zum Thema: "Verhängnisvolle Scham: Israels Politik und das Schweigen der Christen",

Mit einem Schreiben an das Bischöfliche Ordinariat bezichtigte Philip Krämer als Referent des TUD-AStA Bravermann des Antisemitismus und ersuchte (erfolglos) um eine Absage des Veranstaltungsraumes.

2.)  01.12.14, IPS-Veranstaltung im Raum der Elisabeth-Schwestern, Nieder-Ramstädter Str. mit dem Theologen Peter Bingel (http://www.palaestina-israel-zeitung.de/ueber.html) Ca. 6 „Antideutsche“ ließen den Referenten von Anfang an nicht zu Wort kommen, schrien „wir lassen uns die antisemitische Scheiße nicht bieten, … aufhören … zum Kotzen ...“ .. sie mussten per herbeigerufener Polizei nachhause geschickt worden.

3.)  02.09.15, IPS-Veranstaltung ursprünglich geplant im Saal der ev. Andreasgemeinde mit Lilian Rosengarten: "Als Jüdin gegen Zionismus"

Die 80-jährige Lillian Rosengarten, geboren in Frankfurt a.M., konnte 1936 dem Holocaust durch Flucht ihrer Eltern in die USA entkommen. Als säkulare Jüdin unterscheidet sie strikt zwischen Judentum und Zionismus und gehört zum internationalen jüdischen antizionistischen Netzwerk. 

Mit einem Schreiben appellierten die Jusos Darmstadt unter Führung von Tim Huß (SPD, Nr. 2 hinter B.Zypries auf der SPD-Kommunalwahlliste) an die Andreasgemeinde, wegen der „bekannten Antisemitin“ „den Mietvertrag zu kündigen und den Boten des Antisemitismus keine Bühne zu geben.“ Mit Erfolg. Die Andreasgemeinde kündigte.

Das Hoffart-Theater stellte ein Ausweichquartier zur Verfügung und wurde prompt – diesmal erfolglos – telefonisch und schriftlich bedrängt.

4.)  23.02.16 Veranstaltung des Darmstädter Friedensbündnisses mit der Journalistin Karin Leukefeld zum Thema: Syrien – Chancen für den Frieden?

Die Veranstaltung sollte nach Vereinbarung mit dem AStA der HDA im „Glaskasten“ der HDA stattfinden. Durch massive Interventionen von TUD-AStA-Referent Philip Krämer und syrischer Studenten zog der HDA-AStA 3 Tage vor der Veranstaltung seine Zusage zurück. Zuvor hatte Krämer auch die Darmstädter DGB-Jugendsekretärin dahingehend bearbeitet, dass diese ihre Unterstützung der Veranstaltung zurückzog. Mit Unterstützung von VERDI gelang es, die Veranstaltung im DGB-Haus durchzuführen. Es gab eine starke Beteiligung von Syrern, wahrscheinlich Anhänger der „Freien Syrischen Armee“, mit z.T. feindselig eskalierenden Zwischenrufen und Wortbeiträgen, die Leukefeld eine Parteinahme für das Assad-Regime vorwarfen. Es fiel auf, dass Philip Krämer eng mit den Syrern kommunizierte.

5.)  12.03.16 Veranstaltung des Darmstädter Friedensbündnisses mit dem Friedensforscher Werner Ruf zum Thema: „Mali und die Deutsche „Verantwortung“ in einem Seminarraum der TUD Darmstadt. Der Raum war vom Sozialistisch-Demokratischen Studierentenbund („dielinkeSDS“) organisiert. Wiederum Philip Krämer ersuchte den SDS mit einem Schreiben, seine Unterstützung für die Veranstaltung zurückzuziehen, weil Werner Ruf „die sozialen und ökonomischen Verhältnisse in den arabischen Gesellschaften als Folge von Kolonialpolitik, Ausbeutung und Besatzung durch die Kolonialmächte und heute vornehmlich durch die USA und Israel darlegt“. Er spreche damit „die terroristischen Gruppen als auch die Gesellschaften, aus denen sie ihre Anhänger rekrutieren, von der Verantwortung für ihre mörderischen Aktivitäten frei.“ Die Veranstaltung fand erfolgreich statt.

6.)  08.04.16 Konzert des weltberühmten Jazzsaxophonisten Gilad Atzmon (siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Gilad_Atzmon) in der Bessunger Knabenschule. Atzmon, gebürtiger Israeli ist scharfer Kritiker des Zionismus und der israelischen Regierungspolitik. Philip Krämer (inzwischen Stadtverordneter der Grünen) intervenierte zunächst erfolglos, die Veranstalter zu einer Absage zu bringen und dann ebenso ohne Erfolg bei OB Partsch, der meinte, sich nicht in eine kulturelle Angelegenheit einmischen zu müssen.

7. Ein „Wasserschaden“

10.10.17 Veranstaltung mit der Autorin Petra Wild zum Thema „(K)ein Staat Palästina – was dann?“ Petra Wild hat u.a. das Buch „“Die Krise des Zionismus und die Ein-Staat-Lösung“ (Promedia-Verlag) geschrieben. Ein Mietvertrag zum Veranstaltungsort im Foyer des „Heiner-Lehr-Zentrum“ war mit der Arbeiterwohlfahrt (AWO) abgeschlossen.

Philip Krämer schrieb dazu „Petra Wild … schürt gezielt Antisemitismus und Hass …. Ich fordere daher die AWO Darmstadt auf, den Mietvertrag kurzfristig zu kündigen.“

Am Mo., 09.10. um 11:30 Uhr teilte der Hausmeister des Heiner-Lehr-Zentrums per Anruf mit, er habe noch keinerlei negative Order von der AWO. 24 Stunden später, 6 Stunden vor der Veranstaltung teilte die AWO mit: „Aufgrund eines Wasserschadens und der damit verbundenen Reparaturarbeiten ist das Heiner-Lehr-Zentrum derzeit nicht für Veranstaltungen nutzbar.“ Es wurde allerdings erst in den folgernden Tagen mit Arbeiten im Heiner-Lehr-Zentrum begonnen.

Die Veranstaltung konnte in einem spontan eingenommenen Alternativraum dennoch stattfinden.

Über diese Beispiele hinaus wurde auch das Politnetz Darmstadt vom AStA der TUD unter Führung Krämers massiv unter Druck gesetzt - damals in Zusammenhang mit der Veranstaltung mit Peter Bingel (s. Beispiel 2):

„Die Veranstaltungen des Solidaritätskreis IsraelPalästina (IPS Darmstadt) sollen nicht mehr auf der Internetseite des Politnetzes Darmstadt beworben werden und eine positive Bezugnahme auf diese Organisation in Zukunft unterlassen werden. Zudem sollen Berichte und geführte Interviews, die sich momentan auf der Seite befinden, gelöscht werden und eine Distanzierung auf die Startseite eingestellt werden.“

Nachdem die Mitglieder des Politnetzes dem Druck nicht folgten, trat der AStA aus dem Politnetz aus.

Nach den oben geschilderten Erfahrungen können wir nur vermuten, dass Herr Krämer und seine Anhänger der so genannten linken Strömung der „Antideutschen“ nahe stehen. Nach Meinung der Antideutschen ist nicht nur jegliche Kritik an der israelischen Politik oder am Zionismus antisemitisch. Selbst die Friedensbewegung, alternative und kapitalismuskritische, linke Gruppen werden als „strukturell antisemitisch“ angeprangert, indem deren Kritik am Finanzkapital mit dem Stereotyp der Nazis und Antisemiten vom „raffenden Kapital = Weltjudentum“ gleichgesetzt wird. So gesehen sind Linke und Friedensbewegte plötzlich rechts angesiedelt.

Selbstverständlich kann man in vielen Bereichen unterschiedlicher Meinung sein und über die Wege streiten, wie z. B. eine gerechtere, friedlichere Welt erreicht wird. Jeder ist daher bei unseren Veranstaltungen herzlich eingeladen, mit uns und den geladenen Referent/innen und Expert/innen zu diskutieren. Es ist doch gerade Kern der Demokratie, kontroverse Meinungen zu respektieren.

Herr Krämer jedoch maßt sich an, in unserem laut Oberbürgermeister Partsch „offenen Darmstadt“ zu bestimmen, was politisch korrekt ist. Dafür schreckt er nicht davor zurück, Gruppierungen als Antisemiten, Assad-Freunde oder rechte Sympathisanten zu etikettieren und so Rufschädigung der dort engagierten Menschen zu betreiben. Und die Grünen? - Jubeln weiter ihrem Nachwuchsstar zu.

Bitte verstehen Sie unsere Ausführungen als Information, auch um in Zukunft besser einschätzen zu können, was hier in Darmstadt bei manchen Veranstaltungen im Hintergrund läuft.

Mit freundlichen Grüßen

 

Johannes Borghetto                                                          Hildegard Dombrowe

für den Israel-Palästina Solidaritätskreis                           für das Darmstädter Friedensbündnis

Hilla Dombrowe / Johannes Borghetto
08.02.2018
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