Wohnpark Kranichstein

Ein Goldesel für die ENTEGA

Bereits am 30.6.2017 berichtete „siehsmaso“ über den geplanten Verkauf des Wohnparks Kranichstein. Der Wohnpark Kranichstein ist aufgespalten in eine Immobiliengesellschaft und eine Betreibergesellschaft. Die „Wohnpark Kranichstein Betreibergesellschaft“ führt das laufende Geschäft, sie gehört zur INCURA GmbH, mit Sitz in Köln, die insgesamt 13 Altenheime führt. 

Die Wohnanlage gehört der Immobiliengesellschaft HSE Wohnpark, eine hundertprozentige Tochter des Energieunternehmens ENTEGA AG. Die Stadt Darmstadt hält seit dem Rückkauf der Anteile von E.ON 93,13 Prozent der Aktien von ENTEGA. Weitere 5,12 Prozent sind im Besitz von Landkreisen, Städten und Gemeinden in Südhessen. Die ENTEGA besitzt ein weitverzweigtes Netz von etwa 30 Tochtergesellschaften, vorwiegend aktiv in der Energie- und Wasserwirtschaft, sowie Abwasserreinigung und Müllverbrennung. Mit 2000 MitarbeiterInnen erwirtschaftete das Unternehmen 2016 einen Gewinn von 22 Millionen Euro. Wie passt nun die HSE Wohnpark in das Portfolio eines Energieunternehmens?

Die städtische Immobiliengesellschaft verdient – die BewohnerInnen zahlen

Das Gebäude des Wohnparks Kranichstein wird seit dem 1.1.2003 von der HSE Wohnpark für jährlich 2,6 Millionen Euro an INCURA verpachtet. Im Pachtvertrag ist eine Laufzeit von 15 Jahren festgelegt. Die Pachteinnahmen betrugen über die letzten 15 Jahre hinweg insgesamt 39 Millionen Euro – ein stolzer Betrag. Der Pachtvertrag läuft nun zum 30.6.2018 aus. Die Betreibergesellschaft INCURA hat im Sommer 2017 den Vertrag fristgemäß gekündigt und teilte in einem Schreiben an die BewohnerInnen mit, dass wegen Baumängeln der Einrichtung die Schließung drohe. Dies bestritt die ENTEGA/HSE Wohnpark in einer Presseerklärung.Trotz der hohen Pachteinnahmen sind die Ausgaben der HSE Wohnpark für Instandhaltung und Investitionen mehr als überschaubar. Eigenes Personal beschäftigt die Immobiliengesellschaft nicht. Die Geschäftsführung wird von einem Vorstandsmitglied vonENTEGA und einem Bereichsleiter wahrgenommen. Die Investitionen in das Gebäude betrugen in den Jahren 2013 bis 2016 jeweils 0 Euro. 2017 soll es Investitionen für Brandschutzmaßnahmen gegeben haben, um gesetzliche Auflagen zu erfüllen.

Nach dem Beteiligungsbericht der Stadt Darmstadt betrug das EBIT der HSE Wohnpark im Jahr 2016 1,064 Mio Euro (EBIT- englisch: earnings before interest and taxes – Gewinn des Unternehmens vor Steuern und Zinsen) .

Es ist wohl nicht übertrieben zu sagen, dass eine Gesellschaft der Stadt Darmstadt ein einträgliches Geschäft mit den alten Menschen betreibt. Incura zahlt an die HSE Wohnpark eine hohe Pacht und holt sich dann die Pacht als so genannte "Hotelkosten" von den BewohnerInnen  zurück.

Was passiert mit den Beschäftigten?

Die Beschäftigten des Wohnparks Kranichstein hängen immer noch in der Luft. In einem Brief an Oberbürgermeister Partsch forderten die Vertrauensleute von ver.di im Wohnpark  bereits im Oktober 2017 sich intensiv mit der Vergabe des Wohnparks Kranichstein auseinanderzusetzen. Die Beschäftighten wünschen sich eine Übernahme durch einen seriösen Betreiber, der Tarifverträge anwendet und Tariflöhne zahlt, ferner einen Betreiber, der nicht darauf aus ist, eine hohe Rendite einzufahren und dem sozialen Auftrag der BürgerInnen der Stadt Darmstadt gerecht wird. Anfang des Jahres antwortete Oberbürgermeister Partsch, dass es „auch der Wissnschaftsstadt Darmstadt ein großes Anliegen ist, dass Mitbestimmung und Tarifbindung beachtet werden. Es wird bei etwaigen Verhandlunegen mit potenziellen Betriebern ein großes Augenmerk hierauf gerichtet.“ Im Übrigen verwies er auf das noch laufende Bieterverfahren. Wirklich zufrieden stellen konnte dies Antwort die Beschäftigten natürlich nicht. 

Das Geschäft mit den alten Menschen

Die Versorgung der alten Menschen hat sich zu einem lukrativen Markt entwickelt, mit dem sich viel Geld verdienen lässt. Aktiengesellschaften und Investorengruppen kaufen in großem Stil Altenheime auf, sparen am Einsatz von Personal und senken die Löhne und versprechen ihren Aktionären und Rentenfonds eine hohe Rendite in diesem neuen „Sozialmarkt“.  An diesem Monopolyspiel dürfen sich städtische Gesellschaften nicht beteiligen. Die Stadt Darmstadt und ihre Gesellschaften muss das Wohl ihrer BürgerInnen – und hier ihrer alten Menschen und der Beschäftigten, die sie pflegen - im Blick haben und nicht den Gewinn und die Sanierung des Haushaltes.In einem weiteren Schreiben an den Oberbürgermeister fragen die ver.di-Vertrauensleute nach den Kriterien für die Auswahl der Bewerber und regen eine Einbeziehung der Beschäftigtrn, des Betriebsrats und der Gewerkschaft in das Auswahlverfahren an.

Erhard Schleitzer
22.02.2018