Letzte Druckerei in Darmstadt schließt

Ehemalige Gewerkschaftsdruckerei in Darmstadt stellt Betrieb ein. Rund 130 Beschäftigte stehen auf der Straße

In den siebziger und achtziger Jahren war Darmstadt ein bedeutender Standort für die Druckindustrie. Viele hundert ArbeiterInnen waren im Springer-Verlag, Darmstädter Echo, Habra und vielen anderen Druckereien beschäftigt. In den Betrieben wurden harte Streiks ausgetragen - auch unter Einsatz von Polizeigewalt. Sie endeten mit Erfolgen und Teilerfolgen. Die Druckereien sind nun in Darmstadt Industriegeschichte. In der Zeitung "junge welt" erschien zur Schließung der Druckerei APM ein Artikel:

"Die neue IG-Metall-Mitgliederzeitung wollten sie unbedingt noch fertigmachen. Dafür fuhren die Beschäftigten der insolventen Alpha Print Medien AG (APM) zuletzt sogar Sonderschichten. Aus Loyalität zum langjährigen Großkunden und ehemaligen Miteigentümer IG Metall. Und in der vagen Hoffnung, dass es in der Darmstädter Druckerei doch noch irgendwie weitergehen würde. Die rund 2,3 Millionen Exemplare der Metallzeitung wurden zwar rechtzeitig vor den Feiertagen ausgeliefert. Den Druckern hilft das aber nicht mehr: Sie stehen zum neuen Jahr auf der Straße.

Niedergang mit Vorgeschichte

»Schöne Bescherung« titelte die junge Welt vor genau zwölf Jahren. Auch 2006 gab es für die seinerzeit noch 170 APM-Beschäftigten zu Weihnachten keine frohe Botschaft: Die von Verdi, IG Metall, Transnet (heute EVG) und IG BAU getragene Beteiligungsgesellschaft GBG verkaufte die Druckerei zum Jahreswechsel. Zwar gaben die Gewerkschaften dem Unternehmen langfristige Auftragsgarantien und Geld für Investitionen mit auf den Weg. Doch zugleich überließen sie den Betrieb dubiosen Geschäftsleuten, die seither selbst offenbar wenig bis gar nichts in das Unternehmen steckten – eher im Gegenteil. Das jetzt verkündete Ende ist daher letztlich auch eine Folge des 2006 beschlossenen Rückzugs der Gewerkschaften.

Dieser führte seinerzeit zu einigen Protesten. Der Fachbereich Medien im Verdi-Landesbezirk Hessen unterstützte den Betriebsrat und die Belegschaft von APM in ihrer Forderung nach einem langfristig Erhalt des Betriebes als gewerkschaftseigene Druckerei. Die Delegiertenversammlung der IG Metall in Wiesbaden-Limburg beschloss einstimmig eine Resolution, in der es hieß: »Eigene Medien und eine eigene Druckerei sind für die Gewerkschaftsbewegung gerade in der heutigen Zeit von hoher Bedeutung.« Der Verkauf wurde dennoch durchgezogen. Den Zuschlag erhielt eine Investorengruppe unter Führung von Torsten Voß und Andrew Seidl aus Dresden, die die Insolvenz in den vergangenen Jahren offenbar langfristig vorbereiteten. Das zumindest legt die 2017 erfolgte Gründung einer GmbH nahe, die ohne nennenswertes Eigenkapital die Beschäftigungsverhältnisse der APM übernahm. Alle Anlagen und Gebäude blieben bei der Muttergesellschaft.

Für das am 1. Oktober eröffnete Insolvenzverfahren der APM-Produktions-GmbH hatte dieses Konstrukt laut Verdi-Mitteilung vom Freitag zur Folge, »dass die Insolvenzverwalterin der GmbH praktisch ohnmächtig den Machenschaften der nicht insolventen Muttergesellschaft zusehen musste«. Da die GmbH kaum über eigene Mittel verfügt, ist nicht einmal klar, ob der nach Weihnachten unterschriebene Sozialplan umgesetzt werden kann. Dieser sieht Abfindungen von 2,5 Monatsgehältern pro Beschäftigungsjahr vor, was sich eng am Insolvenzrecht orientiert.

Schlechte Aussichten

So oder so ähnlich haben die Anteilseigner Seidl und Voß auch schon andere Betriebe zerlegt und geschlossen. Hessens Verdi-Landesfachbereichsleiter Manfred Moos nannte auf jW-Nachfrage am Wochenende einige Beispiele: die Neue Süddeutsche Verlagsdruckerei in Ulm, die Astov Vertriebsgesellschaft mbH, die ursprünglich als Holding für mehrere Druckereien diente, und die Firma Kessler Druck und Medien aus Bobingen bei Augsburg. »Das legt schon die Vermutung nahe, dass das Geschäftsmodell von Voß und Seidl eher die Schließung als der Betrieb von Druckereien ist – zumindest wenn es darauf ankommt, unternehmerische Verantwortung zu übernehmen«, so Moos.

Für die insgesamt 160 Beschäftigten – rund 30 erhielten bereits im Oktober ihre Kündigung – dürfte es schwer werden, in der Region gleichwertige Arbeitsplätze zu finden. Und auch die Gewerkschaften könnten Probleme haben, kurzfristig eine andere Druckerei zu finden, die in der Lage ist, Zeitungen in Millionenauflage mit Dutzenden Varianten und Beilagen zu drucken, richtig zuzuordnen und zu verschicken. Klar sollte sein, dass dafür nur tarifgebundene Betriebe infrage kommen. Nur sind diese in der Druckindustrie längst nicht mehr die Regel.

Den Artikel finden Sie unter: https://www.jungewelt.de/artikel/346291.gewerkschaftsdruckerei-vor-dem-a...

Link zur Presseerklärung von ver.di: https://verlage-druck-papier.verdi.de/ueber-uns/nachrichten/++co++6a9dfd...

 

 

Daniel Behruzi / junge welt
31.12.2018
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