Habeck macht (im Wahlkampf) auf Hui, Darmstadts Grüne Stadtregierung Pfui

Wird in Darmstadt Sozialeigentum enteignet?

Der Vorsitzende der Grünen, Robert Habeck, fordert öffentlichkeitswirksam eine mutigere Wohnungspolitik und schließt auch im Anschluss an den Berliner Mieter*innenprotest Enteignungen als letztes Mittel nicht aus. In Darmstadt steht die Politik der Bauverein AG schon lange in der Kritik. Teilweise extreme Mieterhöhungen, Festsetzung von Mieten über der ortsüblichen Vergleichsmiete, unsinnige und intransparente Modernisierungsmaßnahmen mit Mieterhöhungen von 10-20 %. Die Folge: aus ehemals billigem Wohnraum werden alt eingesessene Mieter*innen verdrängt. Für die Bauverein AG ist das alles kein Problem, denn „die Wissenschaftsstadt Darmstadt ist eine attraktive und begehrte Stadt.“ Und für den Oberbürgermeister Partsch macht der Bauverein die „verantwortlichste Mietenpolitik„ in der Stadt (FR vom 3.4.19).

Was heißt „Enteignung“?

Im Jahr 1987 verfügte Darmstadt noch über 15.000 Sozialwohnungen, das waren 22,6 Prozent aller Wohnungen. 2010 gab es nach Angaben des Instituts Wohnen und Umwelt nur noch  5.369 Sozialwohnungen, was einem Anteil von 6,9 Prozent am Gesamtwohnungsbestand entspricht. Der Anstieg auf 5.426 Sozialwohnungen Anfang 2018 – also 57 Wohnungen mehr – wird von der Stadtregierung als großer wohnungspolitischer Erfolg dargestellt. Anders als Robert Habeck kann man hier sagen, dass eine Enteignung bereits statt gefunden hat – allerdings von Sozialeigentum der unteren und mittleren Einkommensgruppen.

Der Stadthaushalt wird von den Mieter*innen des Bauvereins subventioniert

Über die konkreten Auswirkungen auf eine alleinerziehende Mutter mit zwei Söhnen berichtete das Darmstädter Echo in seiner Ausgabe am 25.4.19. Für ihre 101 Quadratmeter große Wohnung stieg die Miete innerhalb von 4 Jahren um rund 25 % auf 826 Euro, die Warmmiete sogar auf 1157 Euro. Die Miete kann sie sich von ihrem Gehalt kaum noch leisten.

Der weitere Skandal: auf den Brief der alleinerziehenden Mutter antwortet die Bauverein AG nicht. Auf einer Veranstaltung im September 2018, kurz vor der Oberbürgermeister-Wahl, erklärte Sybille Wegerich vom Vorstand des Bauvereins (Jahresgehalt 245.000 Euro) zu aufgebrachten Mieter*innen des Spessart-/Rhönrings, dass es durchaus soziale Härten geben könne, die Menschen sollen sich aber beim Bauverein melden und es werde sich um die Härtefälle gekümmert. Das war halt zu Wahlkampfzeiten.

Die Vertreter der Stadt Darmstadt hielten sich auf eine entsprechende Anfrage des Darmstädter Echos zurück, denn „es obliege dem jeweiligen Vermieter, Erhöhungen im Rahmen der Gesetzesvorgabe auszusprechen.“ Dabei gehört der Bauverein zu 100 % der Stadt. Aufsichtsratsvorsitzender ist Ctirad Kotoucek, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU, stellvertretende Vorsitzende ist Hildegard Förster Heldmann, Fraktionsvorsitzende der Grünen.

Das Verhalten der Stadt und des Bauvereins brachte die Fraktion der Linken im Darmstädter Stadtparlament auf die Palme. "Die Aussagen der Bauverein AG zu den drastischen Mieterhöhungen...sind an Dreistigkeit schwer zu überbieten. Und es ist armselig, dass die grün-schwarze Stadtregierung sich wegduckt und so tut, als hätte sie mit dem betreffenden Vermieter nichts zu tun.“ Die Linksfraktion rechnete vor, dass die Stadt Darmstadt sich seit 2012 etwa 125 Millionen Euro aus den Gewinnen der Bauverein AG hat ausschütten lassen. Auch in Zukunft ist die Ausschüttung von ca. 12 Mio. Euro und eine Sonderrücklage von ca. 4 Mio. Euro für den sozialen Wohnungsbau vorgesehen. Diese Mittel seien teilweise direkt in den städtischen Haushalt geflossen, teilweise werden davon Sozialwohnungen bezuschusst - was eigentlich aus Steuermittel und nicht aus Mieteinnahmen geschehen sollte. „Die Linksfraktion fordert, dass die Ausschüttungen an die Stadt beendet werden. Mit diesen Mitteln könnte der Bau bezahlbarer Wohnungen sowie die Begrenzung der Mieten finanziert werden. Wir setzen uns ein für eine Begrenzung der regulären Mietsteigerung auf maximal 1%, für eine Selbstbeschränkung der Modernisierungsumlage auf 5% sowie für Neu- und Wiedervermietungen nicht über Mietspiegel-Niveau.“

Der Bauverein agiert wie eine stinknormale Aktiengesellschaft

Der ehemalige „Bauverein für Arbeiterwohnungen“ hat sich 1990 in die „Bauverein AG“ umbenannt, blieb aber im Besitz der Stadt Darmstadt. Der Unternehmenszweck der Bauverein AG ist noch sehr „bürgerfreundlich“ formuliert: „Gegenstand der Gesellschaft ist vorrangig die Wohnungsversorgung breiter Schichten der Bevölkerung“. Doch der Bauverein als AG ändert kontinuierlich und zielstrebig seine Wohnungspolitik und gleicht sich immer mehr an die Vorstellungen der Immobilienwirtschaft an, die Wohnungsbau nur zur Profiterzielung betreibt. Das bestätigen die Projekte aus der letzten Zeit.

  • Die Nettomieten des Bauvereins in der Lincoln-Siedlung liegen, je nach Größe der Wohnungen, zwischen 3,2 % und 22,3% über den in Darmstadt üblichen Mieten. Kleinere Wohnungen sind im Verhältnis zu großen Wohnungen erheblich teurer.
  • Für die Postsiedlung in Bessungen plant der Bauverein den Abriss und den Bau neuer Häuser in der Moltke-/Bingerstraße. Schlecht für die Mieter*innen: in den bisherigen Wohnungen zahlten die Bauverein-Mieter*innen etwa 7€ pro qm. Von den neuen Wohnungen werden nur 20 % als Sozialwohnungen und weitere 15 % für Mieter*innen mit mittlerem Einkommen vorgesehen sein. Die restlichen 65 % werden auf jeden Fall deutlich teurer vermietet als bisher.
  • Nach der Modernisierung der Buxbaum-Anlage im Spessart-/Rhönring steigen die Mieten pro m² um 1,50 €, das bedeutet Mieterhöhungen von 15 – 20 %. Die Bauverein AG lobte sich dabei selber, dass sie nicht die erlaubten 11 % der Modernisierungskosten pro Jahr aufschlage, sondern nur 10,23 %. Die Mieterhöhungen betragen für eine 3-Zimmer-Wohnung bis zu 200 €. Und was nutzen den Mieter*innen bspw. gedämmte Kellerdecken, wenn das Gros der Wärme nach wie vor durch ungedämmte Außenwände entweicht?

Als Ergebnis der Politik der Bauverein AG werden viele Mieter*innen mit unterem und mittlerem Einkommen aus ihrem ehemaligen Wohngebiet verdrängt bzw. sie können sich neue Wohnungen nicht mehr leisten .

Die Mieterinitiative Rhönring kritisiert vehement die Wohnungspolitik in Darmstadt und hat folgende Forderungen an die Bauverein (BV) AG und die Stadt Darmstadt gestellt:

Begrenzung der Modernisierungsumlage auf 5% statt der bisher vom BV veranschlagten 11%. Zudem Begrenzung der Modernisierungsumlage auf 10% der bisherigen Grundmiete (relevant insb. für Altverträge). Eine ähnliche Regelung (6% Modernisierungsumlage) gibt es bereits zwischen dem Land Hessen und der Nassauischen Heimstätte; mit der Forderung nach 5% Modernisierungsumlage wird hier der Umstand gewürdigt, dass die Mieter trotz Modernisierung höhere Heizkosten haben werden (laut BV und ENTEGA). Gesetzlich wird die Modernisierungsumlage ab 1.1.2019 ohnehin auf 8% begrenzt – politisch wurde also längst erkannt, dass die Umlage von 11% weder sozialverträglich noch betriebswirtschaftlich gerechtfertigt ist. Der BV bleibt allerdings bis heute bei seiner Forderung von 11%, die in all jenen Fällen jetzt noch durchgedrückt werden, wo dies die Fristen gerade noch gestatten.

Begrenzung aller sonstigen Mieterhöhungen auf jährlich 1% der bisherigen Grundmiete. Dies entspricht bspw. der Vereinbarung der Stadt Frankfurt mit der ABG.

Keine Neuvermietungen oberhalb des Mietspiegels. An Rhön- und Spessartring vermietet der BV nun Wohnungen für 11 Euro/qm Kaltmiete. Dies liegt deutlich über dem aktuellen Mietspiegel der Stadt Darmstadt. Durch den erheblichen Anteil an Wohnungen im Stadtgebiet treibt der BV hierdurch aktiv den Mietspiegel in die Höhe, wodurch wiederum Bestandsmieten erhöht werden können. Der BV befördert dadurch aktiv den Anstieg der Mietpreise, und zwar für ganz Darmstadt!

Mietern des BV soll es ermöglicht werden, zum gleichen Quadratmeterpreis in eine kleinere BV-Wohnung umzuziehen. Bei der derzeitigen Mietenpolitik des BV wird sich nach einem Umzug in eine kleinere Wohnung die Grundmiete oft sogar erhöhen – viele bleiben daher in ihren Altverträgen und somit in ihren großen Wohnungen, ein Zustand der angesichts der Wohnungsknappheit in Darmstadt nicht sinnvoll erscheint.

Kostenbegrenzung der Fernwärme auf das Niveau des Erdgaspreises. Nach einer Modellrechnung, die der BV bei der ENTEGA auf Erbitten der Mieterinitiative in Auftrag gegeben hat, liegt der Fernwärmepreis bei einem Heizbedarf, wie er in der August-Buxbaum-Anlage üblich ist, 30% über dem Erdgaspreis!(Maßgeblich für die Rechnung war das Wohnhaus Spessartring 4+6 im Abrechnungsjahr 2016.)

Eine transparente und faire Kommunikation mit den Mietern. Hierzu gehören erreichbare Ansprechpartner insbesondere in der Bauphase, Transparenz in den Anschreiben an die Mieter (z.B. der Hinweis auf die Mehrkosten durch die Umstellung auf Fernwärme, die Schwere der Beeinträchtigungen durch die Bautätigkeiten, usw.).

Die Einrichtung einer neutralen Ombudsstelle für Mieterinnen und Mieter des BV. Derzeit ist man vom „Miteinander“, das der BV gerne in seiner öffentlichen Darstellung propagiert, noch weit entfernt. MieterInnen, die bauliche Missstände oder Unrechtmäßigkeiten bei den Mieterhöhungen anprangern, werden durch den BV eingeschüchtert (von unberechtigten Regressforderungen bis hin zu Rauswurfsdrohungen).

(https://rhoenring.de/unsere-forderungen)

 

Erhard Schleitzer
29.04.2019