Aus und vorbei: Das Max-Rieger-Heim wird geschlossen!!

Wie mit „objektiven Kriterien“ eine bewährte Stätte der Kinder- und Jugendarbeit im Martinsviertel zerstört wird.

Trotz vieler Proteste, Aktionen von Bürger*innen aus dem Viertel und mehr als 1200 Unterschriften ist es nun eine beschlossene Sache. Das Max-Rieger-Heim (genannt Maxi) mit seinem offenen Angebot für Kinder- und Jugendliche schließt für immer seine Pforten. Mit der Schließung der Kinder- und Jugendeinrichtung, geht eine über 54 jährige Ära zu Ende. Sie hinterlässt für viele Kinder und Eltern eine große Lücke.

Was verloren geht

Für mehrere Generationen von Kindern und Jugendlichen, die im Martinsviertel aufwuchsen, war das Maxi, das 1965 eröffnete, ein Ort für Zuwendung, Geborgenheit und Vertrauen, eine zweite Heimat. Hier spielten und lernten Kinder von 6 bis 14 Jahren freiwillig, konstruktiv, kreativ und gemeinschaftlich. Auch die Baas-Halle mit dem verlässlichen Sportangebot für die Kinder des Viertels soll einer neuen, stadtweiten Nutzung zugeführt werden.Mit der Schließung des Maxi, das mitten im Viertel verortet ist, gehen die ohnehin schon wenigen Räumlichkeiten, in denen sich Kinder von 6 bis 12 Jahren aufhalten können, ohne dass sich andere an ihnen stören, verloren.

Aber es geht noch viel mehr für immer verloren: Eine verlässliche Anlaufstelle für eine kostenlose Betreuung und Hausaufgabenhilfe mit vertrauensvollen Ansprech­partner*innen für Kinder aus einkommensschwachen Familien und mit Migrations­hintergrund. Die Kooperation mit den Fachkräften der Schillerschule und der Bernhard-Adelung-Schule. Die Reparaturwerkstatt für Fahrräder ö.ä. wird aufgelöst und die kosten­lose Ausleihe aus der umfangreichen Kinder- und Jugendbibliothek gehört der Vergangenheit an. Mit der Aufgabe des Maxi ist es auch mit der Projektarbeit vorbei: Die Ferienspiele für die Kinder aus dem Viertel, wird es in dieser Form nicht mehr geben. Eingestellt wird auch das Angebot für ein kostengünstiges Freitags­mittag­essen an der Bernhard-Adelung-Schule. Viele gute Kooperationen und Ressourcen gehen verloren.

Reale Lebenswelten und von Planer*innen festgelegte „Sozialräume“

Grund dafür ist die Neustrukturierung der Kinder- und Jugendarbeit in Darmstadt, die in der Stadtverordnetenversammlung am 11.12.18 abgestimmt wurde. Einzig die Fraktion der LINKEN stimmte dagegen. Nun hat der Magistrat die Umsetzung beschlossen. Laut der zuständigen Dezernentin Akdeniz ist die Neustrukturierung eine sehr gute Grundlage, um allen Kindern in den verschiedenen Stadtteilen ein attraktives, bedarfsgerechtes Angebot machen zu können. Betont wird dabei die Sozialraumorientierung, die eine kleinräumliche Verbesserung der Angebote für die Kinder und Jugendlichen ermöglicht.“

In Zeiten schwieriger Haushaltslagen lastet der Trend zum Sparen auch auf der Kinder-und Jugendarbeit. Aktivitäten und Maßnahmen für Kinder und Jugendliche erfordern daher einen immer größer werdenden Begründungsaufwand. Konzepte, die scheinbar objektive Kriterien für die Vorhaltung eines Angebotes an sozialen Unterstützungsleistungen liefern, sind aus diesem Grund besonders attraktiv. So auch in Darmstadt, wo neue Planungsräume aufgrund angeblich „objektiver“ Kriterien entstanden und daraufhin die Haushaltsmittel neu verteilt wurden.

Tatsächlich stimmen Lebenswelten und von Planer*innen festgelegte Sozialräume nur in Ausnahmefällen wirklich überein. Eher im Gegenteil: Die Aufteilung einer Stadt in künstlich gebildete Sozialräume erschwert die Zuschneidung von Angeboten auf die Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen. Lebenswelten sind keine statischen Gebilde, sondern im Laufe der Zeit verändern sie sich in ihrer Gestalt.

Statistische Gleichverteilung anstelle offener Kinder- und Jugendarbeit im Gemeinwesen

Eine Sozialraumorientierung, die hauptsächlich auf eine statistische Gleichverteilung von Angeboten über die Stadträume hinweg setzt, greift zu kurz. Lebenswelten müssen räumlich flexibel gefasst werden, weil sie sich an den tatsächlichen Raumnutzungen der einzelnen Individuen orientieren.In der Konzeption der offenen Kinder- und Jugendarbeit des Max-Rieger-Heims und der Baas-Halle ging es genau darum: Hier wurden über Jahre für Kinder von 6 bis 12 Jahren verlässliche, lebensweltliche Strukturen geschaffen. Es wurden Ressourcen erschlossen, die im Martinsviertel gute Kooperationen zwischen den verschiedenen Akteuren der Kinder- und Jugendarbeit erfolgbringend gestaltet haben.

Anstelle dieses vernetzten Angebotes gibt es zukünftig im neuen Kinder- und Jugendhaus des Martinsviertels in der Pankratiusstraße ein vielfältiges Angebot für Kinder und Jugendliche völlig verschiedener Altersgruppen. In diesem „zentralisierten“. Gebäudekomplex gibt es:

  • eine Betreuung der Schillerschule im Rahmen des Paktes für den Nachmittag für 100 Schulkinder (erfordert verbindliche Anmeldung).
  • eine 5-zügige Kindertagesstätte mit 22 Krippen- und 66 Kindergartenplätze für Kinder zwischen 3 und 6 Jahren, die auch die die Innenstadt mitversorgen
  • sowie das internationale Jugendzentrum unter Trägerschaft des Sozialkritischen Arbeitskreises e. V. (SKA), das Angeboten für Kinder ab 12 Jahren bereithält.

Ein kostenfreies, offenes und freiwilliges Angebot mit flexibel nutzbaren Räumen für 6 bis 12 Jährige, wie es das Maxi offerierte, ist jetzt im ganzen Martinsviertel nicht mehr zu finden. Die Räumlichkeiten werden wohl zukünftig für Kinder auch in einer anderen Form nicht mehr zur Verfügung stehen. Im Gespräch war die Planung eines Kinderhortes, der aufgrund der zu erwartenden hohen Renovierungskosten gleich wieder verworfen wurde.

Rita Weirich
28.11.2019
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