Aldi II in Arheilgen

Ein Lehrstück, wie Stadtplanung nicht laufen sollte

Am Anfang stand ein Grundstücksgeschäft – Beteiligte: die Stadt, Private und ein Investor, der zunächst unbekannt war. Während einer nichtöffentlichen Bauausschusssitzung vor drei Jahren wurde klar, der Investor ist Aldi und er verspricht eine win-win-Situation für Alle – weitere Einkaufsmöglichkeiten kombiniert mit Wohnungen, sogar geförderter Wohnraum, und das Alles im Ortskern von Arheilgen, schön oder? Wäre da nicht schon ein gut entwickelter und quirliger Ortskern in den letzten Jahren entstanden. Den Einzelhandelskonzepten der Stadt (2004 und 2012) zum Trotz hat sich Arheilgen einfach mal selbst entwickelt - EDEKA und DM kamen, Hofläden eröffneten, ebenso weitere Läden, die Arheilgen ausgesprochen positiv und angenehm beleben. Und einen Aldi gibt es auch, knapp 800m südlich. Ein echtes Defizit im Einzelhandel ist hier so nicht auszumachen. Andernorts schon - in Wixhausen fehlt fast jede Möglichkeit der ortsnahen Versorgung. Hier wäre Aldi ein echter Gewinn.

Stadtplanung und Wirtschaftsförderung müssen ineinandergreifen und lenken, nämlich dahin wo echter Bedarf ist. Ihren Ausdruck findet Stadtplanung und im besten Falle Wirtschaftsförderung in den Bebauungsplänen, die es für viele Gebiete der Stadt gibt, u. a. auch für das Gebiet rund um den geplanten Aldi. Was hat der bestehende Bebauungsplan dort gemacht? Er hat versucht die dörfliche Struktur dieses Teils des Arheilger Ortskerns zu bewahren und hat Raum gegeben hier eine eher kleinteilige und somit ins dörfliche, kleinräumige passende Entwicklungsmöglichkeit aus Wohnen und Gewerbe zu fördern und zu realisieren.

Ein „vorhabenbezogener Bebauungsplan“ für Aldi

Was macht der vorhabenbezogene Bebauungsplan Aldi? Eine völlige Abkehr von dem bestehenden Bebauungsplan – eine fast vollständige Bebauung mitten rein in die kleinräumigen, denkmalgeschützten, dörflichen Strukturen mit einem Feigenblatt von 15 Wohnungen. Er zerschneidet das was versucht wurde zu bewahren und behutsam weiterzuentwickeln - Grünflächen, Klein- und Hausgärten, eine sich ins Ortsbild einpassende Entwicklung von kleinen Gewerbeeinheiten und rund 18 Wohnungen, die im bestehenden Bebauungsplan schon möglich waren.

Hier zeigt sich zum wiederholten Male in dieser Stadt, wie problematisch die vorhabenbezogenen Bebauungspläne sein können. Hier ballt sich alles was so eine Planung negativ hervorbringen kann. Der Plan (und das ist auch rechtlich so gewollt) betrachtet einzig das Vorhaben. Die Umgebung wird – wenn überhaupt – informell betrachtet. Er schafft so Konflikte an einem Ort, in einer Umgebung, in der ein bestehender Bebauungsplan Konfliktfelder anging, Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigte. Dieser einzig auf das Vorhaben bezogene Plan schafft neue Konflikte – für den vorhandenen Einzelhandel, für die Verkehrssituation der Frankfurter Landstraße, durch den Kunden- und Lieferverkehr und die Betrachtung und Abwägung der Klimafolgen dieses Vorhabens – die der Magistrat seit den Klimaprotesten der Darmstädter Bevölkerung versprochen haben – ist im vorliegenden Plan noch nicht mal erwähnt. Wer sich dieses Vorhaben anschaut mit seiner Flächenversiegelung, seinem Energieverbrauch, dem zusätzlichen Verkehr, der merkt sehr schnell:klimaverträglich, sozial und ökologisch ausgewogen ist was Anderes.

All das und die 15 Wohnungen (und sogar mehr) wären mit ein bisschen Phantasie und gutem Willen von allen Beteiligten Grundstückseigentümer*innen – also der Stadt und den Privaten – auch ohne Aldi im Rahmen des bestehenden Bebauungsplans möglich gewesen. Eine eher kleinräumige und ins Bestehende sich einpassende Entwicklung der Grundstücke, hätte die Unterstützung der Arheilger*innen gefunden.

Das wirft die Frage auf: Wem gehört die Stadt – den Menschen oder den Investoren?

 

Anhang

Der Gestaltungsbeirat: nur zuständig für Kosmetik, aber keine Bürgerbeteiligung

Ob das Vorhaben Aldi Arheilgen im Gestaltungsbeirat war oder nicht und ob dieser Kritik hatte ist für die Fragen, die im B-Plan-Verfahren gestellt werden unerheblich. Im Gestaltungsbeirat geht es nur um die Gebäudehülle und ob sich das Ganze ins Ortsbild einpasst. Das was in den Gestaltungsbeirat kommt ist in aller Regel schon fast baureif, grundsätzliche Kritik kann der Gestaltungsbeirat dann gar nicht mehr üben (was er übrigens im Falle Aldi Arheilgen schon tat), nur noch ein bisschen Kosmetik vorschlagen, der die Baugenehmigungsbehörde der Stadt dann folgen kann. Der Gestaltungsbeirat, so wie ihn die Stadtpolitik z. Zt. nutzt, dient nur einer zusätzlichen Legalisierung konfliktbeladener Vorhaben. Geplant und von den Mitgliedern des Gestaltungsbeirats auch ursprünglich gewollt, war bei der Einführung des Gestaltungsbeirats schon etwas Anderes - im Vorfeld schauen was in Darmstadt wo und wie an Entwicklung stadtplanerisch und stadtgestalterisch überhaupt möglich ist.

Martina Hübscher-Paul
28.01.2020