Zusammen mit der AfD gegen „Extremismus“

Peinliche Vorgänge um „Darmstädter Resolution“ im Stadtparlament

Nach den Morden an zehn Menschen in Hanau durch einen rechtsextremen und rassistischen Täter wollten die Fraktionen der Darmstädter Stadtverordnetenversammlung ein Zeichen setzen. Die Fraktion der Grünen bereitete eine „Darmstädter Resolution für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit“ vor und lud außer der AfD alle Fraktionen ein, diese Resolution gemeinsam einzubringen. Darin werden zwar „Menschenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus und Islamfeindlichkeit“ abgelehnt, doch als ob die genannten menschenfeindlichen Haltungen nicht eindeutig der politischen Rechten zugeordnet werden könnten, heißt es dann, man wolle extremen Haltungen und Handlungen entschlossen entgegentreten. Schließlich wolle man Initiativen und Bündnisse unterstützen, die „Extremismus und Rassismus bekämpfen und Radikalisierung verhindern.“ Die Linksfraktion stimmte der Resolution nicht zu, da „Extremismus“ ein politischer Kampfbegriff sei, der andere politische Richtungen auf oberflächliche Weise auf die gleiche Stufe stelle wie die extreme Rechte. (Pressemitteilung der Linksfraktion)

Wie oberflächlich die Resolution ist, erkannte schließlich die AfD selbst und stimmte ihr zu. Damit aber war die „Darmstädter Erklärung“ vollends wirkungslos geworden. Vor einem solchen Verhalten der AfD-Fraktion hatten die Linken zwar gewarnt, es wurde von den anderen Fraktionen aber offenbar nicht ernst genommen. Die Fraktionsspitze der Grünen war auf diese peinliche Entwicklung nicht einmal vorbereitet, denn sie hatte keinen Redebeitrag vorbereitet, um die Heuchelei der Rechtsaußen-Fraktion zu entlarven.

Hufeisentheorie lenkt vom Wesentlichen ab

In den Formulierungen der vorgelegten Erklärung ist unschwer der Einfluss der Hufeisen-Theorie zu erkennen, nach dem sich die Extreme von rechts und links berühren sollen. Tatsächlich sind aber in den letzten Monaten ganz andere Berührungen deutlich geworden. So hatten im Thüringer Landtag CDU und FDP keine Skrupel einen Ministerpräsidenten aus ihren Reihen mit den Stimmen der AfD wählen lassen. In den darauffolgenden Diskussionen wurde deutlich wie weit verbreitet in der ostdeutschen CDU die Bereitschaft ist mit der AfD zu kooperieren. Die Hufeisen-Theorie lenkt von der politischen Nähe gewisser Teile der „bürgerlichen Mitte“ zu rechtspopulistischen Positionen ab.

Wie nah auch hier in Darmstadt die politischen Positionen von Vertretern der FDP an denen der AfD sind, zeigen die Facebook-Einträge des FDP-Stadtverordneten Ralf Arnemann zur Wahl in Hamburg: „Es wird höchste Zeit, dass das ZDF endlich privatisiert wird. Damit solche Journalistenkarikaturen nicht mehr eine halbe Million Euro für ihre Volkserziehungsversuche kassieren können.“

Auch historisch führt uns das Bild vom Hufeisen in die Irre. Es war schließlich nicht die politische Nähe von Nazis und Kommunisten, die Hitler zur Macht verhalf. Das taten die bürgerlichen Parteien, als sie am 24.März 1933 dem „Ermächtigungsgesetz“ zustimmten, das den Reichstag auflöste und alle Macht in die Hände der Hitler-Regierung legte. Die KPD war zu diesem Zeitpunkt bereits verboten, die Reichstagsabgeordneten inhaftiert oder untergetaucht. Die SPD war somit die einzige Partei, die der Machtergreifung Hitlers widersprach.

Mit dieser Entscheidung machten die bürgerlichen Parteien den Weg frei für die gewaltsame Durchsetzung einer Krisenpolitik im Interesse des Kapitals. Die bürgerlichen Parteien waren dazu nicht mehr in der Lage. Schon 1931 und 1932 gab es verschiedene Forderungen einflussreicher Industrieller, Hitler zum Reichskanzler zu ernennen. Den bürgerlichen Parteien schwebte eine Koalition mit der NSDAP vor. Diese gab sich damit aber nicht zufrieden, sondern wollte die ganze Macht und hat sie am 24.März 1933 auch erhalten.

Dieses Zusammenspiel von bürgerlicher Mitte und Rechtsextremismus gab es nicht nur in Deutschland. Überall dort, wo die herrschenden Eliten um ihre Zukunft fürchten mussten, waren sie bereit rechtsextremen Terror selbst einzusetzen oder gewähren zu lassen, um ihre Herrschaft zu sichern.

 Diese Zusammenhänge werden durch die Hufeisen-Theorie verschleiert.

PS: Im Internet gibt es einen satirischen Beitrag von Martin Sonneborn zur Hufeisen-Theorie

Reinhard Raika
09.03.2020