Sparkasse Darmstadt: „Geldanlegen kann auch Rock ‘n‘ Roll sein“

Investiert in (privatisierte) Kindergärten, Studentenwohnheime, Gesundheit, Bildung, Wasserversorgung !

 Der Sparkasse Darmstadt mangelt es nicht an Ideen, um die Ersparnisse des Publikums profitabel zu einzustreichen. Manchmal mit ziemlich zweifelhaften Werbekampagnen. So gab es jüngst eine 8-seitige Prospektbeilage der Sparkasse im Darmstädter Echo mit dem Titel: „Peace, Love & Money. Für Blumenkinder-Kinder und Blumenkinder-Enkelkinder“. Es wird ein „Ökoworld Rock ´N` Roll“-Mischfonds angeboten, der in „Wertpapiere und weitere Finanzinstrumente … investiert. … Ziel des Fonds ist es … die bestmögliche Rendite zu erzielen. Durch Investitionen in Kindergärten, Studentenwohnheime, Nachhilfe, Gesundheit, Ernährung, Bildung, Wasserversorgung ...“, „ mit handverlesenen Anlagen - insbesondere in den familientauglichen Bereichen.“ Auf Deutsch: „bestmögliche Rendite“ aus einer Privatisierung von Dingen der öffentlichen, Daseinsvorsorge, für die eigentlich der Staat zuständig ist. Neoliberalismus in Reinkultur.

Sparkassen nehmen in Deutschland gegenüber den Banken eine Sonderstellung ein. Sie sind Teil der kommunalen Selbstverwaltung und sollen die kommunale Daseinsvorsorge gewährleisten. Mit dieser Anzeigenkampagne tut sich ein großer Widerspruch zu ihren eigentlichen Aufgaben auf.

Der Prospekt zielt auf die „Blumenkinder“ und deren „Moneten mit Moral“ bei einer „gesunden Gewinnorientierung“. Er ist garniert mit Hippie-Motiven und einer ganzen Seite mit dem kompletten Text des Antikriegsliedes „Sag mir wo die Blumen blühn“. Unverhohlen wird also auf die Ersparnisse der „Blumenkinder“-Generation spekuliert. Auf Leute der meist „urbanen Mittelschicht“ mit besseren Einkünften oder Pensionen, auch Erbschaften, die bei Niedrigstzinsen, gar drohenden Minuszinsen nicht mehr wissen, wohin mit ihrem Geld. Sie sollen also profitieren von Studierenden mit Mieten „bestmöglicher Rendite“ oder privatisierten Unternehmungen in Bildung, Gesundheit, Wasserversorgung etc.

Vor ca. 10 Jahren startete die Sparkasse eine groß angelegte Kampagne zur Riester-Rente. Höhepunkt war im Oktober 2011 eine Großveranstaltung mit 800 Besuchern im Darmstadtium mit dem als Versicherungslobbyist berüchttigten Prof. Bernd Raffelhüschen. Raffelhüschen war und ist einer der Hardliner beim Abbau der gesetzlichen Rentenversicherung zugunsten der Finanzindustrie und wirkte dazu in diversen Gremien mit. Inzwischen steht fest, dass die Riester-Rente, die nichts anderes ist als eine Teilprivatisierung der Rentenversicherung, praktisch gescheitert ist. Unter den Kunden gibt es nur noch lange Gesichter. Zuletzt hat sogar der „Rentenpapst“ Prof. Bert Rürup - genauer gesagt der Papst der Altersarmut, Hauptlobbyist der Rentenprivatsierung unter Rot-Grün - das Scheitern der Riester-Rente eingestanden: siehe „Handelsblatt online“ vom 5.11.2020: „Die private Altersvorsorge braucht einen Neustart – Vor zwei Jahrzehnten versuchte Walter Riester eine flächendeckende private Altersvorsorge zu organisieren. Dieser Plan ist mittlerweile gescheitert.“

Und die Sparkasse macht weiter Reklame fürs Riestern, wenn auch recht kleinlaut-verhalten. Ob das Scheitern künftig auch für den „Ökoworld Rock ´N` Roll“-Fonds beim Platzen von Vermögensblasen gilt? Ob der „gesunden Gewinnorientierung“ von „Blumenkindern, Blumenkinder-Kindern und Blumenkinder-Enkelkindern“ einst genauso lange Gesichter folgen, wie bei den Riester-Opfern?

 

Karl-Heinz Goll
17.11.2020
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