Marienplatz zu billig verkauft?

Besser gar nicht verkaufen, stattdessen Erbpacht.

Der Marienplatz in der Innenstadt Darmstadt ist nach einem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung (Stavo) für 14,2 Millionen Euro an den Schweizer Bau- und Immobiliendienstleister Implenia verkauft worden. Die Stavo beschloss gleichzeitig ein Konzeptverfahren, das die ökologische und soziale Nachhaltigkeit der Bebauung absichern soll. So sollen auf dem Grundstück etwa 300 Miet- und Eigentumswohnungen gebaut und mindestens 25 Prozent der Wohnfläche für geringe und 20 Prozent für mittlere Einkommen vorgesehen werden. Auch eine Kita soll dort entstehen. Geplant ist ein Hochhaus mit 15 Stockwerken und ein mäanderförmiges Gebäude mit bis zu sechs Stockwerken Auch die Belange des Klimaschutzes sind zu berücksichtigen.

Während von der Opposition die SPD vor allem den zu geringen Kaufpreis kritisierte, übte die Linke grundsätzliche Kritik an dem Verkauf des Grundstücks. Darmstadt solle sich ein Beispiel nehmen an der Stadt Ulm, die Flächen in der Stadt aufkauft und sie bevorratet. Die Grundstücke werden in Erbpacht oder mit einem Wiederkaufrecht vergeben und bleiben somit im Zugriff der Stadt.

Beispiel Ulm: Bodenvorberatung durch die Stadt

Die Stadt Ulm, heute 120.000 Einwohner*innen, verfolgt bereits seit 125 Jahren eine besondere Grundstückspolitik. Sie kauft kontinuierlich Grundtücke auf, um sie bei Bedarf und im Rahmen des Konzeptes der Stadtentwicklung als Wohngebiete einzusetzen. Die Stadt Ulm bevorratet so ein Drittel ihrer städtischen Flächen. Die Grundstücke werden in Erbpacht vergeben oder wenn sie verkauft werden, sichert sich die Stadt ein Wiederkaufrecht, um die Spekulation oder das Abweichen von ursprünglichen Zwecken zu verhindern.

Die Stadt behält somit die politische Steuerungsfähigkeit bei der Entwicklung der Flächen in den Händen. Mit einem konsequentem Umsetzen dieser Strategie kann Bodenspekulation verhindertwerden. Der Leiter der Liegenschaften und Wirtschaftsförderung in Ulm erklärt dazu, dass die Bodenpreise in der Stadt zwar auch steigen, aber „allerdings deutlich langsamer als im bundesweiten Trend“.

Auch die Stadt Freiburg hat 2018 beschlossen, dem Erbbaurecht Vorrang zu geben und städtische Grundstücke nur noch ausnahmsweise zu verkaufen, und Münster in Westfalen betreibt ebenfalls eine ähnliche fortschrittliche Bodenpolitik.

Uli Franke von den Linken regte in der Stavo an, dass der Magistrat einen Fachtag veranstalten solle, bei dem die Stadtverordneten sich mit den Möglichkeiten und Problemen der Bodenpolitik vertraut machen können. Darmstadt solle sich von den „Best Practices“ an anderen Orten inspirieren lassen.

 

 

 

Erhard Schleitzer
13.06.2021