Tarifauseinandersetzung im Sozial- und Erziehungsdienst

Streikkundgebung in Darmstadt und Nachspiel im Stadtparlament

Am 8. März, dem Weltfrauentag, streikten die Erzieher*innen in den Darmstädter Kitas und den Kitas im Landkreis für die Forderung nach besserer Bezahlung im Sozial- und Erziehungsdienst (SuE). Alle 30 kommunalen Kitas in Darmstadt blieben an diesem Tag geschlossen und fast 200 Streikende trafen sich am Darmstädter Ludwigsplatz zur zentralen Streikkundgebung. Eine Rednerin brachte es auf den Punkt: „ Es ist natürlich kein Zufall, dass dieser 1. Streiktag auf den 08. März gelegt wurde. Im Sozial- und Erziehungsdienst arbeiten, wie in allen Careberufen, überwiegend Frauen. Daher sind die Tarifverhandlungen auch ein Beitrag zur Aufwertung von Frauenberufen und ein Baustein hin zur Angleichung der Entlohnung von Frauen und Männern.“

Letztendlich steht die Frage, „warum sollte die Sozialarbeit nicht genauso honoriert werden, wie die Tätigkeit eines Ingenieurs? Vielleicht weil die Arbeit eines Ingenieurs messbar ist und unsere nicht so einfach? Oder weil es sich hier um einen klassichen Frauenberuf han­delt?“

Ende Februar hatten bundesweit die Tarifverhandlungen für die Beschäftigten in Kinderta­gesstätten, bei der Behindertenhilfe und in der sozialen Arbeit begonnen. ver.di-Vertreter*innen berichteten nach der ersten Verhandlungsrunde, die Arbeitgeber hätten allen Forderungen nach einer besseren Eingruppierung und einer Aufwertung der Arbeit eine „totale Absage“ erteilt. Vorschläge von ver.di, Indikatoren zur Erfassung des Arbeitsdrucks zu erstellen und die Belastung über freie Tage bzw. einen finanziellen Ausgleich zu verringern, wurden rundweg abgelehnt.

Und der Ukraine-Krieg ...

Der VKA (Verband kommunaler Arbeitgeber), mit dem ver.di die Forderungen zum SuE verhandelt, hat schon in der ersten Verhandlungsrunde einen deutlichen Hinweis darauf gegeben, dass sich die finanziellen Möglichkeiten durch die Belastungen des Krieges und dessen Folgekosten noch problematischer darstellen werden. „Aber wer, wenn nicht die Be­schäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst, also wir, werden uns um die vor Krieg und Zerstörunng flüchtenden, in der Hauptsache Frauen und Kinder zunächst versorgen?“, führte eine Rednerin aus. „Wer wird für die vermutlich vielen traumatisierten Kinder und Jugendlichen zunächst da sein? Wir Sozialarbeiter*innen und Erzieher*innen, so wie wir immer schon für viele Geflüchtete da sind, die leider keine oder nur eine schlechte Bleibeperspektive haben, deren Fluchtge­schichten wir kennen und denen wir trotz allem Mut für ihren weiteren Lebensweg geben.“ Zum Schluss stellte sie fest, dass eine Regierung, die irrsinniger Weise 100 Milliarden € Sondervermögen in Rüstung und Ausstattung des Militärs stecken will, die sozialen Aufgaben nicht aus den Augen ver­lieren oder gar das eine gegen das andere aufwiegen darf.

Auch das Bündnis feministischer Streik Darmstadt unterstützte die Gewerkschaftsforderung und rief im Anschluss an die Kundgebung von ver.di zu einer Demo zum Friedensplatz auf, an der sich mehrere hundert Menschen beteiligten.

Diskussion im Stadtparlament

Oberbürgermeister Partsch und die Bürgermeisterin Barbara Akdeniz appellierten in einem Brief an den VKA, alle Fachkräfte in Kinderbetreuungs­einrichtungen einheitlich in die Entgeltgruppe TVöD S 8b einzugruppieren, was ein Lohnplus je nach Berufserfahrung von 60 – 660 € bedeutet. Der VKA bot daraufhin in seiner Antwort der Stadt Darmstadt einen Platz in einer Arbeitsgruppe an, die inhaltliche Vorschläge für die Verhandlungen erarbeiten soll.

Die LINKE brachte in die Darmstädter Stadtverordnetenversammlung am 10.3. eine Resolution ein, wonach die Stadtverordnetenversammlung „die Koalition in ihrem in der Koalitionsvereinbarung von 2021 formulierten Ziel (unterstützt), die Entgeltgruppe S 8b für alle Kita-Fachkräfte in Darmstadt auf einen realistischen Weg zu bringen und zeitnah einzuführen.“ Die Diskussion und die folgende Abstimmung verwundert. Der Antrag der LINKEN stieß auf Sympathie, auch bei der grün-schwarz-lila Regierungskoalition, wurde dann aber dennoch mit der Regierungsmehrheit abgelehnt. Die Begründung lautete zusammengefasst: wir kümmern uns ja schon um eine bessere Eingruppierung, wir haben schon einen Brief an den VKA geschrieben, wir brauchen eine solche Resolution nicht und deshalb stimmen wir dagegen.

Ende März gibt es die Fortsetzung der Verhandlungen zwischen ver.di und den Arbeitgebern. Ver.di bereitet weitere Streiks vor.

 

 

 

 

Erhard Schleitzer
12.03.2022