Nicht gemeinsam gegen Rechts

Zur Demonstration gegen Rassismus am 17.3.

Es sollte ein Bild sein, das Hoffnung macht. Am 17. März demonstrierten über 800 Menschen im Zentrum Darmstadts gegen Rassismus. Ein breites Bündnis hatte zu dieser Demonstration aufgerufen. Junge und alte Darmstädter aus fast allen politischen Lagern setzten gemeinsam ein Zeichen gegen Neonazis. Oberbürgermeister Jochen Partsch (Bündnis 90/Die Grünen) frohlockte: „Das hat man selten, dass CDU und Antifa zusammen auf einem Platz stehen.“, sagte er dem Darmstädter Echo.

Hinter den Kulissen ist die Einigkeit im Kampf gegen Rechtsradikalismus brüchiger, als dieses Bild vermuten lässt. Am 3. Mai entschied die Stadtverordnetenversammlung, sich nicht für ein NPD-Verbot auszusprechen. Der Antrag war von der Fraktion der Linken eingebracht und von CDU und Grünen geschlossen abgelehnt worden. Begründung: Eine derartige Erklärung ist nicht Aufgabe der Stadtverordnetenversammlung. Für eine Aufhebung der sogenannten „Extremismusklausel“, die vorsieht, antirassistischen Gruppen den Geldhahn zuzudrehen, wenn sich ihre Angehörigen nicht zur Verfassung bekennen, wird sich die Stadt ebenfalls nicht einsetzen. Jochen Partsch sieht dieses Ergebnis nicht als Widerspruch seiner Politik. Es genüge, wenn sich der Oberbürgermeister öffentlich gegen Rechtsradikalismus ausspreche.

Rechtsradikale haben in Darmstadt einen schweren Stand. In der Antifa, einem linken Arbeitskreis, der die rechte Szene seit Jahren beobachtet und gut kennt, heißt es, die Nazis seien heillos zerstritten. Zwar gebe es im Umland, beispielsweise im Odenwald und an der Bergstraße, rechte Tendenzen, in Darmstadt bekämen die Braunen jedoch kaum ein Bein auf den Boden. Dass Rechtsradikalismus trotzdem ein Thema ist, weiß auch Jochen Partsch, wie er in seiner Rede anlässlich der Eröffnung einer Ausstellung über Opfer rechter Gewalt im Justus-Liebig-Haus betonte. Auch ein Aufmarsch von 20 Neonazis in der Darmstädter Innenstadt am 13. März verdeutlicht, dass weiterhin Wachsamkeit geboten ist. Zu einem geschlossenen Kampf gegen Rechtsradikalismus konnte sich die Stadtpolitik bisher dennoch nicht durchringen. In der städtischen Pressestelle wird gerne auf die enge Kooperation mit Kirchen, Migrantenvereinen und Initiativen gegen Neonazis verwiesen. Mitglieder der Antifa beklagen jedoch die mangelnde Bereitschaft der Stadt, sie in die Kampagnen gegen Neonazis einzubinden. Ähnlich äußerte sich die Antinazi-Koordination (ANK) Darmstadt. Ein Sprecher wirft der Stadt vor, die Gruppe zu übergehen, von einem breiten Bündnis, das alle politischen Spektren mit einbezieht, könne keine Rede sein. So hätten die Mitglieder der ANK erst über Plakate von der Demonstration vom 17. März erfahren. Ob sie sich aktiv an der Organisation beteiligen wollten, habe sie niemand gefragt. Zwar lobte Partsch das Engagement der Antifa und gab zu Protokoll, dass er sich über „über eine Zusammenarbeit sehr freuen“ würde. Der Oberbürgermeister zweifelt jedoch an der Kooperationsbereitschaft der weit links stehenden, antifaschistischen Gruppen. „Viele von denen betrachten uns als Bürgerliche und sprechen uns die Fähigkeit ab, etwas gegen Rechtsradikalismus unternehmen zu können.“, unterstellt er ihren Mitgliedern. Diese werfen ihrerseits der Stadt vor, aus politischen Gründen gar nicht mit ihnen gegen Rechts kämpfen zu wollen. „Wir werden kontinuierlich ignoriert“, sagt ein Sprecher der Antifa, „Es wäre wünschenswert, wenn man sich zusammensetzen und die Kräfte bündeln könnte. Wir haben die Ahnung, die Stadt hat die Mittel.“ Als Grund für die Berührungsängste der Stadt vermutet er, dass viele Weltanschauungen der Antifa nicht in das Bild des Grünen Partsch passen.

Vom 4. bis zum 19. Mai fanden in Darmstadt die Aktionstage gegen Rassismus statt. Dazu gehörte die erwähnte Ausstellung, ebenso wie eine Reihe von Vorträgen. Im Rex-Kino wurde der Film „Kriegerin“ gezeigt, der vom Ausstieg einer jungen Frau aus der rechten Szene erzählt. Die Stadt unterstützt diese Projekte und arbeitet mit einem – mehr oder weniger - breiten Netzwerk antirassistischer Gruppen zusammen. Die mangelnde Kommunikation mit den linken Gruppen dürfte den Kampf gegen Rechts allerdings schwächen. Hinzu kommt, dass die Extremismusklausel für viele Gruppen eine potentielle Gefahr darstellt. Ob sie sich weiterhin mit Vertretern einer Politik auf einen Platz stellen, die sich nicht gegen diese Klausel ausspricht, bleibt abzuwarten.

Konrad Bülow
02.07.2012