Galeria Kaufhof Darmstadt schließt

Beraterfirma von Joschka Fischer half Signa umstrittene Bauprojekte durchzusetzen

Die Eröffnung des „Kaufhof“ in Darmstadt im Jahr 1953 war ein großes Ereignis in der Stadt. Tausende drängten sich vor dem Kaufhofgebäude und das Kaufhaus selbst musste mehrfach wegen Überfüllung geschlossen werden. Nun wird „Galeria Kaufhof Darmstadt“ zum 31.1.2024 geschlossen. In den letzten Monaten des Jahres 2023 war das Kaufhaus teilweise verwaist und glich eher einem riesigen Selbstbedienungsladen. Von den in besten Zeiten ehemals 600 Beschäftigten blieben im letzten Jahr nur noch 60 übrig. Ein trauriges Ende. Musste es so kommen?

Die Geschäfte bei Galeria Kaufhof liefen seit vielen Jahren schlecht. 2015 übernahm die kanadische Hudson Bay Company (HBC) die Kaufhaus-Kette, baute Stellen ab und reduzierte trotz Protesten der Gewerkschaft verdi die Gehälter. 2019 verkaufte die HBC die Galeria-Kaufhof für 1,5 Milliarden Euro an die Signa-Holding. Die Signa-Holding gehört direkt und mit eigenen Stiftungen zu 77,5 % dem österreichischen René Benko, ein weltweit agierender Immobilienspekulant. Signa hatte bereits 2014 die Karstadt-Kette übernommen und die Fusion von Kaufhof und Karstadt erfolgte darauf.

Ende 2023 eröffnete Signa ein Insolvenzverfahren. Die Signa-Holding ist ein unübersichtliches Konglomerat von geschätzt 1000 Firmen. Einige davon natürlich mit Sitz in Steuerparadiesen. Zuletzt wurde das Vermögen von Benko auf 4,3 Mrd. € geschätzt.

Benko interessierte an den Warenhäusern nur der Immobilienwert

Was veranlasst einen Immobilienspekulanten Warenhausketten aufzukaufen? Benko war ausschließlich an den Immobilien und den Grundstücken interessiert. Was sollen z. B. zwei Galeria-Kaufhäuser in Darmstadt, die räumlich nahe beieinander liegen, das gleiche Sortiment führen und mit dem gleichen Prospekt in der örtlichen Presse beworben werden? Ähnliche Konstellationen gab es auch in vielen anderen Großstädten. Folglich wurden die Kaufhäuser heruntergewirtschaftet und über die konzerneigene Immobiliengesellschaft von Signa finanziell ausgeblutet.

Mit Benkos Geschäftsmodell wurden die Kaufhäuser aufgespalten in Betreiber- und Imobiliengesellschaften. Die Signa-Immobiliengesellschaft verlangte von den Kaufhausbetreibern überteuerte Mieten. So hat das Galeria-Kaufhaus in Köln im Jahr 2023 18,6 Mill. € an Signa für Miete gezahlt, 33 % des Umsatzes. In Frankfurt soll die Miete über 26 % des Umsatzes betragen. Andere Kaufhäuser sind von Signa bereits gewinnbringend veräußert worden. Kaufhof Darmstadt ist zusammen mit anderen Warenhäusern an den Investmentfond Apollo verkauft worden, der 2020 für 17 Warenhäuser insgesamt 700 Mill. € bezahlte.

Die Stadt Hanau beschloss Ende letzten Jahres das Galeria-Kaufhaus in ihrer Stadt für 25 Millionen € von Apollo zu kaufen. Ein Betrag dieser Größenordnung dürfte für die Stadt Darmstadt in Anbetracht der desolaten Haushaltslage wohl nicht möglich sein, auch wenn der damalige Oberbürgermeister Partsch und Kerstin Lau von Uffbasse sofort nach Bekanntgabe der Schließungspläne von den Möglichkeiten eines kulturellen Zentrums in dem Gebäude des Kaufhofs schwärmten (die Interessen der bald arbeitslosen Beschäftigten fanden vor lauter Begeisterung darüber keine Erwähnung).

Neoliberale Wirtschaftsberater scheinen die Geschäftsideen von Benko für pfiffig zu halten. Bereits während der Coronapandemie erhielt der Warenhauskonzern ein Darlehen von 460 Millionen Euro von der Bundesregierung, rückzahlbar bis Ende 2026. Im Januar 2022 bekam der Konzern weitere Staatshilfen in Höhe von 250 Millionen Euro. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Signa-Holding Ende letzten Jahres werden diese 700 Millionen € Staatshilfe wohl niemals zurück gezahlt werden. Bezahlt haben erst mal die Beschäftigten mit Entlassungen, Lohnkürzungen und miserablen Arbeitsbedingungen.

Aber Benko hat sich mit seiner Signa verzockt. Mit den steigenden Zinsen und den steigenden Baupreisen war es mit dem stetigen Wachstum vorbei. Wo der Bauboom aufblühte, stehen nun viele Bauruinen. Die bekanntesten sind der 245-Meter hohe Elbtower in Hamburg und die Alte Akademie in München.

Joschka Fischers neue Wege zu Immobilienspekulanten

Joschka Fischer war schon immer ein pfiffiges Kerlchen. Seine Wandlungen sind bereits legendär. Einst Mitglied in der „Putzgruppe“ der Frankfurter Spontis, die mit militanten Mitteln gegen die Hausspekulanten im Frankfurter Westend vorging, ist er nun mit seiner Beraterfirma Joschka Fischer Company GmbH (JF&C) unterstützend tätig für Signa.

„Neue Wege einschlagen - war schon immer unsere Stärke“, werben JF&C auf ihrer Homepage. Die Stärke der Fischer Company:“ein großes Netzwerk in Politik und Wirtschaft, eine thematisch breite Expertise, ein Gespür für Zukunftsthemen.“ Das Zukunftsthema: Signa wollte ein Karstadt-Gebäude, das zwischen Kreuzberg und Neukölln liegt, abreißen und an dieser Stelle einen Gebäudekomplex für eine halbe Milliarde € errichten. Bewohner und auch Lokalpolitiker protestieren gegen dieses Projekt. JF&C boten Signa an, ihr politisches Netzwerk zu nutzen und den Weg für das Immobilienprojekt gegen die Bürgerproteste dieser zwei als aufmüpfig bekannten Stadtteile frei zu machen.

Doch ihr Vorgehen war zu durchsichtig und anrüchig. Laut Spiegel verbat sich Kreuzbergs grüner Stadtbaurat weitere Besuche, Mails und Anrufe der JF-Kompanie. Im August 2019 lehnten die Stadtentwicklungsämter in Kreuzberg und Neukölln  das Projekt ab. Aber oh Wunder, bereits im September 2019 befürwortete die damalige Wirtschaftssenatorin Ramona Pop  von den Grünen das Projekt und im August 2020 entzog der Senat den Bezirken die Planungshoheit und zog das Verfahren wegen seiner „gesamtstädtischen Bedeutung“ an sich. Der Weg für das Signa-Projekt war nun frei geräumt.

Doch nach der Signa-Insolvenz steht das von JF&C geschickt eingefädelte Projekt vor dem Aus. Und Joschka Fischer steht wegen nicht gezahlter Honorare auf der Gläubigerliste von Benko und wartet auf sein sauer verdientes Geld. Mitgefühl hat da wohl keine/r der ehemaligen und noch Beschäftigten von Galeria.

 

 

 

 

 

 

Erhard Schleitzer
04.01.2024
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