Ein Gutmensch mit vielen Kompetenzen?

OB-Kandidat der AfD spielt den Biedermann

Lange war es angekündigt: Auch die Darmstädter AfD will zu den Oberbürgermeisterwahlen einen Kandidaten aufstellen. Der Kandidat sollte seriös genug sein, um auch Anhänger Innen der CDU anzusprechen, die ja zugunsten des amtierenden OB Partsch von den GRÜNEN auf einen eigenen Kandidaten verzichtete. Allerdings war es wohl schwierig einen Kandidaten zu finden, dem zugetraut wurde, diesen Ansprüchen zu genügen. Mehrmals wurde die Präsentation des Kandidaten angekündigt und dann wieder verschoben.

Doch am 21.Dezember war es so weit. Im Justus-Liebig-Haus wurde der Kandidat Hans Mohrmann vorgestellt. Auch ohne weitere Mobilisierung fand sich vor dem Liebighaus eine größere Gruppe von Menschen ein, um gegen die rassistische und menschenfeindliche Politik der AfD zu protestieren. Der Zugang zum Liebighaus wurde durch einen Wachdienst kontrolliert.

Im Foyer des großen Sitzungssaals saßen etwa 40 Interessierte, um sich den endlich gekürten Kandidaten anzuschauen. Der Altersdurchschnitt war deutlich höher als bei den Protestierenden vor dem Gebäude. Etwa die Hälfte der Anwesenden dürften Mitglieder oder Sympathisierende der Partei gewesen sein. Das, was Hans Mohrmann seinen ZuhörerInnen über seine Person mitzuteilen hatte, passte so gar nicht zu den Rassismus-Vorwürfen, die draußen gegen die AfD erhoben wurden. Er stellte sich vielmehr als das dar, was in seinen Kreisen oft abfällig als „Gutmensch“ bezeichnet wird: Mitglied bei amnesty international, engagierter Rechtsanwalt, der hauptsächlich Flüchtlinge vertritt und aktiv in der katholischen Kirchengemeinde Ober-Ramstadt.

Mohrmann: Mal ganz „seriös“….

Dazu mag es auch passen, dass Mohrmann seine politische Laufbahn bei den GRÜNEN begann, für die er zeitweise auch als Ehrenamtlicher im Darmstädter Magistrat saß. Die Entwicklung der GRÜNEN hin zum Mainstream ging ihm aber scheinbar nicht schnell genug, so dass er 1997 in die FDP eintrat und dann bis zu seinem Umzug nach Ober-Ramstadt bei der UWIGA mitarbeitete. Nach seinen Angaben gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der AfD und sitzt auch in deren Landesvorstand. Außerdem ist er Fraktionsvorsitzender im Landkreis Darmstadt-Dieburg.

Mohrmann hob immer wieder seine Kompetenzen hervor, die er sowohl im Bau- und Verwaltungsrecht als auch im Asylrecht habe. Überhaupt versuchte er den Eindruck zu erwecken, sich in allen Belangen der Kommunalpolitik gut auszukennen. Unklar blieb an diesem Abend aber, wofür er seine Kompetenzen einsetzen will.

So ausführlich Mohrmann seinen politischen Werdegang beschrieb, so knapp waren die Ausführungen zu seinem politischen Programm. Er stellte eine lange Liste vor, was nach seiner Meinung in der Vergangenheit in Darmstadt nicht gemacht oder falsch gemacht wurde. Seine Aufzählung begann in den siebziger Jahren beim Bau des Luisencenters, beinhaltete u.a. auch die Straßenbahn nach Kranichstein und endete wie erwartet bei der Unterkunft für Asylsuchende am Sensfelder Weg. Seine Bedenken gelten aber bei letzterem allein den armen Menschen, die dort in einem schlechten Umfeld und in schlechten Wohnungen leben müssten. „In jedem Gefängnis gibt es bessere Wohnbedingungen“, sagte er. Trotz vieler Nachfragen war Mohrmann aber nicht in der Lage, auch nur ein Projekt zu benennen, das er als Oberbürgermeister angehen würde.

Die meisten kritisierten Punkte lagen so wie so weit in der Vergangenheit und die Kritik daran hat für heute keine Relevanz. Indirekt war vielleicht herauszuhören, dass Umgehungsstraßen gebaut werden sollen. Bezüglich der Unterkünfte für AsylbewerberInnen schlug er vor, diese in der Starkenburgkaserne unterzubringen. Schon zwei Sätze später musste er aber selbst einräumen, dass dies ein Erstaufnahmelager ist und die Kaserne außerdem dem Bund gehört, die Stadt Darmstadt die ihr zugewiesenen Asylsuchenden dort also gar so einfach nicht unterbringen kann. Auf die Forderung, hier doch einmal konkreter zu werden, konnte er nur antworten, dies führe an diesem Abend zu weit. Interessant ist aber, welche Punkte von Versäumnissen in der Stadtpolitik nicht genannt wurden: So fanden der Mangel an bezahlbarem Wohnraum und fehlende Sozialwohnungen keine Erwähnung. Dazu  passt die Äußerung des Fraktionsvorsitzenden Elbert auf der letzten Stadtverordnetenversammlung: „...ich kann die utopischen Forderungen nach Sozialwohnungen nicht mehr hören.“(Darmst. Echo, 17.12.2016)

Jochen Partsch steht seiner Meinung nach für Stillstand. Das Motto seiner Kampagne solle deshalb lauten: „Bewegung statt Stillstand“. Leider blieb offen, wohin die Bewegung gehen soll. Mohrmann präsentierte sich an diesem Abend als ein Kandidat, der die sogenannte bürgerliche Mitte ansprechen kann. Im Verzicht der CDU auf eine eigene Kandidatur, sieht Mohrmann wohl die Möglichkeit, Stimmen konservativer CDU-WählerInnen, die schwarz-grün ablehnen, zu gewinnen. Seine Aussage, er sei von CDU-AnhängerInnen zur Kandidatur aufgefordert worden, ist vor diesem Hintergrund nicht unglaubwürdig.

Die Frage ist aber, ob es Mohrmann mit seiner weichgespülten AfD-Politik gelingt, die sog. „Wutbürger“ anzusprechen. In anderen Orten setzen AfDler eher auf Polarisierung, um dieses Potential zu gewinnen. Es ist also durchaus möglich, dass es über die Wahlkampftaktik auch in der Darmstädter AfD noch Auseinandersetzungen gibt.

…mal populistisch und rechts

Dass Hans Mohrmann durchaus ein gestandener Rechter ist und auch die populistische Klaviatur zu spielen beherrscht, wird in seinen Facebook-Einträgen deutlich, die bei linksunten.indymedia.org  veröffentlicht wurden. Seine Seite ist gespickt mit frauenfeindlichen Äußerungen („Heulsusen“, „Wiederabschaffung des Frauenwahlrechts“, weiße Männer als Opfer des „wahren“ Rassenhasses usw.). Darauf angesprochen meinte er, das sei doch Ironie. Doch auch bei Ironie kommt es darauf an, auf wessen Kosten er seine Witzchen macht. Und das ist eindeutig.

Weniger ironisch dürften wohl seine Ausführungen zum Volkstrauertag gemeint sein. Er vergleicht die Art des Gedenkens mit der in Großbritannien: „Keiner in Großbritannien käme auf die Idee, das Andenken der eigenen Soldaten zu beschmutzen, indem man sich zunächst dafür entschuldigt, einen Angriffskrieg geführt zu haben…. Der Schuldkult ist ein auschließlich deutsches Phänomen.“ Großbritannien entschuldigt sich also nicht für einen Angriffskrieg? Könnte das vielleicht daran liegen, dass es nicht die britische Regierung war, die den Zweiten Weltkrieg begann? Hier wird versucht, die Rolle Deutschlands im Zweiten Weltkrieg zu relativieren und der Volkstrauertag soll wohl wieder als „Heldengedenktag“ vergangener Zeiten begangen werden.

Abgerundet wird das Bild durch seine "Likes", also durch Hinweise auf andere Seiten, die ihm gefallen. Darunter befindet sich die rechte Postille "Junge Freiheit" und die "Identitäre Bewegung", eine neu-rechte Gruppierung, die neuerdings auch vom Verfassungsschutz beobachtet wird.

Reinhard Raika
24.12.2016