Gesicht zeigen, Herr Partsch!

Offener Brief an den Darmstädter Oberbürgermeister

Etwa 800 Menschen demonstrierten am 21.3.2018 in Darmstadt anlässlich des kurdischen Newroz-Festes. Für die kurdische Gemeinschaft ist dier Tag am Frühlingsanfang ein besonderer Feiertag. Dieses Jahr ging sollte aus dabei aber auch gegen den EInmarsch des türkischen Militärs in das nordsyrische Afrin protestiert werden. Das Rojava Solidaritätskomitee bat aus diesem Anlass Oberbürgermeister Partsch, die Schirmherrschaft für die Feier zu übernehmen und ein Grußwort zu überbringen. Er lehnte ab, weil er „öffentlich für keine Seite Partei ergreifen“ wolle.Unter dem Titel "Gesicht zeigen" schreibt die Stadt Darmstadt auch 2018 einen Preis aus für Gruppen und Persönlichkeiten, "welche sich gegen Rassismus, Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit engagieren." Hierauf bezieht sich ein Offener Brief des Rojava Solidaritätskomitees, den wir im Folgenden dokumentieren:

 

Sehr geehrter Herr Partsch,

Wir hatten Sie als Darmstädter OB gebeten, zum diesjährigen Newroz-Fest die Schirmherrschaft zu übernehmen oder zumindest ein Grußwort zu sprechen. Wir haben ein Zeichen der Solidarität erwartet angesichts des völkerrechtswidrigen Einmarsches der türkischen Armee und islamistischer Gruppen in Afrin in Nordsyrien mit vielen Opfern, Flüchtlingen und Verwüstungen.

Diese Solidarität haben sie uns verweigert. Mit dem Hinweis „aufgrund der Vielfältigkeit der hier lebenden Menschen, die Verbindungen in die Türkei haben“, wollten Sie laut Ihrem Ablehnungsschreiben „öffentlich für keine Seite Partei ergreifen“, d.h. weder für Erdogan, seine Anhänger und die islamistischen Gruppen noch für das kurdische Volk. Was ist mit den vielen türkischen und anderen Menschen, die Erdogan, seine Politik und den Einmarsch ablehnen? Sie stellen den autoritären und expansiven türkischen Nationalismus, der sich zunehmend offen islamistisch gebärdet, und das Streben der Gesellschaften im Mittleren Osten nach demokratischer Selbstverwaltung und Emanzipation ohne religiösen Fanatismus auf eine Stufe.

Dass Erdogan seine Unterdrückungs- und Aggressionspolitik mittels deutscher Waffenlieferungen umsetzen kann, scheint für sie kein Thema zu sein und steht im Widerspruch zu den öffentlichen Verlautbarungen ihrer Partei „Die Grünen“. Dafür rücken Sie die „Farbschmierereien und Brandanschläge“ in den Vordergrund und sehen in ihnen den Grund für die aufgeheizte Stimmung anstatt klar Haltung zu zeigen gegen einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, der tausende Leben gekostet hat und immer noch kostet.

Sie hätten die Möglichkeit gehabt, das gewünschte Grußwort zum Newroz-Fest mit einem Aufruf zur Mäßigung zu verbinden. Diese Möglichkeit haben sie leider nicht genutzt. Die positive Berichterstattung über das Darmstädter Newroz-Fest in Presse und Fernsehen, hätte darunter nicht gelitten.Trotz alledem erwarten wir, dass Sie und die Stadt Darmstadt „Gesicht zeigen“ bei der Abwehr von weiteren Diskriminierungen kurdischer Menschen, Organisationen und Einrichtungen in Darmstadt.