Wie sollen Gewerkschaften dem Rechtspopulismus entgegentreten?

Anregungen aus einer gemeinsamen Veranstaltung der TU Darmstadt un der IG Metall

Die IG Metall führte am 23.1.2019 zusammen mit Wissenschaftlern aus der  TU Darmstadt eine Veranstaltung zum Rechtspopulismus durch. Nicht nur bemerkenswert ist die Zusammenarbeit zwischen TU und IG Metall, sondern dass der Hörsaal mit ca. 200 ZuhörerInnen voll besetzt war. Für die anwesenden Gewerkschaftsmitglieder waren insbesondere die Beiträge von Professor Brinkmann und von Hans-Jürgen Urban von der IGM interessant, die speziell auf das Problem mit den neuen Rechten auch in der Gewerkschaft eingingen.

Exklusive Solidarität 

Professor Brinkmann vom Fachbereich Soziologie der TU stellte Ergebnisse seiner Studie vor, die auf Interviews von aktiven IGM-Mitgliedern beruhten. Die sozialen Verwerfungen und das „verunsichernde Jahrzehnt“ - die nuller Jahre mit den „Harz-Reformen“, 11.9.2001, Terrorismus und Finanzkrise – bilden den Nährboden für das Aufkommen rechtspopulistische Bewegungen  in Deutschland. Auch wenn sich bei einem Großteil der Beschäftigten - bei den unteren Lohngruppen hat sie sich bereits verschlechtert -  die materielle Lage nicht verschlechtert hat, so sind jedoch Abstiegsängste und die Sorgen um die Zukunft prägend für die wahrgenommene Situation. Die Mehrheit der Befragten schätzt die soziale Situation in Deutschland als zunehmend ungleich und ungerecht ein. Hinzu kommt ein ansteigender starker Vertrauensverlust in die Funktionsfähigkeit der Demokratie. Gleichzeitig schwindet die Bindungskraft von traditionellen Arbeiterorganisationen, die eine solche Entwicklung mir der Wirkweise das Kapitalismus erklären, auf Klassengegensätze hinweisen und den notwendigen Kampf für eigene Klasseninteressen betonen. Für die erlebten Ungerechtigkeiten  und das Nichternstnehmen der Abstiegsängste durch die etablierten Parteien bieten die rechtspopulistischen einfache Erklärungen an. Anstelle von Ausbeutung machen die rechtspopulistischen Bewegungen die „Umvolkung“ und die „Einwanderung in die Sozialsysteme“ verantwortlich. So fordern die national-völkischen Teile der AfD eine Anhebung der Renten, aber nur für die Deutschen. Dies wird bezeichnet als „exklusive Solidarität“.Nach wie vor hat ein Großteil der Arbeiter, die die AfD wählen, ein großes Vertrauen in die Gewerkschaft. Diese meinen, die Gewerkschaft ist notwendig und soll sich für die betrieblichen Interessen ihrer Mitglieder einsetzen. Aber: sie soll sich aus der Politik heraushalten.

Die Aufgabe der Gewerkschaften 

Was ist nun die Aufgabe der Gewerkschaften in dieser Situation? Hans-Jürgen Urban tritt für eine Strategie „Klare Kante und offene Tür“ ein. „Klare Kante steht für eine durchaus aggressive Konfrontationsstrategie gegenüber denjenigen, die rechtspopulistische Erzählungen in den Betrieb tragen; offene Tür für ein ebenso offensives Angebot zu Teilnahme an betrieblichen Gegenbewegungen an diejenigen, deren Verunsicherung und Wut in solidarische Interessenpolitiken eingebunden und damit progressiv kanalisiert werden muss.“1 Natürlich ist diese Strategie ein Drahtseilakt und erfordert immer wieder neue konkrete Einschätzungen der Situation und der Akteure im Betrieb.Die Strategie „Klare Kante und offene Tür“ muss eingebettet sein in eine Gewerkschaftspolitik, die offensiv für das Umverteilen von oben nach unten eintritt und die ihre Verhandlungs- und Organisationsmacht deutlich stärkt. Gewerkschaftliche Streiks erzeugen eine hohe Identifikation mit der Bewegung und ein emotionales Klima, das eine erhebliche Mobilisierungsreserve bedeutet. Eine solche verstärkte Anbindung der Beschäftigten an „ihre Gewerkschaft“ fördert die solidarische Interessenpolitik und lässt keinen Raum für die Spaltung von innen (Deutsche) und außen (Ausländer und Flüchtlinge). Weiter ergibt sich für die Gewerkschaft die Aufgabe, sich nicht auf die betrieblichen Probleme zu beschränken, sondern ein politischen Mandat wahrzunehmen, um gegen die wachsende Ungleichheit in der Gesellschaft anzugehen und die Forderung nach politischer Beteiligung breiter Bevölkerungsschichten vehement zu unterstützen. Die Gewerkschaften haben einen doppelten Demokratieauftrag, der sich sowohl auf die Arbeitswelt und die Wirtschaft als auch auf die politische Demokratie bezieht.

Die Veranstaltung, das zeigte die anschließende Diskussion, kann nur ein Auftakt sein für die weitere Debatte, wie man/frau rechtspopulistische Positionen im Alltag entgegen tritt. Die formulierten Positionierungen und Argumente sind dabei sehr hilfreich und müssen für eine alltagstaugliche Praxis für die Betriebe und alle anderen gesellschaftlichen Orte weiterentwickelt und konkretisiert werden.

1 Hans Jürgen Urban, Gewerkschaften und die neue Rechte, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 3‘18

Erhard Schleitzer
27.01.2019