„Wir waren selbst überrascht von der großen Teilnahme“

„Fridays for Future“ – Ein Gespräch mit Vertretern der Darmstädter Ortsgruppe

Die Bewegung „Fridays for Future“ ist auch in Darmstadt angekommen. Am 15. Februar und am 15. März beteiligen sich bis zu 4000 Schüler*innen an Demonstrationen für eine alternative Klimapolitik. Siehsmaso sprach mit Tim, Lukas und Frederik von der Darmstädter Ortsgruppe der „Fridays for Future“-Bewegung über die Ursprünge und die Perspektiven des Protestes.

Wie erklärt ihr euch den Erfolg der Bewegung?

Wir wurden in der Vergangenheit immer als unpolitische Generation wahrgenommen. Doch da hat sich einiges angesammelt. Das Thema Klimaschutz spricht viele Leute an. Gerade Jugendliche machen sich Gedanken über die Zukunft. Da hat sich lange etwas angestaut. Wir waren selbst überrascht von der großen Zahl von Teilnehmenden. Am ersten Termin im Februar hatten wir mit 1000 Leuten gerechnet, aber es waren dann 4000. Insgesamt gibt es in Darmstadt 20.000 Schülerinnen und Schüler auf weiterführenden Schulen. Das waren 20 Prozent. Das ist ein Erfolg.

Wie ist die Bewegung in Darmstadt organisiert? Von wo ging die Initiative aus?

Anfangs gab es in Darmstadt keine Demonstrationen. Es fuhren aber Leute nach Frankfurt, um an den Protesten dort teilzunehmen. Als es immer mehr wurden, die nach Frankfurt fuhren, gab es die Überlegung auch in Darmstadt Demonstrationen durchzuführen. Gleichzeitig gab es Bestrebungen von anderer Seite, Interessierte über eine whatsapp-Gruppe zu organisieren. Daraus hat sich ein Kreis von etwa 20 Leuten gebildet, die die Aktionen vorbereiten.

Sind dabei hauptsächlich die Gymnasien vertreten?

Bei der Vorbereitung der „Fridays for future“-Aktionen sind Schüler*innen aller Schulformen beteiligt. Auch an den Demonstrationen nehmen Schüler*innen von allen Schulen teil, auch aus dem Landkreis.

Gibt es auch Kontakte zu Studierenden?

Die ASten unterstützen uns, indem sie z.B. die Lautsprecheranlage besorgten. Es gab bisher von den Unis noch keinen eigenen Aufruf zum Streik, wie das an den Schulen der Fall ist. Allerdings wurden in den Unis Flyer ausgelegt und es beteiligen sich auch Studierende an den Demonstrationen.

Den Aufruf zur Demonstration am 15.3. hatten wir auch in siehsmaso veröffentlicht. Er kam uns aber sehr unpolitisch vor. Es ging dabei nur um individuelle Verhaltensweisen, die natürlich auch wichtig sind, aber nicht ausreichen. Forderungen wie die nach einem Ausstieg aus der Braunkohle wurden nicht aufgestellt.

Die Forderung nach einem Kohleausstieg ist unstrittig und schon so oft gesagt, dass wir es nicht noch einmal wiederholen wollten. Aber natürlich reicht es nicht, individuell zu handeln. So sind wir in Arbeitsgruppen dabei, Forderungen für Klimaschutz zu erarbeiten, die auch auf lokaler Ebene umgesetzt werden können. Das wären zum Beispiel neue Verkehrskonzepte.

Wie war die Reaktion der Schulleitungen und der Lehrer*innen auf den Streik?

Die Reaktionen der Schulleitungen fielen unterschiedlich aus, doch keine Schulleitung drohte mit besonderen Sanktionen. Die Schulleitungen der Viktoriaschule und der Schule auf der Marienhöhe erlaubten sogar den Schüler*innen ausdrücklich auf die Demonstration zu gehen. Andere Schulleitungen argumentierten, sie könnten die Schüler*innen nicht freistellen und die Demo-Teilnahme seien als Fehlstunden zu werten. Aber alle Schulleitungen in Darmstadt „tolerierten“ letztlich die Teilnahme an der Demo. Der Brief des Kultusministers, wonach die Schulpflicht gilt und eine Teilnahme an den Demonstrationen unerwünscht sei, verfehlte in Darmstadt zumindest teilweise seine Wirkung.

Auch die Lehrer*innen reagierten unterschiedlich. Doch die meisten unterstützten den Streik und einige versuchten das Thema in den Unterricht einzubauen, z. B. den Klimawandel im Physikunterricht zu behandeln.Die GEW verbreitete den Streikaufruf und half so auch mit bei den Lehrkräften Verständnis für unser Anliegen zu schaffen.

Wie verhielten sich die Elternbeiräte?

Der Stadtelternbeirat unterstützte die Demo der Schüler*innen. Er hatte Hilfe angeboten, wenn Schüler*innen Probleme mit den Eltern oder den Lehrer*innen bekommen.

Wie geht‘s weiter?

Die Freitag-Demos sollen in Darmstadt zukünftig einmal im Monat stattfinden. Damit verhindern wir einerseits einen Kollisionskurs mit den Schulleitungen und andererseits sichert dies eher eine hohe Teilnahmezahl. Auch ist es problematisch an jedem Freitag den Unterricht ausfallen zu lassen, weil es dann bestimmte Fächer treffen kann, die nur an diesem Wochentag unterrichtet werden. In Darmstadt planen wir die nächste Demo für den 12.4.

Es ist in Vorbereitung, dass sich bundesweit Delegierte aus den verschiedenen Städten treffen, damit sie ihre Forderungen abstimmen und vereinheitlichen. Geplant ist für den 24.5. eine europaweite dezentrale Demo. Außerdem soll am 21.06. in Aachen gleichzeitig mit großen Aktionen anderer Aktionsbündnisse eine Großdemonstration unter dem Namen „Fridays for Future“ stattfinden, gleichzeitig werden auch die Aktionen von „EndeGelände“ im Braunkohlerevier Garzweiler unterstützt. Eine weitere Idee ist, bundesweit Gespräche mit den Bundestagsabgeordneten zu führen und dies auch zu koordinieren. Die Positionen und das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten müssen wir dann weiter verfolgen.

Sind neue Aktionsformen geplant?

Für Darmstadt ist ein Mini-Klima-Camp geplant, das den Klima-Wandel zum Thema hat. Ursachen und Auswirkungen des Klimawandels sollen in den Unterricht eingebaut werden und auch lokale Forderungen entwickelt werden. Auch radikale Forderungen, wie Autos raus aus den Städten und mehr Lebensraum für den Menschen, gewinnen immer mehr an Sympathien unter uns. Eine geeignete Aktionsform dazu wäre z. B. „verkehrsberuhigendes Sitzen“.

 

 

 

25.03.2019