Achtzig Jahre Machtübergabe an den Faschismus

Teil III: Die Wahlen vom 5.März und der Ausbau des Unterdrückungsapparates

Am 30.Januar 2013 jährte sich zum achtzigsten Mal die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler. In siehsmaso wollen wir aus diesem Anlass in einer Artikelserie darstellen, wie sich dieser Prozess nicht nur auf der Ebene des Reiches darstellte, sondern auch wie er sich konkret in Darmstadt vollzog. Der dritte Teil beschäftigt sich mit der Zeit nach den Reichstagswahlen am 5. März. Die Informationen zu Darmstadt sind dem Buch „Das Jahr 1933. NSDAP-Machtergreifung in Darmstadt und Volksstaat Hessen“ von Henner Pingel, Darmstadt 1978, entnommen.


Die NSDAP hoffte bei den Reichstagswahlen, die für den 5.März angesetzt waren, auf die absolute Mehrheit, um so eine scheinbare Legitimation für die Errichtung der faschistischen Diktatur zu erhalten. Der Wahlkampf war geprägt durch die Einschüchterung politischer Gegner und das Betätigungsverbot für die  Kommunistischen Partei nach dem Reichstagsbrand vom 27. Februar 1933.

Das Wahlergebnis dürfte jedoch keineswegs im Sinne der Nazis ausgefallen sein. Zwar konnten sie im Reich gegenüber den Wahlen vom November 1932 einige Prozentpunkte gewinnen, doch blieben sie mit 43,9 Prozent hinter ihren eigenen Erwartungen zurück. Die SPD erhielt 22,9% und die KPD12,3 Prozent, obwohl sie ihren Wahlkampf quasi aus dem Untergrund führen musste.

In Darmstadt allerdings konnte die NSDAP ihr Ziel erreichen. Sie erzielte genau 50 Prozent. Es gab aber auch hier Stadtteile, in denen SPD und KPD mehr Stimmen bekamen als die Faschisten (Altstadt, Martinsviertel, Bessungen). Im damals noch selbständigen Arheilgen war sogar die SPD alleine stärker als die NSDAP.

Dass die NSDAP ihr Wahlziel nicht vollständig erreichte, hatte allerdings nicht mehr als symbolische Bedeutung. Die über die Liste der KPD gewählten Abgeordneten bekamen, soweit sie nicht schon sowieso in Haft waren, ihr Mandat sofort entzogen. Außerdem konnten sich die Faschisten der Unterstützung durch die bürgerlichen Parteien sicher sein. Deshalb konnten sie sofort nach Beendigung der Wahlen an die Gleichschaltung aller staatlichen Organe und an den Aufbau ihres Unterdrückungsapparats gehen.

Die Gleichschaltung im Volksstaat Hessen und in der Stadt Darmstadt

Gleich am Morgen des 6. März marschierten SA-Einheiten vor dem Landtagsgebäude auf, hissten die Hakenkreuzfahne und verbrannten die schwarz-rot-goldene Fahne. Gleiches geschah bei anderen öffentlichen Gebäuden. Am Abend des gleichen Tages traf ein Telegramm von Reichsinnenminister Frick (NSDAP) ein, in dem mitgeteilt wurde, dass die Polizeigewalt in Hessen an den nationalsozialistischen Landtagsabgeordneten Müller zu übergeben sei. Dies geschehe, um in Hessen dem „Ausbruch von Unruhen“ vorzubeugen. Staatspräsident Adelung (SPD) weigerte sich zwar, diesen Befehl schriftlich zu bestätigen, wies jedoch den diensthabenden höchsten Polizeibeamten an, ein entsprechendes Schriftstück zu verfassen. Ziel der SA war dann das Innenministerium, wo sich Wilhelm Leuschner (SPD) mit starken bewaffneten Polizeieinheiten befand. Allerdings gab es auch hier keinen Ansatz von Widerstand. Der sozialdemokratische „Hessische Volksfreund“ berichtete: „Die Maßnahmen gingen ohne jeden Widerstand vor sich. Innerhalb weniger Stunden war die Aktion des Reichskommissars Dr. Müller durchgeführt. Die zahlreichen Schupobeamten im Ministerium des Inneren und in anderen Gebäuden übergaben ohne Widerstand ihre Waffen der SA.“ (HV, 7.3.1933). Die Einheiten der SA, der SS und des deutschnationalen Stahlhelms bekamen die Funktion einer  Hilfspolizei.

Die Stillhaltepolitik der SPD

Obwohl die Nazis mit diesen Aktionen vollendete Tatsachen schafften, versuchte die Führung der SPD auch unter den neuen Verhältnissen ihre Legalität zu bewahren und verharmloste die eingetretenen Verhältnisse. So hieß es in einem Aufruf an die Mitglieder: „Mit der Übergabe der Polizeigewalt an den Kommissar Dr. Müller ist die Führung der übrigen Regierungsgeschäfte nicht auf ihn übergegangen. Die Regierung Adelung-Kirnberger ist auf ihrem Posten und führt die Amtsgeschäfte weiter. Genossinnen und Genossen, ihr habt durch eure glänzende Haltung bei dieser Wahl unter schwierigsten Verhältnissen den alten Ruf der sozialdemokratischen Disziplin bewahrt. Bewahrt auch weiterhin Disziplin und Besonnenheit. Haltet euch von Ansammlungen fern! Vermeidet Zusammenstöße jeder Art!“

Mit dem Argument, die starken Organisationen der Arbeiterbewegung dürften nicht durch voreilige Handlungen gefährdet werden, vermieden SPD und Gewerkschaften schon seit 1932 jeden Widerstand gegen das Voranschreiten der reaktionären und faschistischen Kräfte. Als im Juli 1932 die sozialdemokratisch geführte Landesregierung Preußens durch den reaktionären Reichskanzler von Papen mit Militärgewalt abgesetzt wurde, verzichteten SPD und ADGB darauf, die preußische Polizei und das kampfbereite Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold zur Verteidigung des „Bollwerks der Demokratie“  aufzurufen. Die Einheiten des Reichsbanners warteten vielerorts in ihren Lokalen auf den Einsatzbefehl, mussten aber enttäuscht nach Hause gehen. Dass der Bestand der großen Organisationen nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden dürfe, war das auch in späteren Situationen immer wieder vorgebrachte Argument. Doch als die Nazis zum entscheidenden Schlag ausholten, erwiesen sich diese angeblich mächtigen Organisationen als äußerst schwach und brachen zusammen wie ein Kartenhaus.

Im Versuch durch Stillhalten den Bestand der Organisation zu retten, kam allerdings auch die Illusion zum Ausdruck, die faschistische Diktatur werde schon nicht so schlimm werden, die NSDAP werde durch die anderen Parteien der Regierung im Zaum gehalten und irgendwann abgewirtschaftet haben. Ähnliche Hoffnungen gab es auch bei der KPD, die ein baldiges Ende der Nazi-Herrschaft prophezeite und eine Zuspitzung der revolutionären Kämpfe erwartete. Die bürgerlichen Kräfte aber machten keinerlei Anstalten, dem faschistischen Terror Einhalt zu gebieten und so konnten die Nazis ihre Diktatur ungestört aufbauen. In der Arbeiterbewegung waren es lediglich kleinere Gruppen wie die von der SPD abgespaltene Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD) oder die aus der KPD hervorgegangene KPD-Opposition mit dem Faschismus-Theoretiker August Thalheimer, die eine realistische Einschätzung der faschistischen Gefahr hatten.

Entmachtung der Regierung Adelung und verstärkte Repression

Nachdem der Nationalsozialist Müller das Innenministerium übernommen hatte, nutzten die Nazis diese Stellung, um ihre Macht in Hessen weiter auszubauen und die verbliebene Opposition auszuschalten. Zuerst wurden hohe Polizeibeamte, später auch sonstige Beamte in den Ministerien beurlaubt und durch Parteimitglieder ersetzt. Die so von demokratischen Elementen gesäuberte Polizei wurde nun zusammen mit der zur  „Hilfspolizei“ ernannten  SA zur Bekämpfung politischer Gegner eingesetzt.

In der Nacht vom 6. auf den 7. März „überfiel die SA das Darmstädter Gewerkschaftshaus in der Bismarckstraße 19 und plünderte, was sie an Wertvollem habhaft werden konnte.“ (dfg-vk-darmstadt.de/Lexikon_Auflage_1/lexikon8.pdf ). Der ADGB brachte daraufhin seine Unterlagen in der Kahlertstraße 41 (heute „Kneipe 41“) unter. Auf Reichsebene wurden die Gewerkschaftshäuser am 2. Mai 1933 besetzt. Der Angriff auf das Darmstädter Gewerkschaftshaus erfolgte also schon etwa zwei Monate früher.

In der darauf folgenden Nacht nahmen SA-Einheiten willkürliche Hausdurchsuchungen und Verhaftungen von politisch links stehenden Beamten vor. Die Verhaftungswelle richtete sich aber vor allem gegen die Mitglieder der KPD, obwohl deren Organisation schon vorher verboten war. Am 10.März kam es zu Durchsuchungen in den Räumen der SPD, des Reichsbanners und der Eisernen Front. Wegen angeblicher Waffenfunde und der Beschlagnahmung verbotenen Materials kam es auch hier zu Verhaftungen.

Gleichzeitig verstärkte die NSDAP ihre Anstrengungen, die Macht im Volksstaat Hessen auch formal übertragen zu bekommen. Dies sollte durch die Neuwahl des Staatspräsidenten erfolgen. Dies wurde möglich, da die Landtagsabgeordneten der KPD und der linkssozialistischen SAPD verhaftet waren, und die Zentrumspartei nach anfänglichem Sträuben bereit war, die Fronten zu wechseln, und einen Nationalsozialisten zum Staatspräsidenten zu wählen. So wurde das NSDAP-Mitglied Werner am 10.März 1933 hessischer Staatspräsident. In der gleichen Sitzung vertagte sich der Landtag bis zum 1.Oktober 1933 und ermächtigte die nun faschistische Landesregierung selbst alle Maßnahmen zu treffen, die sie „im Hinblick auf die Not von Volk und Land“ für erforderlich hielte. Damit waren alle wichtigen staatlichen Einrichtungen des Landes Hessen „gleichgeschaltet“ und die Regierung konnte nun daran gehen, auch andere Bereiche des gesellschaftlichen Lebens ihrer Diktatur unterzuordnen.

Gleichschaltung der Städte und Gemeinden
Am 20.März erließ die Landesregierung auf Basis des oben genannten Ermächtigungsgesetzes den Erlass zur „Sicherung der Verwaltung der Gemeinden“. Der hessische Innenminister konnte damit die Amtszeit eines  Bürgermeisters vorzeitig beenden, wenn er „der Kommunistischen Partei oder der Sozialdemokratischen Partei angehört, oder sich im Sinne dieser Partei betätigt“. Am 28.März forderte eine Gruppe von SA-Leuten lautstark den Rücktritt des sozialdemokratischen Bürgermeisters Heinrich Delp. Als dieser der Aufforderung nicht nachkam, wurde er in „Schutzhaft“ genommen. Am 30.März schließlich wurde Darmstadts Oberbürgermeister Rudolf Müller und der Bürgermeister Heinrich Delp, auf Grundlage dieses Erlasses für abgesetzt erklärt.

Am 24. März 1933 wurde auch auf Reichsebene gegen die Stimmen der Sozialdemokraten ein Ermächtigungsgesetz verabschiedet. (Die Abgeordneten der KPD durften ihre Mandate nicht wahrnehmen und befanden sich zum größten Teil in Haft.) Auf dieser Basis verkündete die Hitler-Regierung am 31. März das „Gesetz zur vorläufigen Gleichschaltung der Länder mit dem Reich“. Demnach sollten die Parlamente auf Länder- Provinzial- und Gemeindeebene neu gebildet werden und zwar entsprechend dem Ergebnis der Reichstagswahlen vom 5.März. Die auf die Kommunisten entfallenen Sitze sollten nicht berücksichtigt werden. Damit konnte sich die NSDAP auch im Darmstädter Stadtrat die Mehrheit sichern mit 20 von 35 Sitzen. Welche Bedeutung die Nazis diesem Stadtrat beimaßen wird aus den Äußerungen des NSDAP-Listenführers Abt deutlich: “Die Nationalsozialisten marschieren stolz in eine neue Zeit und werden es nicht dulden, dass lange Reden gehalten oder die Arbeit der Nationalsozialisten sabotiert werden“ (H.Pingel, S 92).

Trotz der Schließung ihrer Parteibüros, zahlreichen Verhaftungen, Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen war die Darmstädter SPD scheinbar auch weiterhin  bereit, in diesem Stadtrat konstruktiv mitzuarbeiten. Auch nachdem am 2.Mai reichsweit die Gewerkschaftshäuser besetzt waren und am 3.Mai die sozialdemokratische Tageszeitung „Hessischer Volksfreund“ verboten wurde, nahm die SPD-Fraktion an einer interfraktionellen Sitzung des Stadtrats teil, bei dem es um die Besetzung der Ausschüsse ging. Erst am 15. Mai, nahmen die Sozialdemokraten zur Kenntnis, dass es für sie keinen Spielraum mehr gab. Der damalige SPD-Stadtrat Albert Mayer schrieb hierzu rückblickend: „Wir waren immer der Meinung, dass man noch mitspielen und Einfluß nehmen könnte. Aber das war dann nicht mehr der Fall. (...) In der ersten öffentlichen Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am 15.Mai 1933 haben wir auch gesehen, dass es nicht mehr ging.“ (H.Pingel, S. 94).

Obwohl die bürgerlichen Parteien der Ausschaltung von SPD und KPD zustimmten und alle Gesetze mit verabschiedeten, konnte die faschistische Diktatur keine anderen Organisationen neben sich dulden. So wurde der Druck auf die bürgerlichen Parteien erhöht. Diese lösten sich schließlich im Laufe des Juni und Juli 1933 selbst auf. Ihre Abgeordneten im Darmstädter Stadtrat traten zur NSDAP über. 

Ausschaltung der Arbeiterbewegung

Mit der Gleichschaltung der Länder und Kommunen wurden die Voraussetzungen geschaffen, auch alle weiteren Behörden wie Schule, Hochschule oder Theater unter Kontrolle der Nazis zu stellen. Doch die Nazis musten auch andere Bereiche des gesellschaftlichen Lebens ihrer Kontrolle unterwerfen. Ihr besonderes Augenmerk galt den Betrieben. Bei den im März 1933 zeigte sich die geringe Verankerung der Nazis in der Arbeiterschaft sehr deutlich. Bei der Firma Merck fanden die Wahlen zum Arbeiterrat Ende März statt, also als sich die NSDAP das Monopol über die Staatsgewalt bereits weitgehend gesichert hatte und die Arbeiterparteien in die Illegalität gedrängt waren. Trotzdem konnten bei Merck die freien Gewerkschaften neun Sitze erringen, die Nationalsozialistische Betriebsorganisation (NSBO) nur zwei Sitze. In der Herdfabrik Röder, die sich in der Rheinstraße befand, gewann die Gewerkschaftsliste 375 Stimmen, die NSBO nur 58 Stimmen. Dies entsprach in etwa auch dem Reichstrend. Die Nazis konnten etwa 25 Prozent der Sitze in den Betriebsräten erhalten, davon überdurchschnittlich viel bei den Angestellten. Auch bei Merck konnte der dem ADGB nahestehende Allgemeine Freie Angestelltenbund (AfA) nur einen Sitz erringen. Der Christlich-Nationale Gesamtverband deutscher Angestellten, in dem die Faschisten Einfluss hatten, aber zehn Sitze. 

Auf das schlechte Abschneiden der NSBO bei den Wahlen im Arbeiterbereich reagierte die Reichsregierung mit einem gesonderten Gesetz, das den Landesregierungen das Recht einräumte, die Betriebsratswahlen bis in den September zu verschieben und gewählte Betriebsratsmitglieder wegen „staats- oder wirtschaftsfeindlicher Einstellung“ abzuberufen und durch andere zu ersetzen. In Darmstadt wurde von der Landesregierung ein „Staatskommissar für Arbeitsfragen“ eingesetzt, der die Regierung in allen Fragen im Zusammenhang mit Betrieb und Arbeit beraten sollte. Als Ziel wurde Folgendes festgelegt: „Der tiefere Sinn dieser Einrichtung wird sein, aus dem sogenannten Proletarier wieder den deutschen Arbeiter zu formen“.

Wie die bürgerlichen Parteien, so unterwarfen sich auch die ihnen nahestehenden Gewerkschaften der „neuen Ordnung“ und waren zur Selbstauflösung bereit.
Die im Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund zusammengeschlossenen freien Gewerkschaften waren angesichts der immer geringeren Spielräume nicht nur zum Stillhalten bereit, sondern auch zu echten Zugeständnissen an den Faschismus. In einem Aufruf des ADGB-Vorstandes vom 9.April 1933 erklärte er sich bereit, „die von den Gewerkschaften in jahrzehntelanger Wirksamkeit geschaffene Selbstverwaltungsorganisation der Arbeiterschaft in den Dienst des neuen Staates zu stellen“.  Um von den Nazis anerkannt zu werden, gingen sie sogar so weit, Juden aus dem Vorstand zu entfernen. Als die Nazis den 1.Mai zum „Feiertag der nationalen Arbeit“ erklärten, wurde dies von den freien Gewerkschaften begrüßt, und sie riefen ihre Mitglieder auf, sich an den staatlich organisierten Umzügen und Kundgebungen zu beteiligen. Ausdrücklich wurde sie aufgefordert, keine Gewerkschaftsfahnen oder Embleme mitzuführen. „Am Morgen des 1.Mai hatten bereits Zehntausende auf dem Exerzierplatz der im Rundfunk übertragenen Rede Hitlers und den dann folgenden Ansprachen der NSDAP-Führung zugehört. Nachmittags erlebte Darmstadt einen gewaltigen Propagandaaufmarsch der Nationalsozialisten, an dem sich in geschlossener Formation die Belegschaften der Betriebe und Behörden, der Berufsverbände, die Sport- und Gesangsvereine, die Schüler ab der 5.Klasse aufwärts, die Studentenschaft, die Feuerwehr, die evangelische Jugendgemeinschaft, die Hitlerjugend, der Stahlhelm, die SA und SS beteiligten.“ (Henner Pingel, S. 135f). Etwa vierzig Gewerkschaftsmitglieder verließen jedoch aus Protest gegen diese Form der Mai-Feier den Demonstrationszug.

Die faschistische Diktatur kann neben sich aber keine unabhängigen Organisationen dulden, seinen sie auch noch so unterwürfig. Dies zeigte sich schon einen Tag später, als im ganzen Reich die Gewerkschaftshäuser besetzt und führende Gewerkschafter verhaftet wurden. In Darmstadt diente das Gewerkschaftshaus schon bald als Versammlungslokal der SA. Die Regierung ernannte neue kommissarische Gewerkschaftsführer und löste die Gewerkschaften am 10.Mai auf, um sie in die Deutsche Arbeitsfront zu überführen. Damit endete aber nicht der Widerstand von Arbeiterinnen und Arbeitern gegen die faschistische Diktatur. Immer wieder bildeten sich Gruppen, um z.B. die Angehörigen von Inhaftierten zu unterstützen. Immer wieder kam es aber auch danach zu Inhaftierungen und zu Hinrichtungen von Widerständlern.

Der Judenboykott

In Darmstadt kam es schon am 13.März zur gewaltsamen Schließung jüdischer Geschäfte. Die NSDAP rief jedoch zu einem reichsweiten Boykott jüdischer Geschäfte am 1.April 1933 auf.  Der „Reichsbund jüdischer Frontsoldaten“ appellierte in dieser Situation vergeblich an „Generalfeldmarschall von Hindenburg“ die 12.000 Juden nicht zu vergessen, die im Ersten Weltkrieg „für Deutschland fielen“.
Am 1.April bezogen Einheiten der SA und der SS Posten vor jüdischen Geschäften und brachten dort Plakate an mit der Aufschrift „Kauft nicht bei Juden!“. Menschen, die sich diesem Boykott widersetzten, wurden fotografiert und ihre Bilder am nächsten Tag unter der Überschrift „Seht noch die Verräter, die bei Juden kaufen“ in der nationalsozialistischen „Hessischen Landeszeitung“ veröffentlicht.

Sämtliche Bürger jüdischer Abstammung mussten bis zum 3.April ihre Reisepässe bei der Passstelle des Polizeiamtes Darmstadt abgeben. 1933 lebten 1.427 Juden in Darmstadt. Ungefähr 1.000 Darmstädter Juden wurde in den folgenden Jahren die Ausreisegenehmigung erteilt. 400 Personen wurden in die Vernichtungslager deportiert“ (Henner Pingel, S. 146).

Hiermit enden unsere Recherchen zu „Achtzig Jahre Machtübergabe an den Faschismus“. Im vierten und letzten teil werden wir Erinnerungen von Philipp Benz, 1933 in Arheilgen ein junges Mitglied der KPD, an diese Zeit veröffentlichen.

Reinhard Raika
05.03.2013