Schlafwandeln in den Krieg

Referat beim Darmstädter Friedensbündnis zur Münchner Rede Annegret Kamp-Karrenbauers

Das Darmstädter Friedensbündnis hat bei einer Veranstaltung am 18.11. die Rede von Annegret Kamp-Karrenbauer („AKK“) erörtert, die sie am  07. 11. an der Bundeswehruniversität in München gehalten hat.  Dazu der folgende Beitrag:

--------------------------------------------------------

Wir erleben einen von oben diktierten Prozeß der Militarisierung, hin zu einem inter­nationalen Interventionismus Deutschlands, der in der Öffentlichkeit paradoxer Weise mit anscheinend nur geringem Widerstand hingenommen wird. Eine Friedensbewegung der Dimension von Fridays for Future wäre eigentlich nötig.

Mit ihrer Rede hat AKK programmatisch Schluß gemacht  mit der alten Funktionsbe­stimmung der Bundeswehr – nämlich Verteidigungsarmee zu sein für den Fall des Angriffs von außen, wie das im Grundgesetz steht  unter Artikel 26, Absatz 1. Als relativ einsame Stimme im Chor der rüstungsgeilen Mainstream-Medien hat Heribert Prantl in der SZ festgestellt: „Das Grundgesetz hat mit dem, was AKK will, nichts zu tun.“

Die Entwicklung hat eine Vorgeschichte nicht erst seit dem Interview von Horst Köhler im Mai 2010 auf dem Rückflug von Afghanistan: „…  dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass ... im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege“ Damalige (noch) Konsequenz: Rücktritt.

Dann hielt Joachim Gauck 2014 auf der  Münchner Sicherheitskonferenz die Rede „Neue Macht, Neue Verantwortung“, mit dem neuen Elitenkonsens zu einem größeren weltpolitischen Einfluss Deutschlands mit der  Fähigkeit und der Bereitschaft zur Teilnahme an Militärinterventionen. Zu seinen Ghostwritern zählten der „German Marshall Fund (GMF)“ und die „Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) unter Mitwirkung der Creme de la Creme sicherheitspolischer Fachleute des deutschen Imperialismus.

Details der AKK-Grundsatzrede  am 7. November 19 an der Bundeswehruniversität München (Quelle u.a.: Info-Stelle Militarisierung - https://www.imi-online.de/)

  • Mit Visionen für Deutschland als globale Militärmacht - „Deutschlands Rolle in der Welt“ - soll die Kultur der (militärischen) Zurückhaltung endgültig begraben werden;
  • Neue Einsätze auf dem afrikanischen Kontinent und im Indo-Pazifischen-Raum;
  • Offen interessengeleitete deutsche Sicherheitspolitik: Sie nutzt sie das Wort „Interessen“ in ihrer Rede zehnmal, während andere Schlagworte wie „Werte“(4 x) klar in den Hintergrund treten;
  • Sie sieht die  „Rückkehr der Konkurrenz großer Mächte um Einflusssphären und Vorherrschaft“ und will Deutschland für eben diesen globalen, imperialistischen Konkurrenzkampf als großen Player in NATO und EU fit  machen;
  • Feindbilder sind Rußland und der machtpolitische Aufstieg Chinas, der internationale Terrorismus, insbesondere der islamistische;
  • Verbündete: Platz 1: USA – klares  transatlantisches Bekenntnis;
  • Platz 2  die EU – Verstärkung der europäischen Zusammenarbeit in der Verteidigung;
  • Ablehnung von Forderungen nach strategischer Autonomie (a la Macron);
  • Trotz Brexit schlägt sie vor, das „E3-Format“, bestehend aus Großbritannien, Frankreich und Deutschland als „Scharnier zwischen NATO und EU“ weiter institutionalisieren.

Militärische Präsenz von Osteuropa über Afrika bis Ostasien

  • Neben den eigenen ökonomischen Interessen Deutschlands auch ein „klares Zeichen der Solidarität“ mit den „Partnerstaaten“ im Indo-Pazifischen-Raum, darunter Australien, Japan und Südkorea, „aber auch Indien“. Diese fühlten sich vom Machtanspruch Chinas in der Region zunehmend bedrängt. Daher Präsenz in der Region zeigen.“

Nationaler Sicherheitsrat und Vorratsbeschlüsse im Bundestag

  • Wegen der „strategischen Herausforderungen“ will sie  alte Zöpfe der demokratischen und durchaus in antifaschistischer Motivation entstandenen Nachkriegsordnung der deutschen Außenpolitik abschneiden.
  • Sie will den Bundessicherheitsrat zur sicherheitspolitischen Schaltzentrale der Bundesregierung umbauen, damit deutsche „Beiträge zur internationalen Krisenbewältigung schneller und effektiver zur Wirkung“ kommen. Auch die parlamentari sche Kontrolle von Bundeswehreinsätzen soll auf ein Minimum zurückgestutzt werden, damit deutsche Truppen von einem Tag auf den anderen in alle Welt geschickt werden können.

Und die Rechnung? – zwei Prozent des BIP bis 2031 = ca. 24 Mrd. mehr

  • Um diese von der politischen Kontrolle entsicherte Bundeswehr für die neuen Aufgaben fit zu machen, fordert AKK deutlich mehr Geld. AKK stellte einen Zeitplan vor. Bis 2024 soll der Verteidigungshaushalt auf 1,5% des BIP um ca. 5 Mrd. € jährlich ansteigen;  spätestens bis 2031 soll das NATO-Ziel von 2% des BIP erreicht werden (= ca. + 24 Mrd. € !!).

Die Grüne Partei auf Rüstungskurs – Schlafwandel in den Krieg 2.0 ?

Ein Déjà-vu: frappierende Übereinstimmung zweier Rüstungs-“Bewilliger“:

Der SPD-Vorsitzende August Bebel 1904:

„Wir wollen eine Kriegstruppe, wir wollen eine Truppe, für den Kriegsfall ausgebildet, möglichst zweckmäßig und einfach“, führte er im Reichstag aus. Was zu einer wirklichen kriegerischen Ausbildung der Armee notwendig ist, sei er bereit zu bewilligen.

10 Jahre später mobilisierte die SPD-Führung die deutsche Arbeiterschaft in das Völkergemetzel.

Der Grüne-Vorsitzende Robert Habeck 2019:

„Es (ist) im höchsten europäischen und deutschen Interesse, dass wir eine einsatz­fähige und funktionierende Bundeswehr haben", Die Bundeswehr … „brauche  ein funktionierendes und effizientes Beschaffungswesen ... "Wenn das alles geklärt ist, darf die Ausrüstung nicht am Geld scheitern...“ Und weiter: „Europa muss “weltpoli­tikfähig werden” meinte Habeck  und plädierte für eine europäische Mission im Per­sischen Golf …

(https://www.ad-hoc-news.de/ausland/gruenen-chef-robert-habeck-hat-im-streit-um-das-zwei-prozent-ziel-der-nato/59221149)

Cem Özdemir hat zwischenzeitlich ein Praktikum bei der Bundeswehr absolviert – der kommende Verteidigungs- oder Außenminister? Jedenfalls wird NATO-mäßig alles klargemacht für eine grün-schwarze „Neue Macht, neue Verantwortung“ überall(es) in der Welt.

25.11.2019
Schlagwörter: