Corona trifft alle – aber nicht alle gleich!

#1MaiDarmstadt #andersweitermachen - Für Solidarität in und nach der Krise
Demonstration

Die Entscheidung des DGB, in diesem Jahr auf die traditionelle Mai-Kundgebungen zu verzichten, halten wir für richtig und verantwortungsvoll. Sie folgt den Empfehlungen zur Eindämmung der Pandemie, die man bei einer solchen Großveranstaltung nicht hätte gewährleisten können.

Allerdings ist - wie das Bundesverfassungsgericht klargestellt hat - das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit durch die hessische Verordnung zur Bekämpfung des Corona-Virus nicht völlig außer Kraft gesetzt. Unter strikter Beachtung der Infektionsschutzbestimmungen können Kundgebungen in kleineren Gruppen unter freiem Himmel stattfinden. In diesem Rahmen wollen wir eine zahlenmäßig und zeitlich begrenzte Kundgebung am 1. Mai durchführen, um unsere Grundrechte gegen unverhältnismäßige Einschränkungen zu verteidigen und Forderungen nach einer sozial-ökologischen Bewältigung der Krise öffentlich zu artikulieren.

Infektionsschutz:

  • Aufstellung mit Mindestabstand wird mit Kreide markiert
  • Maximum 100 Teilnehmende verteilt auf zwei Kundgebungsorte
  • Mundschutz ist zwingende Voraussetzung für Teilnahme
  • Keine Verteilung von Handzetteln innerhalb der Kundgebung oder an das Laufpublikum

Teilnehmende Organisationen und Einzelpersonen sind aufgerufen, Schilder, Transparente, Organisationsfahnen und Ähnliches mitzubringen, damit ein bunter und vielfältiger Anblick entsteht!

 

Aufruf

Die Corona-Krise stellt große Herausforderungen: Es entscheidet sich gegenwärtig, wie die Welt und unser Land künftig aussehen wird, sozial gerechter, friedlicher, der Ökologie und dem Klimaschutz verpflichtet – oder aber nicht. Auf die Krise wird eine gesellschaftliche Auseinandersetzung folgen, wer die Kosten zu tragen hat. Dazu wollen wir Position beziehen.

 

1. Grundrechte verteidigen

Die auf Basis des Infektionsschutzgesetzes eingeführten Regelungen zur Eindämmung des Corona-Virus haben die Grundrechte teilweise außer Kraft gesetzt. So sinnvoll die Beschränkungen aus epidemiologischer Sicht auch sein mögen, so wichtig ist es, dass sie gut begründet werden und die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt. Dies gilt insbesondere für das Recht auf Versammlungsfreiheit. Leider fehlen hierzu ausdrückliche Regelungen in den Corona-Verordnungen, wie sie für verschiedene Bereiche des täglichen Lebens formuliert sind. Dies ist eine bemerkenswerte Geringschätzung der politischen Grundrechte.

Ein vollständiges Verbot politischer Versammlungen halten wir nicht für verhältnismäßig. Kundgebungen oder Demonstrationen müssen weiterhin stattfinden dürfen, sofern die notwendigen Abstandsregelungen und der Infektionsschutz beachtet werden. So hat auch das Bundesverfassungsgericht geurteilt. Die Ordnungsbehörden sind über das Ziel hinausgeschossen, als sie in Frankfurt und auch in Darmstadt die „corona-konform“ durchgeführten Seebrücke-Aktionen unterbunden und den Motorradcorso zum Ostermarsch untersagt haben. Wir sehen die Gefahr, dass alles, was jetzt stattfindet, in der nächsten Ausnahmesituation zu einem deutlich geringeren politischen Preis umgesetzt werden kann.

  • Kontinuierliche Überprüfung der Grundrechts-Einschränkungen auf Verhältnismäßigkeit
  • Schnellstmögliche und vollständige Wiederherstellung der Grund- und Freiheitsrechte
  • Keine Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung

 

2. Existenz für alle sichern - Guter Lohn und gute Arbeit für systemrelevante Beschäftigte

Im Kampf gegen die Pandemie werden verschiedene Berufe als systemrelevant erkannt. Den Kolleg*innen, die unter besonderer Belastung arbeiten und die ihre Gesundheit stärker riskieren als andere, wird viel Lob und Respekt entgegengebracht – auch von uns. Dies betrifft vor allem die Kranken- und Altenpflege, den (Lebensmittel-)Einzelhandel, die Kinderbetreuung, die Sozialarbeit, den ÖPNV, die Müllentsorgung, Liefer- und Paketdienste sowie den LKW-Fernverkehr. Das Lob von allen Seiten muss sich auch im Einkommen und bei den Arbeitsbedingungen dieser Beschäftigten niederschlagen:

  • Mehr Gehalt für Beschäftigte in der Krankenpflege und bundesweit 100.000 zusätzliche Stellen in den Krankenhäusern
  • Allgemeinverbindlicher Tarifvertrag in der Altenpflege (und in Darmstadt endlich einen Tarifvertrag für die Beschäftigten des Wohnpark Kranichstein)
  • Höhere Löhne und allgemeinverbindliche Tarifverträge im Einzelhandel
  • Tarifliche Aufwertung der Sozial- und Erziehungsberufe

Grundsätzlich dürfen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Solo-Selbständige, Studierende, Erwerbslose und andere auf Transferleistungen Angewiesene jetzt nicht in Not geraten. Sie benötigen staatliche Zuschüsse, keine Kredite, die das Problem nur in die Zukunft verschieben.

  • Aufstockung des Kurzarbeitergelds auf mindestens 80% von Anfang an (bzw. auf 87% für Beschäftigte mit Kindern)
  • Landesweiter Verzicht auf die Erhebung von Kita-Gebühren
  • Soforthilfe für Studierende in Höhe von 200 Euro pro Monat rückwirkend ab März
  • 200 Euro Krisenaufschlag auf die Grundsicherungsleistungen nach SGB II und XII

Alle im Fahrwasser der Corona-Krise beschlossenen arbeitsrechtlichen Deregulierungen, insbesondere bezüglich Sonntagsöffnung und Arbeitszeiten, müssen vollständig zurückgenommen werden.

Die Beschäftigten müssen nicht nur in der Freizeit, beim Einkauf oder im öffentlichen Nahverkehr, sondern auch an ihrem Arbeitsplatz optimal geschützt werden. Besonders gefährdete Menschen dürfen nicht zur Arbeit verpflichtet werden. Es ist für uns nicht nachvollziehbar, dass die Landesregierung mit ihren Maßnahmen an den Werkstoren halt gemacht hat. Die Gesundheit muss Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen haben!

 

3. Pflegenotstand beenden – für ein Gesundheitssystem ohne Profitstreben

Die Beschäftigten im Gesundheitssystem kämpfen seit langer Zeit für bessere Arbeitsbedingungen an den Krankenhäusern und in der Altenpflege. Stress durch Überlastung sowie niedrige Löhne führen zu erheblichem Personalmangel. Unter den gegebenen Bedingungen ist eine optimale Behandlung und Betreuung der Patient*innen vielfach nicht möglich.

In den Ländern Südeuropas und in den USA haben die vorausgegangenen Kürzungen im Gesundheitssystem nun tausende Menschen das Leben gekostet. Doch auch in Deutschland legt die Pandemie die Schwächen eines zusammengesparten, durchökonomisierten und für privates Profitstreben geöffneten Gesundheitssystems offen. Deshalb fordern wir als Lehre aus der Corona-Krise die Rückkehr zu einem bedarfsgerecht finanzierten, öffentlichen Gesundheitssystem.

  • Fallpauschalen-System abschaffen
  • Keine Schließungen und keine weiteren Privatisierungen von Krankenhäusern, stattdessen Rückführung in öffentliche Hand
  • Gute Pflege durch die Entwicklung einer wissenschaftlich fundierten Personalbemessung, bis dahin Personalbemessung auf Grundlage der Pflegepersonalregelung (PPR 2.0)
  • Flächendeckende Gesundheitsversorgung sicher stellen - ambulant und stationär

 

4. Krisenkosten solidarisch finanzieren und sozialökologisch umsteuern

Wenn die Pandemie überstanden ist, muss die von allen Seiten beschworene Solidarität über das gesellschaftliche Miteinander hinausgehen und auch die Verteilung der Krisenkosten umfassen. Das bedeutet, dass die Einkommensstarken und Vermögenden den Hauptteil der Lasten zu tragen haben. Der Einsatz von Steuergeldern ist mit der Einhaltung sozialpolitischer Standards zu verbinden.

Die Corona-Krise hat den Klimawandel als Thema in den Hintergrund gedrängt. Dabei gehen von der Erderwärmung letztlich größere Gefahren für die gesamte Menschheit aus. Doch für die Reduktion der Treibhausgase gibt es nicht annähernd ein so entschlossenes Handeln wie wir es gerade im Kampf gegen Corona miterleben können. Das Mantra der „schwarzen Null“ und Rücksicht auf mächtige Kapitalgruppen stehen dem entgegen. In der aktuellen Krise zeigt sich, dass zur Abfederung ökonomischer Härten schnell Hunderte von Milliarden Euro bereitgestellt werden können. Mit solchen Beträgen könnten auch Investitionen für eine soziale und ökologische Transformation finanziert und ein rascher Ausstieg aus der fossilen Energie ermöglicht werden.

  • Keine Rückkehr zur Haushaltspolitik der „schwarzen Null“. Es muss möglich sein verstärkt Kredite aufzunehmen, um Investitionen und öffentliche Leistungen nicht einzuschränken.
  • Einführung einer dauerhaften Vermögenssteuer, einer substantiellen Erbschaftssteuer sowie einer Corona-Sondersteuer auf große Vermögen. Auch höhere Einkommen und Kapitalerträge müssen wieder stärker besteuert werden.
  • Tarifbindung sowie Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen, Gewinnausschüttung und Manager-Boni als Voraussetzung für die Stützung von Unternehmen mit Steuergeldern. Keine Förderung klima- und umweltschädlicher Technologien auf dem Weg aus der Krise.
  • Bereitstellung vergleichbarer Finanzmittel gegen die Klimakrise und für eine sozialökologische Transformation.

 

5. Internationale Solidarität in der Krise stärken

Leider hat der gemeinsame Kampf gegen die Pandemie bisher nicht zu mehr internationaler Kooperation und gegenseitiger Hilfe in Europa geführt. Stattdessen werden feindselige Stimmungen geschürt, Grenzen geschlossen, Kriege geführt, Sanktionen unvermindert aufrecht erhalten und neue Rüstungsprojekte angeschoben. Die Krise trifft die Ökonomien im Globalen Süden besonders hart, so dass dort weitere Fluchtursachen entstehen. Die europäischen Staaten finden keine gemeinsame Lösung für die Finanzierung der Krisenkosten. So droht die Solidarität, die das Denken und Handeln vieler Menschen bestimmt, nach dem Ende der Pandemie wieder in Eigeninteresse und Konkurrenz umzuschlagen. Wir wollen, dass die Welt friedlicher aus der Krise hervor geht und die Bereitschaft zur Kooperation sie überdauert:

  • Abrüsten statt aufrüsten. Das 2-Prozent-Rüstungsziel der NATO oder Großmanöver an der russischen Grenze dürfen nicht weiter verfolgt werden.
  • Ausgleich der Staatshaushalte durch gemeinsame Aufnahme von Krediten (Eurobonds) zur Vermeidung der nächsten Schuldenkrise und für den Zusammenhalt in Europa.
  • Humanitäre Lösungen für Geflüchtete, insbesondere in den furchtbaren Lagern auf den griechischen Inseln.
  • Hilfe für die Länder des Globalen Südens bei der Versorgung mit Medikamenten und Schutzausrüstung und weltweite Mobilisierung von Finanzmitteln zur Stützung ihrer Ökonomien.

 

Dieser Aufruf wird unterstützt von einem breiten Bündnis von Personen und Organisationen:

 

Unterstützende Personen

  • Angelika Schröder, ver.di Ortverein Darmstadt
  • Dogan Yilmaz, TKP
  • Erhard Schleitzer, ver.di Ortsverein Darmstadt
  • Friedrich Haug, Bündnis Demokratie statt Überwachung
  • Jürgen Johann, Vorsitzender ver.di-Bezirk Südhessen
  • Lisa Hofmann, Sprecher*innenrat DIE LINKE. Darmstadt
  • Patrick Fütterer, Bundesvorstand Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen
  • Reinhard Raika, ver.di Ortsverein Darmstadt
  • Uli Franke, Stadtverordneter DIE LINKE
  • Walter Busch-Hübenbecker, Mitglied im DGB-Kreisvorstand Darmstadt-Dieburg
  • Walter Erb, Vorstandsmitglied des DGB Stadtverbands

Unterstützende Organisationen

  • ATIF Darmstadt
  • AtomkraftENDE. darmstadt
  • attac Darmstadt
  • DIDF Darmstadt
  • DIE LINKE. Darmstadt und Darmstadt-Dieburg
  • DKP Darmstadt
  • Friedensforum
  • Halkevi e. V.
  • Linksjugend solid Darmstadt
  • Nav-Dem Darmstadt
Beginn: 
Fr, 01.05.2020 14:00
Veranstalter: 
Breites Bündnis
Ort: 
Karolinenplatz / M.-Gräfin-Dönhoff-Platz
Kontakt: 
Größere Gruppen bitte anmelden unter redaktion@politnetz-darmstadt.de