Wer spaltet die Umweltbewegung?

Protest gegen die Räumung im Dannenröder Forst vor dem Parteibüro der GRÜNEN

Die Partei der Grünen hatte am 20.11. Besuch von etwa siebzig bis achtzig Demonstrant*innen, die dort für Umweltschutz demonstrierten. Eigentlich müsste sich die Partei über diesen Besuch freuen. Sie versteht sich schließlich als die Umweltpartei und Tarek Al-Wazir beteuerte erst kürzlich, dass sie die Unterstützung „der wütenden jungen Leute“ brauche. Und davon war viele dabei.

Doch die Freude der Darmstädter Parteiführung hielt sich in Grenzen. Es ging schließlich um den Dannenröder Forst und durch ihr Verhalten haben sich die hessischen Grünen unter Umweltaktivist*innen viele Sympathien verscherzt.

Zur Demonstration aufgerufen hatte die „Solidaritätsgruppe: A49 und Klimazerstörung stoppen - Verkehrswende JETZT!“. Sie wurde unterstützt von Fridays for Future, Attac Darmstadt, verdi Ortsverein Darmstadt, der Westwaldallianz, der Partei die Linke, Linksjugend solid, Parents 4 Future und Students for Future Darmstadt.

In verschiedenen Redebeiträgen wurde der Weiterbau der A49 kritisiert und es wurden Argumente gegen das Projekt vorgebracht. Verwiesen wurde auf den Ausbau einer Bundesstraße als Alternative zur A49, die nie ernsthaft in Betracht gezogen worden sei. Die Lückenschließung der Autobahn führe zu einer Verlagerung des Verkehrs von der Schiene auf die Straße und trage so zu einer Erhöhung des CO2-Ausstoßes bei. Tim Dreyer von der LINKEN kritisierte das Vorgehen der Polizei bei der Räumung. Sie gehe mit großer Rücksichtslosogkeit vor und gefährde Gesundheit und Leben der Protestierenden.

Helmut Weick und Heike Kuntze-Engelmann von der Solidaritätsgruppe gingen auf das Argument ein, der hessische Umweltminister Tarek Al-Wazir könne nichts gegen den Ausbau unternehmen, da das Bundesangelegenheit sei und er die Beschlüsse des Bundes ausführen müsse. Sie sahen durchaus noch Möglichkeiten. Das Bundesverwaltungsgericht habe im Planfeststellungsverfahren Mängel bei der Berücksichtigung des Wasserschutzes festgestellt. So sei unter anderem nicht ausreichend untersucht, welche Auswirkungen Rodungen und Überbauung im Zuge des Ausbaus der A49 auf die Qualität des Grundwassers hätten. Dies könne und sollte durch das Umweltministerium als die für das Wasserrecht zuständige Stelle eingefordert werden. Außerdem sei das Gutachten aus dem Jahr 2011 veraltet, da die Auswirkung der trockenen Sommer der letzten Jahre nicht berücksichtigt seien.

Helmut Weick wies darauf hin, dass ein Landesminister nicht bedingungslos die Pläne des Bundes umsetzen muss, auch dann nicht, wenn er vorher alle Möglichkeiten des Rechtswegs ausgeschöpft habe. Es bliebe dann immer noch der Rücktritt und die Aufkündigung der Koalition, was ein politisches Zeichen wäre. Die Grünen seien aus der außerparlamentarischen Bewegung hervorgegangen und auch in Darmstadt habe außerparlamentarischer Widerstand die in den achtziger Jahren geplante Osttangente verhindert. Davon sei heute nichts mehr zu spüren. Die Partei habe sich weit von ökologischen Grundsätzen entfernt.

Die Vorstandssprecherin der Darmstädter Grünen und Landtagsabgeordnete Hildegard Förster-Heldmann nahm die Gelegenheit wahr, um die Haltung ihrer Partei zu rechtfertigen. Sie verteidigte sehr entschieden Umweltminister Tarek Al-Wazir und durch die Art ihres Auftretens machte sie klar, dass sie an einem Dialog zu diesem Thema kein Interesse hat. Wenn Al-Wazir Beschlüsse des Bundes durchführe, so befolge er damit rechtsstaatliche Prinzipien. Der Ausbau der A49 sei ein Beschluss des Bundes. Die Demonstrationen sollten also besser vor den Büros von CDU und SPD stattfinden. Durch die Fokussierung auf die Grünen würde die Umweltbewegung gespalten. In der Koalition habe die Partei der Grünen viele umweltpolitische Maßnahmen durchgesetzt und könne bei einem Austritt gar nichts mehr erreichen. Besonders betonte sie, dass die Grünen als Partei nun „Verantwortung“ zu übernehmen haben.

Bei manchen der Teilnehmenden sorgten diese Äußerungen für Erstaunen. Sie wunderten sich, dass die Grünen sich überhaupt noch als Teil der Umweltbewegung verstehen. Schließlich verstoße sie auch beim Frankfurter Flughafen gegen ökologische Prinzipien. Al-Wazir betreibe den Ausbau des Flughafens mit dem Terminal 3 und es seien für Ryanair zusätzliche Landekapazitäten geschaffen worden. Auch in anderen Bundesländern wird die Partei ihrem Anspruch nicht gerecht sobald sie in den Regierungen „Verantwortung“ übernimmt. So saßen die Grünen 2016 in der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen, als diese den Kohleabbau im Hambacher Forst genehmigte. Und in Baden-Württemberg entwickelt sich der grüne Ministerpräsident zu einem der entschiedensten Fürsprecher der Autoindustrie.

Wie könnte die Einheit der Umweltbewegung auf dieser Basis aussehen? Es wäre eine Einheit im Nichtstun und des „Weiter so“. Davon werden aber viele Aktivist*innen nicht mehr zu überzeugen sein. CDU und SPD sind durchaus auch für Umweltzerstörungen verantwortlich. Aber sie haben sich nie derart als Umweltpartei profiliert wie es die Grünen taten. Und an diesem Anspruch werden sie jetzt gemessen.

23.11.2020
Schlagwörter: