Zum Weltgesundheitstag am 7.4.2021 führten der ver.di Ortsverein Darmstadt und attac Darmstadt einen gemeinsamen Infostand in Darmstadts Innenstadt durch unter dem Motto „Gesundheit für alle! - Profitorientierung oder Gemeinwohlorientierung?“ Schwerpunkte waren die Kritik an der Privatisierung der Krankenhäuser und Altenheime sowie die Forderung nach Freigabe der Patente für Impfstoffe (s. beigefügtes Flugblatt). Im Anschluss an den Infostand fand eine kleine, aber feine Demonstration zum Caritashaus in der Heinrichstraße statt. Die Demonstrationsteilnehmer*innen trugen ein Transparent „Liebe Caritas: Schluss mit der Heuchelei! Tarifvertrag jetzt!“ Vor dem Caritashaus hielt ein Vertreter von ver.di eine Rede, in der das Vorgehen der Caritas stark kritisiert und ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag für die Altenpflege gefordert wurde.
"Das übergroße Transparent am Caritashaus „Bleibt unsere Wertschätzung - oder verfliegt sie wie unser Applaus“, selbst angebracht von der Caritas, könnte peinlicher nicht sein. Natürlich ist die Wertschätzung verflogen: Caritas-Arbeitgeber zerstören die Hoffnung von hunderttausenden Pflegepersonen auf bessere Bezahlung.
Im Februar 2021 haben die Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP) und ver.di nach 16-monatigen Verhandlungen einen Tarifvertrag über Mindestbedingungen in der Altenpflege abgeschlossen. Vorher gab es Anhörungen sowohl der Caritas als auch der Diakonie, weitere Änderungsvorschläge wurden in dem Tarifvertrag (TV) aufgenommen. Mit dem TV wären dem von kommerziellen Pflegeanbietern betriebenen Lohndumping ein Riegel vorgeschoben worden: die Mindestentgelte in der Pflegebranche müssten bis Mitte 2023 um durchschnittlich 25 Prozent steigen.Beide Tarifvertragsparteien verfolgten damit das Ziel, dass dieser TV durch den Bundesarbeitsminister verbindlich auf die gesamte Pflegebranche erstreckt wird. Dazu war die Zustimmung der ARK der Caritas und der Diakonie notwendig.
Doch dann kam der Hammer: Die Arbeitgebervertreter in der ARK der Caritas lehnten die Zustimmung zu dem TV ab, am nächsten Tag verweigerte ebenfalls die ARK der Diakonie die Zustimmung zu diesem TV. Hunderttausende Pflegepersonen - vor allem bei den kommerziellen Pflegeanbietern - sind nun die Verlierer.
Warum hat die Caritas dieses schändliche Spiele betrieben?
Der Bischof von Regensburg, Vorderholzer, spricht dazu Klartext. Der Bayrische Rundfunk berichtete am 2.April: „Die Entlohnung für Caritas-Mitarbeiter sei höher als der im Tarif vorgesehene Mindestlohn, betonte Voderholzer. Ihm dränge sich der Verdacht auf, dass es in der Kritik an der Caritas gar nicht um eine gerechtere Bezahlung der Pflegekräfte gehe. Vielmehr solle dem sogenannten Dritten Weg der Garaus gemacht werden. Der Dritte Weg ist demnach eine besondere Form der Tarifeinigung, die die Kirche in Deutschland für sich und ihre Einrichtungen geschaffen hat, um Arbeitsvertragsbedingungen auszuhandeln.“
Kirchliche Ideologie und Drang zur Machterhaltung schlägt hiermit den Dienst am nächsten, die sonst so oft betonte Nächstenliebe.
Was ist dran an dem Argument, die Caritas zahle mehr als den in dem Tarifvertrag vorgesehenen Mindestlohn?
1. Der vorgeschlagene allgemeinverbindliche TV für die Altenpflege ist natürlich ein Kompromiss. Er liegt deshalb unter dem TV öffentlicher Dienst. Die Arbeitsrechtsregelungen der Caritas orientierten sich bisher teilweise an dem TV ÖD, auch wenn er nicht immer richtig und vor allen Dingen zeitverzögert, teilweise um 1 Jahr uns mehr, abgeschrieben wurde. Tatsächlich zahlt die Caritas heute – 30 Jahre nach der Deutschen Einheit - im Osten immer noch weniger Gehalt als im Westen. Und vor allem: die Alltagsbegleiter*innen/ Betreuungskräfte und ungelernten Hilfskräfte - die die Masse der Pflegenden in den Altenheimen ausmachen - werden schlechter bezahlt als in den anderen TV.
2. Aber das wesentliche Gegenargument steht im SGB XI, § 84 (2)
„Die Pflegesätze müssen einem Pflegeheim bei wirtschaftlicher Betriebsführung ermöglichen, seine Aufwendungen zu finanzieren und seinen Versorgungsauftrag zu erfüllen unter Berücksichtigung einer angemessenen Vergütung ihres Unternehmerrisikos. Die Bezahlung von Gehältern bis zur Höhe tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen kann dabei nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden.“
Was die katholische Kirche und die Caritas zur Rechtfertigung ihrer ablehnenden Position anführen sind nichts anderes als Fakenews.
Der Sprecher der Caritas Mitarbeiterseite Thomas Rühl, erklärte am 26.2.2021:
"Wir bedauern die mangelnde Solidarität der Caritas-Dienstgeber. Ein allgemeinverbindlicher Tarif Altenpflege hätte für tausende zumeist bei privaten Anbietern beschäftigte Menschen ein Ende von Dumpinglöhnen bedeutet. Die Caritas Mitarbeiterseite wollte, dass auch in der übrigen Branche gute Mindestbedingungen herrschen – dieses gesellschaftlich wichtige Projekt ist nun ausgerechnet an den Dienstgebern der Caritas gescheitert“.
Wir fordern deshalb: Tarifvertrag in der Altenpflege!"