Die Spargelsaison ist eröffnet

Wie ist die Lage der Erntekräfte?

In Südhessen wurde am 8.4. offiziell die Spargelsaison eröffnet. Viele Menschen freuen sich auf das Gemüse, soweit sie es sich leisten können. Auf den Feldern sind schon die Erntehelfer*innen zu sehen, die den Spargel stechen. An den bekannten Stellen in Darmstadt und Umgebung stehen die Buden, in denen der Spargel zum Verkauf angeboten wird. Die Arbeitsbedingungen der Saisonarbeitskräfte geraten allerdings schnell aus dem Blick. Im Schnitt arbeiten rund 280.000 Erntehelfer im Jahr in Deutschland, sie stechen nicht nur Spargel, sondern ernten auch Erdbeeren und Gurken und übernehmen die Weinlese.

Als „staatlich verordnetes Sozialdumping“ bezeichnet der Vizechef der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt Harald Schaum die Absicht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales sowie der Bundesagentur für Arbeit, rund 5.000 Georgier*innen für die Spargelernte in diesem Jahr einzusetzen. „Da man für die Knochenarbeit wohl in der EU nicht mehr fündig wird, holt man sich jetzt im Verbund mit den landwirtschaftlichen Arbeitgebern Kräfte aus einem Drittstaat. Und das ,Beste´ ist, sie müssen für ihre Hin- und Rückflüge auch noch selbst aufkommen“, sagt Schaum, der für den Bereich Agrar bei der Gewerkschaft zuständig ist. Nach einer Richtlinie der EU kann die Bundesregierung den bäuerlichen Betrieben vorschreiben, die Reisekosten für die Erntehelfer zu übernehmen. Schon seit langer Zeit wehrt sich die IG BAU dagegen, dass sogenannte Saisonarbeitskräfte aus dem Ausland 70 Tage, im vergangenen Jahr waren es sogar 115 Tage, in Deutschland arbeiten, ohne sozialversichert zu sein. Zudem bekommen sie lediglich den Mindestlohn in Höhe von 9,50 Euro die Stunde, von dem noch Abzüge möglich sind. „Es ist immer wieder dasselbe: Die Erntebetriebe versuchen an den Lohnkosten zu sparen, wie es irgendwie nur geht, um noch höhere Gewinne zu erzielen. Und der Staat hilft auch noch dabei“, sagt Schaum.

Keine Sozialversicherung

Das Peco-Institut, eine gewerkschaftliche Bildungseinrichtung beklagt die laxen Regelungen für Saisonkräfte, die „hier zum Beispiel 70 Tage im Jahr arbeiten, ohne dass der Bauer für sie Sozialabgaben zahlen muss. In Belgien oder Österreich müssen Helfer direkt am ersten Tag bei der Sozialversicherung angemeldet werden. Der Zoll kontrolliert bei uns zwar grundsätzlich, ob der Mindestlohn eingehalten wird. Aber es fehlt das Personal, um die Betriebe wirklich flächendeckend zu überprüfen. Dazu kommt, dass im Ausland die Mindestlöhne für die Helfer höher sind.“.

Die Initiative „Arbeitsunrecht in Deutschland“ stellt zum fehlenden Versicherungsschutz fest: „Eine sozialverischerungsfreie Beschäftigung heißt für die Erntehelfer*innen, dass sie keine Rentenansprüche aufbauen. Es heißt im schlimmsten Fall aber auch, dass sie für medizinische Behandlung oder Krankenhausaufenthalte selbst zahlen müssen. Dazu kommt: ohne gelben Schein gibt keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall – und damit also eine ganz Reihe Gründe, auch bei großen Beschwerden keinen Arzt aufzusuchen. Das bringt, insbesondere während der Pandemie, die Wanderarbeiter:innen selbst in Gefahr. Ist aber auch unappetitlich und möglicherweise auch für Kunden gesundheitsgefährdend.“

Unzureichender Coronaschutz

Die Initiative "Faire Landarbeit" appelliert an die Bauern, ihre Saisonarbeiter angemessen vor dem Coronavirus zu schützen. Die Fehler des vergangenen Jahres dürften nicht wiederholt werden,“ (proplanta, 6.4.2021)

Diese prangerte an, dass es den Landwirten weiterhin erlaubt sei, bis zu acht Saisonkräfte in einem Zimmer unterzubringen. Dies ein problematischer Doppelstandard zwischen dem Schutz der hiesigen Bevölkerung und dem Schutz der Saisonarbeiter. Unter diesen Bedingungen könne es zu erneuten Corona-Ausbrüchen in landwirtschaftlichen Betrieben kommen.

Reinhard Raika
09.04.2021