Erfolg für die Bürgerinitiativen in Darmstadts Norden

Ackerflächen in Wixhausen-Ost und Arheilgen-West bleiben erhalten
Erhard Schleitzer

Der lange und zähe Kampf der Interessengemeinschaft Arheilger Bürger (IGAB) und ihrer Projektgruppe AKW (Arheilgen-Kranichstein-Wixhausen) hat sich gelohnt. Die Ackerflächen in Wixhausen-Ost und Arheilgen-West werden nicht mehr als mögliche Gewerbegebiete ausgewiesen.

Begonnen hat die Auseinandersetzung mit der Vorlage des Masterplans Darmstadt 2030+ im September 2020. Der Masterplan soll eine Leitlinie für die Stadtentwicklung Darmstadts sein und er geht von einem forcierten Wachstum der Stadt von 160.000 Einwohner*innen im Jahr 2020 auf 184.000 Einwohner*innen im Jahr 2035 aus. Deshalb sei  „sicherzustellen, dass nach wie vor Standorte und Flächen für produzierendes Gewerbe und Industrie in der Stadt mit Planungssicherheit vorgehalten und angeboten werden.“ Im Osten Wixhausens und im Westen Arheilgens werden insgesamt 230 Hektar Ackerflächen als „Potentialfäche“ für Gewerbegebiete ausgewiesen. Der gesamte Masterplan ist Ausdruck einer hemmungslosen Wachstumsideologie, die für eine Grün-geführte Stadtregierung eigentlich ein absolutes no-go sein müsste.

Gegen diese Pläne machte die IGAB mobil mit mehreren Aktionen und kleinen Demonstrationen, auch vor dem Stadtparlament. Mehr als 4000 Bewohnerinnen und Bewohner aus Arheilgen und Wixhausen unterstützen eine Petition gegen die Bebauungspläne. Ein großer Mobilisierungserfolg, wie die IGAB hervorhebt: „Die Größenordnung lässt sich einordnen, wenn man zugrunde legt, dass es hier ca. 10 000 Wahlberechtigte gibt von denen normalerweise etwa 6600 ihre Stimme abgeben.“

Ergebnisse des Klimagutachtens wurden verheimlicht

Bereits im Jahr 2016 hat die Stadt Darmstadt von einem externen Büro ein Klimagutachten erstellen lassen. Das Gutachten wurde aber bis Juni 2022 unter Verschluss gehalten. Auf eine Anfrage der Stadtverordnetenfraktion der Linken, weshalb des Gutachten nicht öffentlich einsehbar sei, antwortete Klima- und Planungsdezernent Kolmer, dies sei eine Entscheidung seiner Vorgängerin Boczek gewesen, die er „respektiere“. Das Gutachten habe außerdem „missverständliche Inhalte“ und es könne „falsch interpretiert“ werden. Doch der öffentliche Druck wurde so groß, dass der zukünftige Oberbürgermeisterkandidat der Grünen schließlich einer Veröffentlichung zustimmten musste.

Die AKW-Projektgruppe studierte das Gutachten genau, und kam zu dem Ergebnis: „Das Untersuchungsgebiet Wixhausen-Ost wurde vollflächig in die Kaltluftentstehungsgebiete gelegt.“ Die geplanten Gewerbeflächen würden die Flussrichtung der Kaltluft von Osten über die Silzbachaue unterbinden und somit das Stadtklima in Darmstadts Norden wesentlich verschlechtern. Der Kaltluftabfluss  wird in dem Klimagutachten bezeichnet „als besonders schützenswert , da er in Zukunft eine noch höhere Bedeutung für das Stadtklima Darmstadts haben wird.“

Legt man die Karten des Masterplans 2030+ und des Klimagutachtens übereinander, erkennt man sofort die desaströse Planung für die „Räumliche Entwicklungsstrategie für Darmstadt“ (so der Untertitel zum Masterplan 2030+).

Bewusste Irreführung der Darmstädter Öffentlichkeit?

An der Entwicklung uns Ausarbeitung des Masterplans 2030+ war der langjähriger Leiter des Amtes für Wirtschaft und Stadtentwicklung Michael Kolmer verantwortlich beteiligt. Bis vor Kurzem befürwortete er die ausufernde Bebauung in Darmstadts Norden und die Überwärmung der Innenstadt durch weitere Verdichtungen. Und dieselbe Person Michael Kolmer verhinderte als Planungsdezernent weiter die Veröffentlichung des Klimagutachtens und wollte damit die Darmstädter Bürgerinnen und Bürger vor „missverständlichen Inhalten“ schützen. Auch die Aussage, die Nichtveröffentlichung des Gutachtens sei eine Entscheidung seiner Vorgängerin Boczek gewesen, die er „respektiere“, ist nicht mehr haltbar. Nach vorliegenden Informationen hat Frau Boczek dieser Aussage widersprochen und fest gestellt, dass sie sich nicht gegen eine Veröffentlichung des Gutachtens ausgesprochen habe.

Fazit

Gut, dass es solche Bürgerinitiativen wie die IGAB gibt, die eine kontinuierliche Arbeit in ihrem Stadtteil machen. Gut das es Projektgruppen wie die AKW (Arheilgen, Kranichstein, Wixhausen) gibt, die mit viel fachlichem Knowhow und Wissen die Planungsvorhaben der Stadt und die Gutachten durchsehen und bewerten und ihre Ergebnisse einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Und nicht zuletzt ist es gut, dass es engagierte Bürger*innen aus Arheilgen und Wixhausen gibt, die sich gemeinsam gegen städtebaulich und ökologisch unsinnige Projekte wehren. Dieses Zusammenwirken ist beispielhaft für zukünftige Auseinandersetzungen für eine klimaangepasste Stadt.

 

Auszüge aus der „mißverständlichen“ Klimaanalyse der Stadt Darmstadt des Instituts für Klima- und Energiekonzepte (INEK) von Oktober 2016

Die nördlichen und südlichen Kaltluftentstehungsgebiete versorgen die Stadtteile Wixhausen, Arheilgen und Eberstadt ausreichend, während Darmstadt und speziell die  Innenstadt und großflächige Gewerbe/‐Industriegebiete stark überwärmt sind. (S. 70)

Die großzügigen landwirtschaftlich genutzten Flächen in Wixhausen, Arheilgen und  Darmstadt-West besitzen eine hohe Klimaaktivität und produzieren viel  Kaltluft, die allerdings nur im geringen Maße die überwärmten innerstädtischen Gebiete entlasten können. (S.74)

Der Kaltluftabfluss erleidet somit nahezu keine Einschränkungen und gilt demnach als besonders schützenswert, da er in Zukunft eine noch  höhere Bedeutung für das Stadtklima Darmstadts haben wird. (S: 52) 

12.09.2022