„You’ll never walk alone"

Bewegung im Einzelhandel: Streik- und Aktionstag am 31. Mai in Darmstadt

Vielfältig waren die Forderungen der Beschäftigten des Einzelhandels bei einer Demonstration am 31.5. in Darmstadt. Vielfältig sind aber auch die Probleme, denen sie sich derzeit gegenübersehen.

So haben die Arbeitgeber in Hessen zum 30.4. des Jahres den Manteltarifvertrag gekündigt.  Damit  wollen sie die tariflichen Leistungen (Zuschläge, Arbeits- und Freizeitplanung) abschaffen oder verschlechtern, die Bezahlung von Kassierer_innen senken, die Aufstiegschancen von „Ungelernten“  beseitigen, eine Niedriglohngruppe für Auffüller_innen einführen. Gleichzeitig stehen die Verhandlungen für Löhne und Gehälter an. Und um das Maß voll zu machen, kündigte Karstadt an, für zwei Jahre eine „Tarifpause“ einzulegen, d.h. vereinbarte Lohnerhöhungen nicht umzusetzen.

Aus Sicht von ver.di  gibt es also Gründe genug, die Beschäftigten zum Protest aufzurufen. Dies geschah für den 31.5. in Darmstadt. Aufgerufen zum Streik wurden die Beschäftigten von Karstadt in Darmstadt und Viernheim,  Hennes & Mauritz (H&M) in Darmstadt, Frankfurt-Hessencenter, Weiterstadt (Loop 5), Wiesbaden und Viernheim; Praktiker in Rüsselsheim; Real in Groß-Gerau, Pfungstadt, Raunheim und Rüsselsheim.  Bei  Karstadt in Frankfurt verließen die Streikenden um 11 Uhr ihre Arbeitsplätze und fuhren mit dem Bus nach Darmstadt. 

Für die Streikenden ist das Zurückgewinnen der Tarifbindung von Karstadt die zweite Seite der Medaille der branchenweiten Abwehr der Tarifflucht, die von den Arbeitgebern durch die Kündigung des Manteltarifvertrages beabsichtigt ist. „You’ll never walk alone“, das sollte die Botschaft der Streikenden an die Beschäftigten von Karstadt sein.

Die Forderungen von ver.di für die Beschäftigten des Einzelhandels sind der Erhalt des Manteltarifvertrags in seiner jetzigen Form und  die Erhöhung der Gehälter und Löhne um 1 € je Stunde sowie der Ausbildungsvergütungen um 50 Cent je Stunde. Die Anerkennung der Tarifverträge und damit die Übernahme der Lohnerhöhungen durch Karstadt ist eine weitere Forderung.

An den Streiks beteiligten sich etwa vierhundert Beschäftigte.  Dreihundert davon versammelten sich im Darmstädter Gewerkschaftshaus. Zusammen mit Unterstützerinnen und Unterstützern aus anderen Bereichen zogen sie in einem Demonstrationsmarsch in die Innenstadt und durch die Fußgängerzone, vorbei an betroffenen Betrieben. Unterstützung  bekamen die Streikenden von unerwarteter Seite: Schon im Gewerkschaftshaus wurde verkündet, dass in Frankfurt durch Aktionen der Blockupy-Bewegung der Geschäftsbetrieb auf der Zeil stark beeinträchtigt wurde und Karstadt sowie Primark daraufhin seine Tore schloss. Diese Nachricht wurde mit Jubel quittiert.

Für Horst Gobrecht, bei ver.di Südhessen als Gewerkschaftssekretär zuständig für den Handel, war der Aktionstag ein Erfolg. „Wir haben erlebt, dass sich mehr Beschäftigten an den Streiks beteiligten als in früheren Tarifkämpfen. Wir wollten die Forderungen und den Protest an die Öffentlichkeit bringen, was sehr gut gelungen ist. Und wir wissen auch, dass gerade solche öffentlichen Aktionen den Unternehmen nicht  ‘schmecken‘, weil sie ihr mit viel Geld aufpoliertes Image ankratzen.“  Weitere Aktionen sind geplant, so z.B. am 5.Juni bei Real-Betrieben in Frankfurt.

Am 10. Juni findet die für Hessen erste Tarifverhandlung statt. Horst Gobrecht kündigte eine „qualitativ neue Stufe des Tarifkonflikts“ an, wenn dort kein Umdenken der Unternehmer festzustellen sein sollte.  Bei der bundesweit erkennbar straffen Koordination des Unternehmerlagers in dieser Tarifrunde sei dies allerdings kaum zu erwarten.

Reinhard Raika
02.06.2013
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