Tilman Döring - ein Darmstädter Künstler

Ein Vorsprechtermin mit Siehsmaso

Tilman Döring wurde 1989 in Leipzig geboren und ist seit 1996 in Darmstadt beheimatet. Seit 2005 bereist er als Slam-Poet und Hansdampf in allen Gassen die Bühnen der Republik. Es führte ihn von Poetry Slams auf diverse Kabarett- und Theaterbühnen, auf denen er zum Beispiel für das Staatstheater Darmstadt den Osterspaziergang aus Goethes "Faust" in eine moderne Fassung bringen und performen durfte. Er war als Gastautor in Liepaja auf den lettischen Literaturtagen geladen und hier und da im Fernsehen zu beobachten. So kam es, dass er einen WDR-Poetry-Slam gewann und bei der Slamtour mit Kuttner auftrat. Seine Veröffentlichung in der Reclamausgabe "Slam Poetry für Schülerinnen und Schüler" ist seine erste und, neben seinem Buch, bisher größte. Seit Jahren verteten auf den deutschen Poetry-Slam-Meisterschaften erreichte er zweimal das Halbfinale und stand einmal im Finale des U20-Wettbewerbs.

Mit Egon Alter veranstaltet er die Lesebühnenkleinkunstshow "Vorsprechtermin" in Darmstadt.

Sein erstes Buch "Lass uns feiern, Malou" ist mehr als nur eine lose Sammlung der unterschiedlichsten Texte aus fünf Jahren Poetry Slam, sondern erzählt viel mehr seine Geschichte.

 

Ein paar Worte mit Tilman

Siehsmaso: Tilman, Du lebst seit fünfzehn Jahren in Darmstadt. Dein erster größerer Auftritt war 2005 im „603 qm“ in Darmstadt. Wie siehst Du die Stadt Darmstadt als Kunstschaffender?

Tilman: Was mir an Darmstadt gefällt ist, obwohl es ja eine relativ kleine Stadt ist, ihre große Vielfalt an freier Kultur. Es gibt überall kleine Theater und jede Menge Proberäume für junge Künstler. In Darmstadt wurde unter anderem auch der „Science Slam“ (Poetry Slam für Wissenschaften) ins Leben gerufen und erfreut sich heute weltweiter Beliebtheit. Was mir eher negativ auffällt ist dass von der Stadt Kulturmonopole geschaffen werden und kleinere Institutionen weniger gefördert werden. Auch mangelt es an Kommunikation und Zusammenarbeit jener Kunstschaffenden.

Siehsmaso: Man hat dich lange im Hoffart-Theater wirken sehen können und in der letzten Zeit waren die Central Station und der „Ponyhof“ deine Bühne. Wie sieht es in näherer Zukunft aus?

Tilman: Mit dem „Ponyhof“ laufen die Events prima und werden weiter stattfinden. Außerdem gibt es ab dem 01.09.2012 dieses Jahres regelmäßig jeden Monat einen Poetry Slam im Saal der „Goldenen Krone“.

Siehsmaso: Du engagierst dich auch gegen Rechts als Botschafter der Initiative „Respekt – kein Platz für Rassismus“.

Tilman: Ja, ich bin seit 2010 Botschafter für diese Initiative und habe unter anderem das Gedicht „Hände zum Gruß“ für diese geschrieben. Ich würde mich auch freuen euch dieses zur Verfügung zu stellen.

Siehsmaso: Tilman, wir danken dir dafür und für dieses Gespräch.

 

Hände zum Gruß

Es ist ein reißender Faden in unser'm Band der Geschichte,
es bleiben unheilbare Narben am Rand der Berichte.
Ich höre es täglich beim Checken der News,
es heben angeblich noch immer Menschen ihre Hände zum Gruß.
Es ist ein Treten und Schlagen im scheinbar nie endendem Loop,
vergebens sind Fragen nach Sinn, Schuld und wer sowas tut.
Es geht nicht darum, Täter und Opfer beim Namen zu nennen,
sondern darum den Grund für all diese Taten zu kennen.
Der Grund liegt am Grund des Gewässers aus Angst,
die Vernunft scheint geknebelt durch Messer und Gun's.
Ertränkt in dem Sumpf aus und verendet im Schlamm,
der schmierig den Schein überdeckt, es herrsche noch Frieden im Land.
Es ist ein bleibender Fleck auf unser'm weißen Trokot,
aus Hass zu dem Andern, doch ich weiß nicht wieso
und was soll es bedeuten, dass alles an Bedeutung verlor,
was einst sie uns lehrten von Gleichheit im einig singendem Chor.
Es steht ein Mann wie ein Baum in unser'm heiligen Tor
und lässt keinen rein, geschwigedenn vor
und alles was drin ist muss raus zu den Ander'n,
das Schiff auf das Meer, doch bloß nicht hier ankern.
Es ist leichter, Steine zum Schmeißen zu neh'm,
als die zweite Seite der Schneide zu seh'n.
Man braucht keine Tafel um in der Kriede zu steh'n
und es braucht kein Geschwafel um überall Feinde zu seh'n.
"Der Eine klaut mir das Auto, der Andre das Geld und die Frau!"
Doch hast du die Frau doch betrogen und das Geld gabst du aus,
deshalb hast du das Auto verkauft und haust nun auf den Anderen drauf.
Es ist ein tägliches Spiel und startet stetig von Neu
ich höre es täglich beim Checken der News,
es heben angeblich noch immer Menschen ihre Hände zum Gruß!

Nick Kreickenbaum
31.10.2012
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