Tarifrunde Telekom und T-Systems

ver.di Betriebsgruppen in Darmstadt waren aktiv dabei

Tarifrunden sind für die meisten Menschen Ereignisse, die sie allenfalls aus Zeitungen oder Nachrichtensendungen kennen: Spitzenvertreter der Unternehmerverbände und der Gewerkschaften treffen sich in noblen Hotels und handeln für die Beschäftigten einer Branche Löhne oder Arbeitszeiten aus. Wenn die Verhandlungen abgeschlossen sind, wird den Betroffenen das Ergebnis über die Massenmedien mitgeteilt.

Bei den diesjährigen Tarifverhandlungen bei der Telekom und deren Tochtergesellschaft T-Systems war es das erklärte Ziel, dass die Mitglieder der ver.di-Betriebsgruppen Tarifpolitik ein Stück weit mitgestalten sollten. Hierzu wurde ein sogenannter „Beteiligungsprozess“ eingeführt, mit dem die aktive Beteiligung der Mitglieder an der Tarifrunde sichergestellt werden sollte. Es gibt eine Betriebsgruppe Telekom und im Bereich der T-Systems. Aus den Erfahrungen des letzten Jahres und aufgrund der Ankündigungen des Arbeitgebers waren sie auf eine lange und konfliktreiche Lohnrunde vorbereitet. Der Telekom-Vorstand wollte tatsächlich eine Nullrunde durchsetzen, da für Lohnerhöhungen kein Spielraum vorhanden sei. „Eine solche Auseinandersetzung ist nur dann erfolgreich durchzustehen, wenn von Anfang an möglichst viele Beschäftigte eingebunden sind und während den Verhandlungen Aktivitäten zeigen“, sagt Rainer Keil, der Vorsitzende der Betriebsgruppe Telekom in Darmstadt.

Die Vorbereitung Die Tarifverträge für die Telekom liefen zum 31.1.2012 aus, die für T-Systems bereits am 31.12.2011. Für die Betriebsgruppen begann die Tarifrunde aber schon im Oktober. Da wurde auf einer gemeinsamen Mitgliederversammlung der Betriebsgruppen diskutiert, welche Forderung aufgestellt werden sollte. Die Mitglieder forderten eine Lohnerhöhung von acht Prozent. Die Forderungsempfehlung der ver.di-Tarifkommission war sechs Prozent. Da die Erwartung auch bei anderen Betriebsgruppen höher war, lag die endgültige Forderung dann bei 6,5 Prozent.

An allen Telekom-Standorten wurde ein sogenanntes „Beteiligungsteam“ gebildet, welche die Aktivitäten vor Ort planen und durchführen sollten. In Darmstadt setzte sich dies aus Vertretern aller Betriebsgruppen der zusammen.

Im Januar dieses Jahres begannen schließlich die Verhandlungen. Die Telekom-Verhandlungskommission legte in diesen Verhandlungen überhaupt kein Angebot vor, sondern erklärte lang und breit, es gebe für Lohnsteigerungen keinen Spielraum und wollte eine Nullrunde durchsetzen. Diese Haltung nahmen die Unternehmensvertreter auch in den beiden darauf folgenden Verhandlungsrunden ein. Die meisten Beschäftigten empfanden dies als Provokation, zumal eine Auszahlung von 3,4 Mrd. Euro an die Aktionäre beschlossen wurde.

Viele Mitglieder des Beteiligungsteams und der Betriebsgruppen verstanden in dieser Phase nicht, weshalb die „Zentrale Arbeitskampfleitung“ (ZAKL) von ver.di nicht schon zu diesem Zeitpunnkt zu deutlichen Protesten und Warnstreiks aufgerufen hatte. Damit das Interesse am Thema bei den Beschäftigten nicht abflaute und die provokatorische Haltung des Konzernvorstands unter den Beschäftigten bekannt gemacht werden konnte, initiierte das Darmstädter Beteiligungsteam eine Unterschriftensammlung. Über 1000 Telekombeschäftigte des Standorts protestierten mit ihrer Unterschrift gegen die beabsichtigte Nullrunde. Der Betriebsgruppe war bewusst, dass es Unterschriften alleine nicht vermögen, die Kräfteverhältnisse zu verändern. „Durch die Unterschriftensammlung hatten wir aber die Möglichkeit mit den Kolleginnen und Kollegen über die Arbeitgeberhaltung zu reden und sie auf weitergehende Aktionen vorzubereiten“, sagte Thomas Frischkorn von der Betriebsgruppe T-Systems.

Der Kampf beginnt Erst im Vorfeld der vierten Verhandlungsrunde Ende April wurde zu Arbeitsniederlegungen aufgerufen. An insgesamt sechs Tagen gab es Warnstreiks, davon vier ganztägige. Dies war für die Betriebsgruppen die Zeit der höchsten Aktivität: Morgens wurden vor den Betrieben die Streikaufrufe verteilt. Allerdings können so nicht alle Kolleginnen und Kollegen erreicht werden. Deshalb nutzt das Beteiligungsteam auch andere Formen der Kommunikation. Die Beschäftigten konnten auch über einen Email-Verteiler und per SMS über bevorstehende Warnstreiks informiert werden.

Streiklokal war im Gewerkschaftshaus oder in der Kantine des Telekom-Geländes. Hier konnten sich die Streikenden in die Streikliste eintragen, damit sie das Streikgeld erhalten. Es gab Kaffee, Brötchen und Informationen über den letzten Stand der Verhandlungen und über weitere geplante Maßnahmen.

Um der Informationspolitik des Unternehmens im Telekom-Intranet etwas entgegensetzen zu können, wurde die Website der Telekom-Betriebsgruppe ( da-verdi.net ) neu gestaltet, so dass Informationen schneller veröffentlicht werden konnten. Hier es für die Interessierten Informationen über den Verlauf der Verhandlungen und über geplante Aktionen.

Am 24. April organisierte das Beteiligungsteam Busse für eine zentrale Demonstration in Düsseldorf, wo zu diesem Zeitpunkt die Verhandlungen stattfanden. 10.000 Menschen protestierten hier gegen die Haltung des Vorstands. Am 27. April gab es eine Demonstration in Darmstadt mit 1.500 Teilnehmern.

Das Ergebnis Am Wochenende danach einigte sich ver.di mit der Telekom auf einen Kompromiss: In drei Stufen sollen die Gehälter über einen Zeitraum von zwei Jahren um 6,5 Prozent angehoben werden. Auf einer Mitgliederversammlung hatten die ver.di-Mitglieder Gelegenheit, dieses Ergebnis zu diskutieren. Das Stimmungsbild war nicht einheitlich. Zum Teil wurde es als Erfolg gewertet, dass die Pläne des Vorstands zu einer Nullrunde durchkreuzt werden konnten. Andererseits gab es aber auch Kritik sowohl an der langen Laufzeit als auch an der Höhe des Abschlusses. Die ursprüngliche Forderung war 6,5 Prozent für 12 Monate. Wenn die 6,5 Prozent nun auf 24 Monate gestreckt werden, ist das gerade mal die Hälfte und kaum geeignet die erwartete Inflationsrate auszugleichen.

Gegenstand der Kritik war auch die Art und Weise, wie die Große Tarifkommission zu ihrer Entscheidung kam: Für viele zu schnell und ohne Reaktionen aus den Betriebsgruppen abzuwarten. Den Anspruch, mit dem Beteiligungsprozess die Mitgestaltung der Mitglieder zu fördern, sehen viele hier nicht erfüllt. Dies gilt auch für die Planung des Arbeitskampfes. Hierauf Einfluss zu nehmen und die spezifischen Bedingungen vor Ort zu berücksichtigen, das fehlte vielen Mitgliedern. Die Kommunikation lief hier nur von oben nach unten.

Kritisch gingen die Mitglieder aber auch mit der eigenen Arbeit um: „Im Bereich der technischen Services sind wir sehr kampfstark. In anderen Bereichen konnten wir gegenüber den vorherigen Jahren zwar mehr Leute zum Streik mobilisieren, doch haben wir hier noch ein großes, nicht genutztes Potential. Aber auch in diesen Betrieben müssen die Leute verstehen, dass die Ergebnisse der Tarifrunde Resultat der Kräfteverhältnisse sind und diese von ihrem eigenen Verhalten abhängen. Dies wird für unsere Betriebsgruppe und für unsere Vertrauensleute die zentrale Aufgabe der nächsten Zeit sein.“ Das ist das Resümee von Rainer Keil zur diesjährigen Tarifrunde. Auch bei T-Systems wird es darum gehen, die gewerkschaftlichen Strukturen zu festigen und die Notwendigkeit von Arbeitskämpfen im Bewusstsein der Beschäftigten zu verankern.

Reinhard Raika
03.07.2012
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