Der 8. Mai muss ein Feiertag sein

Fahrradtour zum Gedenken an das Ende des Faschismus

Auch dieses Jahr trafen sich wieder zahlreiche Radlerinnen und Radler zum Gedenken an das Ende des Faschismus. Am 8. Mai 1945 ging mit dem Kriegsende zugleich die Gewaltherrschaft des „Nationalsozialismus“ zu Ende. Die Linke der Kreisverbände Darmstadt und Darmstadt-Dieburg erinnert an dieses Datum seit nunmehr sechs Jahren mit einer gemeinsamen Radfahrt zu einem der Denkmale, die an Menschen erinnern, die Opfer dieses menschenverachtenden Systems geworden sind.

Ernst Hilmer, der diese Friedensfahrt seit Jahren organisiert, begrüßte die Gruppe der Radler und Radlerinnen, die sich am Donnerstag, den 5. Mai auf dem Marktplatz in Griesheim zu früher Stunde eingefunden hatte. In einer kurzen Ansprache erläuterte er, wie es zu dieser Idee der Friedens-Rad-Fahrten kam, die jährlich an einem dem 8. Mai - nahen Sonn- oder Feiertag durchgeführt werden.

Nahezu in allen europäischen Ländern, die ebenso wie Deutschland unter dem Nazi-Terror zu leiden hatten, wird der 8. Mai als Feiertag begangen. Schließlich war dies der Tag, auf den Millionen von Menschen gehofft hatten: Jene, die in den Konzentrationslagern überlebt hatten und ihre Befreiung ersehnten, die Soldaten aller Seiten, die in diesem vom verbrecherischen NS-Regime geführten Eroberungskrieg auf den Tag ihrer Heimkehr in ihre Familien warteten, die Frauen und Männer, die im Untergrund oder im offenen Kampf unter dem Einsatz ihres Lebens dem Regime Widerstand geleistet hatten. In diesem Krieg, in dem es um die Unterwerfung und Auslöschung ganzer Nationen und Ethnien ging, verloren 50 Millionen Menschen ihr Leben.

Wenn Europa sich zu seiner eigenen Vergangenheit nicht verantworte und die Länder nicht bewusst zu ihrem geschichtlichen Versagen wie auch zu ihren Erfolgen stünden, könne das Projekt eines friedfertigen, sozialen und solidarischen Europas nicht gedeihen. Faschismus sei Abwertung anderer, anderer Menschen, anderer Völker. So hatte es der französische Philosoph Albert Camus einmal ausgedrückt. So ist der 8. Mai auch eine Mahnung gegen Fremdenfeindlichkeit und für Solidarität unter den europäischen Völkern. Der 8. Mai müsse ein gemeinsamer deutscher - und europäischer  Feiertag sein!

War das Ziel der Gedenkfahrt in den vorangegangenen Jahren Osthofen, wo sich das erste Konzentrationslager auf hessischem Boden befand und viele,  vor allem politische Widerstandskämpfer aus Darmstadt und Umgebung eingekerkert waren, so sollte es diesmal zu einer Gedenkstätte in  (Mörfelden-) Walldorf gehen.  Dort waren in der dortigen Konzentrationslager – Außenstelle im Kriegsjahr 1944 bis zu 1700 jüdische Frauen und Mädchen ungarischer Herkunft kaserniert, um für die deutsche Kriegsmaschinerie Rollfelder zu bauen.

Gleich zu Anfang der Fahrt wies Ernst Hilmer auf eine Gedenktafel hin, die am sogenannten Kochschulhaus in Griesheim angebracht ist. Es ist eine Erinnerung an die Lehrerin, Dichterin und Schriftstellerin Elisabeth Langässer.  Sie war Halbjüdin, ihr Vater war zum katholischen Glauben konvertiert.  1929 wird sie schwanger – und wird vom hessischen Staatsdienst entlassen. In gutem Glauben – wie sie später bekannte – wählt sie im März 1933 noch die NSDAP. 1936 – das Jahr,  in dem ihr Roman „Gang durchs Ried“ erscheint, wird sie aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen und bekommt Berufsverbot. 1943 verschleppt die Gestapo ihre 14 –jährige Tochter Cornelia, deren Vater jüdischer Herkunft ist. Das Kind überlebt das Konzentrationslager Auschwitz.

Die erste Station der Friedensfahrt ist die „Lumpenmühle“ -  im Volksmund auch „Hitlermühle“ genannt, weil sich hier in den 20er Jahren die damals noch verbotenen „Braunhemden“ trafen.  Heute ist es ein Kroatisches Restaurant. Es ist der Schauplatz  eines Kapitels aus dem Roman „Gang durchs Ried“ – der Ort, an dem der Protagonist, ein staatenloser Landstreicher, auf die Umtriebe in dem Gasthaus aufmerksam wird.

Die Fahrt mit der Friedenstaube ging weiter durch die Orte Büttelborn, Klein Gerau, Worfelden, Mörfelden. Am Gedenkstein in Walldorf wartete schon die Leiterin des Heimat- und Geschichtsvereins, Frau Rühlig. Sie hatte den Gedenkpfad durch das ehemalige Lager zusammen mit Lehrer-innen und ihren Schüler-innen aufgebaut. Auf zahlreichen Tafeln ist die Geschichte dieses Ortes und das persönliche Schicksal der verschleppten Frauen eindrucksvoll dokumentiert. Unvergessen bleibt den Friedensradfahrern aber auch die persönlichen Erfahrungen, die Frau Rühlig von den Begegnungen mit den wenigen Überlebenden  zu erzählen weiß – und von dem Engagement der Schüler und Schülerinnen, die in langjähriger geduldiger Kleinarbeit den Leidensweg dieser Frauen der Vergessenheit entrissen haben.

Nach einer Einkehr in der Gartenwirtschaft „Grundhof“ ging der Weg diesmal  zurück über das Naturschutzgebiet „Am Mönchsbruch“,  wieder zum Marktplatz in Griesheim.

Ernst Hilmer
10.05.2016
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