Zu Beginn des letzten Jahrhunderts gab es einen einheitlichen Begriff vom Imperialismus, auf den sich dessen Gegner wie Verteidiger einigten. Das westliche Bürgertum in Wirtschaft wie Politikwissenschaft bezog sich affirmativ auf den Imperialismus – es war stolz darauf, die Welt unter sich aufzuteilen und ökonomisch zu beherrschen. Marxisten wie Hilferding, Lenin und Luxemburg griffen diesen Begriff dann für ihre Imperialismus-Theorien in kritischer Absicht auf.
Heute mangelt es an einem einheitlichen und zutreffenden Imperialismus-Begriff. Sowohl Imperialisten als auch Antiimperialisten kritisieren stattdessen je nach Laune und Bedarf die verschiedensten Phänomene als "imperial" oder "imperialistisch" und benutzen den Begriff als bloßes moralisches Etikett. Für viele gilt bereits ein Krieg als untrügliches Symptom von Imperialismus.
Im Gegensatz zum Beginn des 20. Jahrhunderts ist der Imperialismus-Begriff heute ein rein negativer. Während er auf gegnerische Staaten immer noch häufig angewendet wird, bekennt sich kein Staat selbst mehr zu ihm.
Marlon Grohn wird in seinem Vortrag zu klären versuchen, was Imperialismus heute bedeutet und u.a. zeigen, dass er ein genuines Projekt des Westens ist, das auf Kolonialgeschichte wie Kapitalexport basiert und nur im globalen und historischen Rahmen zu fassen ist.