Jugendzentrum Oetinger Villa

Kein Ausspielen von Jugendgruppen gegeneinander!

Für den 1.1.2017 beschloss das Stadtparlament den Trägerwechsel in dem Jugendzentrum Oetinger Villa. Statt der Stadt soll nun der Verein Vielbunt neuer Träger sein. Vielbunt will queere Jugendarbeit (für Schwule, Lesben, Bisexuelle, Transgender und Transsexuelle) anbieten und sucht für seine Arbeit dringend Räume. Dieses Anliegen ist absolut unterstützenswert, aber: Wie die lautstarke Demonstration von Jugendlichen vor der Stadtverordnetenversammlung zeigte, befürchten bisherige Besucher des Jugendzentrums auf der Strecke zu bleiben.

Diese Jugendliche, viele von ihnen aus den sozialen Brennpunkten in Kranichstein, berichten dass rund 60 von ihnen das Jugendhaus regelmäßig nutzen. Die Altersspanne reicht vom frühen Teenageralter bis in die Mittzwanziger,  23 Nationalitäten sind vertreten, die meisten Jugendlichen haben einen Migrationshintergrund. Die Räume bedeuten für sie weit mehr, als nur die Möglichkeit des Tanztrainings. Sie verstehen sich ausdrücklich als eine Gemeinschaft, unabhängig davon, ob sie tanzen oder nicht. Für sie ist das Jugendhaus ein Ort, an dem sie sich zurückziehen können, füreinander da sind, sich unterstützen, kreativ werden, Hilfe bekommen und Beratungsangebote wahrnehmen. Ein Ort, an dem sie sich zuhause fühlen und der ihnen Halt gibt. Ein Ort, der ihnen nun genommen werden soll.

Legitime Interessen von zwei Jugendlichengruppen treffen aufeinander.

Da ist es schon erstaunlich, mit wie wenig Fingerspitzengefühl dieses Vorhaben mit offensichtlich vorhandenem Konfliktpotenzial seitens der Stadt angegangen wurde. Die Jugendlichen der Villa fühlen sich von den Vertreterinnen und Vertreter der Stadt nicht ernst genommen. Sie bekommen sogar den Eindruck, dass die Stadt darauf setzt, dass sie, die migrantischen Jugendlichen, schon keinen nennenswerten Widerstand leisten werden und das Ganze reibungslos über die Bühne zu bringen sei.

"Wir finden es bedauernswert, und diesen Eindruck haben wir sehr wohl, dass hier die Interessen zweier Gruppen, die beide berechtigte Anliegen haben, gegeneinander ausgespielt werden und die Stadtverordneten nun abwägen sollen, wen sie fördern möchten. Die vorwiegend migrantischen Jugendlichen, die als Gemeinschaft fallen gelassen werden, oder die lesbischen, schwulen, bi-, trans- und intersexuellen Jugendlichen, die dringend einen Ort als Gemeinschaft brauchen,"  erklärte Katharin Grabietz von der Linken.

„Neue Mehrheit“ im Stadtparlament stimmt den Antrag des Magistrats durch

In der folgenden Diskussion im Stadtparlament äußerten viele Abgeordnete Verständnis für den Protest der Jugendlichen. Dennoch wurde die Übertragung des Jugendhauses auf den neuen Träger mit den Stimmen von Grünen, CDU und Uffbasse beschlossen. Ein Ergänzungsantrag der Linken, dass die Stadt neue Räume für die Jugendgruppe des Jugendhauses Oetinger Villa zur Verfügung stellt, die es ihnen auch erlaubt, als feste Gemeinschaft weiterzubestehen, wurde nicht angenommen.

Auch die Gewerkschaft ver.di kritisiert die Politik der Stadt: „ Nun ist endlich klar, warum schon seit Jahren freie Stellen im Darmstädter Traditions- Jugendzentrum nicht mehr besetzt wurden und für kranke Mitarbeiter kein Ersatz organisiert worden ist. Das Konzept der städtischen Jugendarbeit soll sich nach dem Willen der grün-schwarzen Koalition grundlegend ändern. Die Stadt zieht sich zurück und legt die Jugendarbeit in private Hände – da gibt es keinen Platz mehr für das städtische Jugendhaus Oetinger Villa.“

Vielleicht zeigt die Demonstration der Jugendlichen und die anschließende kontroverse Diskussion im Stadtparlament doch noch eine verspätete Wirkung und es bildet sich  ein für beide Jugendlichengruppen annehmbarer Kompromis heraus.

Erhard Schleitzer
15.11.2016
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