Tarifverhandlung an der TU ausgesetzt

ver.di und GEW akzeptieren keine Schlechterstellung gegenüber Landesbeschäftigten

Nach fünf ergebnislosen Verhandlungsrunden haben die Tarifkommissionen von ver.di und GEW an der Technischen Universität Darmstadt beschlossen, die Verhandlungen über den Haustarifvertrag der TU Darmstadt auszusetzen. Der Hintergrund: Im Zuge der Hochschulautonomie der TU Darmstadt gilt seit 2010 für die knapp 4.500 Universitätsbeschäftigten ein eigener Tarifvertrag. Bisher wurde in Tarifverhandlungen zwischen den beiden Gewerkschaften und der TU Darmstadt das Ergebnis der Tarifrunden des Landes Hessen mit kleinen Abweichungen nachvollzogen. Nicht so jedoch in der laufenden Tarifrunde.

Das im März 2017 erzielte Tarifergebnis des Landes Hessen (TV-H) enthält eine hessenweite Freifahrtberechtigung für alle Landesbeschäftigten für das Jahr 2018. Genau an diesem Punkt haben sich nun die Verhandlungen an der TU Darmstadt festgefahren. Sowohl ver.di als auch die GEW haben deutlich gemacht, dass sie auch in diesem Punkt die gleichen Konditionen für die Mitarbeiter der TU vereinbaren wollen wie sie für den Rest des Landes Hessen gelten. „Es ist nicht einsehbar, warum eine Mitarbeiterin der benachbarten Hochschule Darmstadt, h_da, das Ticket erhalten wird, es einem TU-Beschäftigten jedoch vorenthalten werden könnte“, so der Verhandlungsführer der Gewerkschaften, Thomas Winhold von ver.di.

Die Universitätsleitung will die Zusage jedoch nur gewähren, wenn sie die Kosten für das Ticket vollständig vom Land Hessen refinanziert bekommt. „Sinn von Tarifverträgen ist es, verbindliche Regelungen zu treffen. Wir fordern die Universitätsleitung auf, von ihrer Tarifautonomie Gebrauch zu machen und uns ein verhandlungsfähiges Angebot zu machen – zumal der Präsident hochschulöffentlich erklärte, dass man das Ticket für die Mitarbeiter habe wolle", so Winhold weiter. 

Diese Situation wurde auch auf einer Personalversammlung am Freitag, dem 23.06. mit den Universitätsbeschäftigten diskutiert. In einer abschließenden aktiven Mittagspause zogen etwa 300 Beschäftigte vor die Mensa und die Präsidialverwaltung und gaben ihren Unmut kund. „‘Gleiches Geld für Gleiche Arbeit‘ bedeutet Freifahrtsrecht für TU Beschäftigte – das ist auch eine Frage der Wertschätzung. Wir sind dazu bereit, die Universitätsleitung noch öfter daran zu erinnern“ so eine Vertrauensfrau der Gewerkschaft.

Pressemitteilung von ver.di Hessen vom 26.6.2017​

 

Interview
"Beschäftigte müssten einseitig Risiken tragen"

Interview mit Thomas Winhold, Leiter des ver.di-Landesfachbereichs Bildung, Wissenschaft und Forschung in Hessen und Verhandlungsführer der Gewerkschaft an der Universität Frankfurt und der TU Darmstadt

Die Tarifverhandlungen für die Landesbeschäftigten in Hessen laufen üblicherweise nach folgendem Schema ab: Erst einigen sich die Gewerkschaften mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder auf Bundesebene, dann wird das Ergebnis für Hessen mehr oder weniger übernommen, am Ende unterzeichnen die Uni Frankfurt und die Technische Universität Darmstadt Haustarifverträge, die dem des Landes Hessen entsprechen. Warum ist das dieses Mal anders?

Das liegt vor allem an Besonderheiten des hessischen Tarifabschlusses. Unabhängig von den Forderungen, die die Gewerkschaften aufgestellt haben, beinhaltet der Vertrag für die Landesbeschäftigten, dass sie zunächst für 2018 eine Freifahrtberechtigung für den öffentlichen Nahverkehr in Hessen erhalten. Dies wirft die Frage auf, ob das auch in den Universitäten Darmstadt und Frankfurt gilt, die eigenständige Tarifverträge verhandeln. Die Uni-Leitungen wollen das Hessen-Ticket zwar auch für ihre Beschäftigten – aber nur, wenn es vom Land finanziert wird. Auch nach wochenlangen Verhandlungen zwischen Unis und Land ist das allerdings noch unklar.

Warum ist die Freifahrt im hessischen Nahverkehr für die Uni-Angestellten wichtig?

Das ist ein erheblicher geldwerter Vorteil, der je nach Wohnort und Arbeitsweg mehrere hundert Euro ausmachen kann. Das Ticket betrifft ja nicht nur den Weg zur Arbeit. Es ist auch verkehrspolitisch richtig, wenn Beschäftigte Busse und Bahnen nehmen und ihr Auto öfter mal stehen lassen.

Warum kann ver.di einen Tarifvertrag nicht davon abhängig machen, ob das Hessen-Ticket vom Land finanziert wird?

Das wäre eine einseitige Übertragung des Risikos auf die Beschäftigten. Ich kann zwar nachvollziehen, dass die Unis die Kosten refinanziert bekommen möchten – zumal das Land auch das Hessen-Ticket der Beschäftigten anderer Hochschulen bezahlt. Das Problem bestünde aber gar nicht, wenn die beiden Universitäten bei Tarifverhandlungen nicht auf ihrer Eigenständigkeit bestehen würden. Würde ein solcher Finanzierungsvorbehalt in die Tarifverträge aufgenommen, hinge es von den Verhandlungen zwischen den Universitäten und dem Land ab, ob die Beschäftigten ihre Leistungen bekommen. Die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften haben auf die Verhandlungen aber keinerlei Einfluss.

Zeigt der ganze Vorgang nicht, wie unsinnig eigenständige Tarifverhandlungen an den beiden Universitäten sind?

Absolut. Die Tarifverträge an der Frankfurter Goethe-Universität entsprechen eins zu eins denen des Landes Hessen. An der TU Darmstadt gibt es nur marginale Abweichungen. Inhaltlich ist die Tarifeigenständigkeit also überhaupt nicht gerechtfertigt. Unsere Befürchtung war immer, dass es durch die Eigenständigkeit zu Verschlechterungen für die Universitätsangestellten kommen könnte. Das bestätigt sich jetzt mit der Möglichkeit, dass die Freifahrtberechtigung so nicht tarifiert werden kann.

Ein anderer Punkt, an dem das Land Hessen einen Sonderweg gegangen ist, ist das sogenannte Burka-Verbot per Tarifvertrag. Was halten Sie davon?

Diese Forderung der hessischen Landesregierung war offensichtlich politisch motiviert. Die Tarifkommission der Technischen Universität Darmstadt lehnt das in dieser Form ab. Es deutet sich an, dass wir eine Einigung darüber finden können, wie wir im Haustarifvertrag der TU damit umgehen können. Allerdings sicher nicht so, wie das im Tarifvertrag der Landesbeschäftigten geregelt ist.Tatsächlich haben wir auch weder im Land Hessen noch an den Universitäten auch nur einen einzigen Fall feststellen können, wo eine Frau auf das Tragen der Burka bestand. Insofern ist davon auszugehen, dass die Regelung wegen der politischen Gesamtlage angestoßen wurde.

Wie geht ver.di im Tarifkonflikt nun weiter vor?

In Darmstadt haben wir erstmals seit Beginn der Tarifeigenständigkeit 2010 die Verhandlungen ohne einen weiteren Termin unterbrochen. Jetzt führen wir die Diskussion in der Belegschaft und unter den ver.di-Mitgliedern. Auf dieser Grundlage wird die Tarifkommission über das weitere Vorgehen entscheiden. In Frankfurt findet Ende Juni eine weitere Verhandlungsrunde statt. Wenn dabei ebenfalls nichts herauskommt, könnte der Konflikt auch in Frankfurt eskalieren.

Interview: Herbert Wulff in junge Welt vom 10.6.2017

www.jungewelt.de/artikel/312190.beschäftigte-müssten-einseitig-risiken...

 

 

ver.di Hessen
27.06.2017
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