Im Darmstädter Echo vom 14.06.2018 wird der neue Mietspiegel als „ein ganz gutes Signal“ bewertet, weil die Quadratmeterpreise „weniger stark ansteigen als zuvor“. Und für die Wohnungsdezernentin Barbara Akdeniz ist der neue Mietspiegel erfreulich, weil er den BürgerInnen verbindliche Vergleichszahlen liefert und somit die Mietpreisbremse beeinflusst (ebda:14). Diese Einschätzung verkennt, dass auch in Darmstadt die Mieten kontinuierlich weiter steigen und Mieten zum Luxus wird. Schon 2016 stand Darmstadt auf Platz 16 der 30 TOP-Städte mit dem höchsten Mietniveau (F+B Mietspiegelindex 2016). Die Auswertung des neuen Mietspiegels zeigt, dass die Mieten in Darmstadt im Durchschnitt von 2014 bis 2018 um über 8,5% gestiegen sind. Trotz der seit 2015 gültigen Mietpreisbremse konnte der Mietspiegel den Anstieg der Wohnkosten in den letzten Jahren nicht bremsen. Das Gegenteil ist der Fall.
Kontinuierlicher Anstieg der Darmstädter Mieten in den letzten Jahren
2018 liegt der durchschnittliche Mietpreis in Darmstadt je qm bei 11,58 €. Am günstigsten ist er in Darmstadt-West mit 10,20 € und am teuersten mit 12,31€ in Darmstadt-Mitte. Damit liegen die berechneten Kaltmieten für Wohnungen in Darmstadt weit über den durchschnittlichen Mietpreisen in Deutschland. Es zeigt sich auch in Darmstadt, dass je neuer eine Wohnung ist, desto höher ihre Miete. Allerdings holen die sanierten und umfassend modernisierten Altbauwohnungen über 100 qm überdurchschnittlich auf.
Der Mietspiegel: marktregulierend oder mieterhöhend?
Ein Mietspiegel gibt Auskunft über die ortsübliche Vergleichsmiete und soll von VermieterInnen und MieterInnen genutzt und angewandt werden. Damit ist der Mietspiegel ein Instrument im Vergleichsmietensystem, mit dem die Mietpreise auf dem privaten Wohnungsmarkt reguliert werden sollen. Dem Anspruch des Mietspiegels, für eine Befriedung zwischen MieterInnen und VermieterInnen zu sorgen, wie er bei der Stadt Darmstadt formuliert wird, wird er allerdings nicht gerecht..
Berechnungsmethode treibt die „Durchschnittsmiete“ nach oben
Denn entgegen landläufiger Meinung bildet auch der hier vorliegende qualifizierte Mietspiegel nur einen Bruchteil des Wohnungsmarktes ab. Für den zugrunde liegenden Mietspiegel werden ausnahmslos nur Wohnungen im freifinanzierten Wohnungsbau berücksichtigt, d.h. preisgebundener bzw. öffentlich geförderter Wohnraum wird nicht berücksichtigt. Preisgebundene oder günstige Bestands- und Sozialmieten könnten einen Puffer darstellen, der die Aufwärtsspirale der Mieten bremst. Die Wohnungen mit Durchschnittsmieten werden aber nicht erfasst.
Bei der Berechnung der Vergleichsmieten zählen nur neue Verträge oder Mieterhöhungen aus den letzten vier Jahren. Somit finden in der Regel nur die teuersten Wohnungen Eingang in den Mietspiegel. Die neuen oder geänderten Mietverträge der letzten 4 Jahre bilden also die ortsübliche Vergleichsmiete, die im Mietspiegel ausgedrückt wird. Die Vergleichsmieten regeln darüber die Mieterhöhungen der Bestandsmieten. So steht die Mietentwicklung der Bestandsmieten in starker Abhängigkeit zur Höhe der Neu- und Wiedervermietungen.
Der Mietspiegel: Ein Instrument des Mietschutzes oder der Mieterhöhung?
Die Vergleichsmiete ist also weder die Marktmiete noch der Mietendurchschnitt aller Wohnungen, sondern ein ‚Mittelding‘, weil sie zwischen Marktmiete und Gesamtdurchschnitt angelegt ist. Damit zeigt sich ihr ‚doppelter Charakter‘ als Instrument für Mieterhöhungen, und als Mietbremse“ (vgl. Mieter helfen Mietern 2006: 4). Trotz dieses Kompromisscharakters spielen vor allem die Neu- und Wiedervermietungsmieten in den bestehenden Regelungen die dominierende Rolle. Durch den alle 2 Jahre vorgelegten Mietspiegel wirkt sich das dynamische Wachstum der Marktmieten bei der Neuvermietung sukzessive auf das Niveau der Bestandsmieten aus.
Angesichts dieser Praxis zur Erhebung der Vergleichsmieten bestätigt sich der politische Charakter der Mietspiegel insgesamt. In den letzten Jahren wurde in den Städten sehrdeutlich, dass von den Mietspiegeln hauptsächlich die Vermieter profitierten. Dies bestätigt Kyra Seidenberg vom Mieterbund Darmstadt: "Die Mieten in Darmstadt explodieren schon, aber vor allem bei den Neuvermietungen - weil der Wohnraum insgesamt so knapp ist."
Darmstadts Altbauviertel: Zukünftig nur noch für Reiche bezahlbar?
Über die aktuellen Mietsteigerungen in Darmstadt hinaus, kann festgehalten werden, dass das hohe Mietpreisniveau auch in zukünftigen Mietspiegeln bestätigt wird. Dies geschieht ganz einfach deshalb, weil durch den Mietspiegel höhere Mieten ermöglicht werden. Die ortsübliche Vergleichsmiete von 2016 samt Fortschreibung 2018 ist das Instrument sowohl für die Neuvermietungen wie für die Erhöhungen der Bestandsmieten in den darauffolgenden Jahren, und insofern wird jede zukünftige empirische Erhebung dies auch ermitteln. Aus diesem Grund hält auch der Deutsche Mieterbund eine Reform der Mietspiegel-Berechnung für längst überfällig.
Die Darmstädter Mieten für Wohnungen mit 100 qm sind in den letzten 4 Jahren um mehr als 20 % gestiegen. Dies ist ein deutlicher Indikator für die Aufwertung der innerstädtischen Quartiere, die sogenannte Gentrifizierung. Den Luxus, hochpreisigen Wohnraum in den begehrten Altstadtvierteln zu mieten, kann sich nur noch ein zahlungskräftiges Publikum leisten.
Die Folge davon ist, dass sich die bisherigen BewohnerInnen diese Stadtteile nicht mehr leisten können und an die Peripherie oder das Umland umziehen müssen. Diese Prozesse, die sich aktuell in allen Großstädten vollziehen, entstehen nicht allein auf der Grundlage einer Marktentwicklung, sondern werden auch politisch begleitet, ja sogar hergestellt.
Mietpreispolitische Alternativen auf lokaler Ebene
Vor diesem Hintergrund kommt der Debatte um die Fortschreibung des Mietspiegels alle zwei Jahre eine hohe politische Brisanz zu. Eine Konsequenz aus der Aufwärtsspirale der aktuellen Mietsteigerungen ist die Forderung, in die ortsübliche Vergleichsmiete die unveränderten Bestandsmieten wieder mit einzubeziehen. Dies war bis zum Jahr 1982 der Fall. Bis dahin gingen alle Bestandsmieten in die Bildung der gesetzlichen Miete mit ein (vgl. Schardt, J.: Vergleichsmietensystem und Frankfurter Mietspiegel 2010). Durch die Einbeziehung der über Jahre hinweg unveränderten Bestandsmieten, verringerten sich die ortsüblichen Vergleichsmieten.
Eine weitere, einfache Möglichkeit die Steigerungen der Mieten in "Schwarmstädten" wie Darmstadt zu dämpfen, wäre die Ausweitung des Berechnungszeitraums im Mietspiegel von zwei bzw. vier auf zehn Jahre. Dies hätte vor allem für MieterInnen positive Auswirkungen, weil dadurch die Vergleichsmieten deutlich sinken würden. Prof. Dr. Marco Wölfle von der Steinbeis-Hochschule Freiburg hat die Folgen einer Mietspiegel-Reform untersucht und kommt zu dem Ergebnis: "Wenn wir jetzt den Mietspiegelzeitraum von vier auf zehn Jahre verlängern, reduzieren wir die Vergleichsmiete in den Großstädten in vielen Fällen um einen zweistelligen Prozentbereich.“
Um die Belastungsgrenze der Haushalte durch hohe Mieten auch in Darmstadt nicht weiter zu forcieren, sollte zukünftig die Berechnungsdauer für den Mietspiegel ausgeweitet werden und die Bestandsmieten mit in die Berechnung einbezogen werden.