Aktion gegen den Mietenwahnsinn

Die Stadt Darmstadt soll den Bauverein in die Pflicht nehmen

Die Partei DIE LINKE und die SPD haben parlamentarische Initiativen gestartet, um den Anstieg der Mieten zu begrenzen. Die Koalition von Grünen und CDU zeigten bisher aber keine Bereitschaft mit der Bauverein AG, die eine hundertprozentige Tochter der Stadt ist, eine Vereinbarung zur Begrenzung der Mieten zu schließen.

 

 

  • DIE LINKE möchte alle Mieterhöhungen auf 1% pro Jahr deckeln, die Modernisierungs­umlage auf 5% beschränken und die Neu­vermietungen am Mietspiegel orientieren. Jegliche Gewinnausschüttung in den kom­menden Jahren soll unterbleiben.
  • Die SPD möchte in einem ersten Schritt für Neuvermietungen und Modernisierungen den Mietspiegel als Obergrenze festlegen und die Gewinnausschüttung des Bauver­eins an die Stadt auf den Inflationsausgleich für das Eigenkapital (ca. 6 Mio. Euro) deckeln.

Dass solche Vereinbarungen möglich sind, zeigen Beispiele in Frankfurt und beim Land Hessen. Um den Forderungen nach einer Deckelung des Mietenanstiegs mehr Nachdruck zu verleihen, haben der DGB-Stadtverband, der ver.di-Ortsverein , der Mieterbund, DIE LINKE und die SPD am 18.6.2019 zu einer Kundgebung vor dem Justus-Liebig-Haus aufgerufen.

Rund hundert Personen haben sich an der Aktion beteiligt und auf Transparenten und Schildern ihre Forderungen vorgetragen. Wegen einer vollen Tagesordnung konnten die Anträge der LINKEN und der SPD nicht auf der Stadtverordnetenversammlung am 18.6.2019 abgestimmt werden. Dies wird aber auf jeden Fall auf der nächsten Stadtverordnetenversammlung am 29.8.2019 nachgeholt.

Im folgenden dokumentieren wir die Rede des ver-di‑Vertreters Erhard Schleitzer auf der Kundgebung. Die Anträge von der SPD und den Linken können als PDF-Datei eingesehen werden.

 

Rede am 18.6. zur Aktion vor der Stadtverordnetenversammlung von Erhard Schleitzer (ver.di)

Die Wohnungsfrage ist eine soziale Frage. Wohnungspolitik ist deshalb auch eine wichtige Aufgabe für die Gewerkschaft. Viele von Einkommensschwachen wohnen zur Miete. Doch immer mehr vom Lohn sowie anderen Einkünften geht für die Miete drauf.

In Darm­stadt stiegen von 2014 auf 2018 die durchschnittlichen Mieten um 22 % an, im Landkreis Darmstadt um 19 %. Der durchschnittliche Mietpreis pro qm betrug in Darmstadt im Jahr 2018 11,36 €, im Landkreis 8,58 €.

Bundesweit muss jede fünfte Familien mehr als 40 % ihrer Einkünfte für die Miete zahlen. Immer mehr von den Mieter * innen drohen in die Armut abzusteigen. Nach Abzug der Miete haben etwa 1,3 Millionen Haushalte ein Restein­kommen unterhalb der Hartz IV Regelsätze. Besonders stark betroffen sind junge Erwachsene unter 35 Jahren, Allei­nerziehende, Familien mit mehreren Kindern, Auszubildende, Studierende Migrant*innen und ältere Menschen.

Wie kam es zu dieser Fehlentwicklung auf dem Wohnungsmarkt ?

1987 verfügte Darmstadt über 15.000 Sozialwohnungen – 22,6 % aller Wohnun­gen. In den neunziger Jahren drehte sich die Entwicklung um:

  • Zuerst wurde die Wohnungsgemeinnützigkeit abgeschafft,
  • der Bund zog sich immer mehr aus der Finanzierung zurück,
  • die Ideologie „privat vor Staat“ setzte sich immer mehr durch, allein von 1999 bis 2009 wurden bundesweit 900.000 Wohnungen privatisiert,
  • Aus dem Wohnungsbau wurde eine Wohnungswirtschaft,mit lukrativen Gewinnen für Investmentgesellschaften.

Das Ergebnis in Darmstadt: von den 15.000 Sozialwohnungen blieben Anfang 2018 5.426 übrig.

Diese Entwicklung können wir nicht länger hinnehmen.

Der Bauverein für Arbeiterwohnungen wurde 1864 gegründet. In der Sat­zung hieß es: „Der Verein hat den Zweck, in geeigneten Lagen hießiger Stadt gesunde und billige Wohnungen für Arbeiterfamilien zu beschaffen.“

1990 wurde der Bauverein in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, die Bauverein AG. Die AG bleibt vollständig im Besitz der Stadt und der Unternehmensz­weck wird immerhin noch bürgerfreundlich formuliert: „Gegenstand der Gesellschaft ist vorrangig die Wohnversorgung breiter Schichten der Bevölkerung“.

Auf einer Veranstaltung am 16.9.18 führte die Vorstandsvorsitzende der Bauverein AG, Wegerich; aus: „Wir müssen Geld verdienen“.Und das macht die Bauverein AG - nicht zu knapp. Im Jahr 2017 erwirt­schaftete der Bauverein ein Gewinn von 17,5 Mio. €.

Was passiert mit dem Gewinn?

Ein Großteil fließt in den Haushalt der Stadt Darmstadt. Seit 2012 hat die Bauverein AG der Stadt Darmstadt 95 Mio. € für den Haushalt zukommen lassen. In den nächs­ten Jahren sollen es weiter 10 – 12 Mio. € pro Jahr sein.

Was heißt das?

Mieter*innen, die teilweise mehr als 40 % ihres Einkommens an Miete dem BV überweisen, tragen entscheidend zur Konsolidierung des Stadt­haushaltes bei!

Das ist ein Skandal, das muss sich ändern.

Die Forderungen, die als erste Schritte zu erheben sind, finden wir in den Anträgen der LINKEN und der SPD. Diese werden das selber ausführen.

Noch eins. In der Mieterbewegung hat sich eine Forderung entwickelt nach Enteignung der großen Wohnungs-Investmentgesellschaften, wie die Deutsche Wohnen. Die Forderung nach Enteignung hat bei einigen Politi­kern starke Empörung hervorgerufen.

Andersherum: Wenn der Anteil der Sozialwohnungen massiv abgebaut wird, von 3 Mio. bundesweit in den achtziger Jahren auf 1,2 Mio. im Jahr 2017, in Darmstadt von 15.000 auf heute 5000, was ist das anderes als die Enteignung von Sozialeigentum?

Darüber müssen wir uns empören und diese Entwicklung umkehren.

Erhard Schleitzer
19.06.2019