Rede der Erzieher*innen auf dem 1. Mai

Hundert Milliarden Euro für die Bildung, Erziehung und das Gesundheitswesen – schön wär‘s!

Der 1. Mai ist seit mehr als 100 Jahren der Kampf- inzwischen Feiertag - der Arbeit. Wie jedes Jahr stehen und feiern wir hier und hören, wie sich in den Betrieben und Fachbereichen die Situation verschärft. Am 08. März ist seit gerade mal 100 Jahren der internationale Frauentag. Dieses Jahr war er sogar ein Streiktag – der 1. Aktionstag für unseren Tarifkampf bei SuE, also dem Sozial- und Erziehungsdienst.

Seit dem 08. März diesen Jahres sind inzwischen fast 2 Monate vergangen und wenig bis nichts hat sich auf Seiten der Arbeitgeber*innen bewegt. Das ist zwar nichts Neues, mussten wir in den letzten Tarifrunden doch immer streiken. Was sich allerdings verändert bzw. verschärft hat, ist die Situation:

Die schlechte Bezahlung, das Mehr an Kitas – mit dem Rechtsanspruch auf die Betreuung in Krippe und Kindergarten und ab 2026 auch nach der Schule - und die in den letzten 25 Jahren um ein Vielfaches gestiegenen Anforderungen in unserem Beruf, führen dazu, dass u.a. Erzieher*innen inzwischen Mangelware sind. Der Fachkräftemangel bedroht heute bereits die Aufrechterhaltung des Angebots an Kitas und es gibt im Bereich SuE keine Gruppe, in der nicht händeringend Nachwuchs gesucht wird.

In dieser dramatischen Situation, das weiß jede Sozialdezernentin/jeder Sozialdezernent innerhalb der Republik, muss alles getan werden, um die sozialen Berufe aufzuwerten. Unsere Forderungen nach Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel, und für die finanzielle Anerkennung der Arbeit sind aus unserer Sicht die einzige Chance, einem Exitus der sozialen Versorgung der Menschen (Kinder wie Erwachsene) zuvor zu kommen.

Am Geld kann es doch nicht liegen: vor kurzem wurden mit der Begründung des Ukrainekrieges Einhundert Mrd. Euro aus dem Ärmel geschüttelt (lag das nicht vielleicht schon vorher in der Schublade ????), um eine patriachale Logik von Krieg und Verteidigung aufrecht zu erhalten. Warum wird dieses Geld nicht dazu verwendet, Bildung zu forcieren und die jungen Menschen u.a. zu befähigen, mit Krisen anders umzugehen als „Auge um Auge und Zahn um Zahn“.

Das Dumme ist nur, dass wir in den Kitas, in der Pflege, im Jugendamt, in den Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen und, und, und eben nicht im Management der Rüstungsindustrie sitzen. Dort nämlich geht das Geld hin, dass für unsere soziale Arbeit so dringend benötigt wird. Geld also wäre da, auch wenn Jochen Partsch jetzt zu Recht sagen wird, dass das ja nicht das Geld der Kommunen ist. Aber, es ist eine der gesellschaftlichen Fragen !!! In Darmstadt haben er und Barbara Akdeniz laut Jugendamtsbrief zum 08. März an die Eltern intensiv an die kommunalen Arbeitgeberverbände appelliert. Aber, das scheint nicht zu reichen – Frau Akdeniz, Herr Partsch, ihr Einsatz muss innerhalb dieser Tarifverhandlungen deutlicher und lauter werden !!!

Laut Darmstädter Echo wurden 2021 2% mehr Kinder geboren als im Vorjahr. Dieses Mehr an Kindern kommt dieses Jahr teilweise in die Krippen, 2024 in die Kindergärten und ab 2027 in die Schulbetreuungen bzw. Horte. Da muss ich keine Rechenkünstlerin sein um zu erkennen: Mehr Kinder und weniger Fachkräfte ergeben ein riesiges gesellschaftliches Problem.

Unterstützt unseren Streik – am besten lautstark

Am 04. Mai, also kommenden Mittwoch, ist unser nächster Streiktag unter dem Motto „es ist 5 nach 12“. Wir müssen leider den coronageplagten Eltern erneut sagen: Die Kitas sind – diesmal bis auf einen Notdienst – geschlossen. Wir tun das nicht gerne – aber auch im Interesse der Kinder und Eltern können wir darauf nicht verzichten, denn keine Fachkräfte, keine ausreichende Versorgung in den Kitas ! Wenn von Euch jemand als Eltern – und auch als einspringende Großeltern - kommenden Mittwoch betroffen ist: behandelt diesen Tag bitte mit Wohlwollen, noch besser, unterstützt uns lautstark !!

Wir kommen nicht drum herum, den Arbeitgeber*innen laut und deutlich zu sagen: wir sind mehr als empört – denn neben unseren Existenzen steht auch die Existenz der Kitas und alle anderen sozialen Dienste auf dem Spiel.

ver.di Darmstadt
01.06.2022