Schweigekartell in Darmstadt

Reichsbürger-Vorwurf gegenüber Merck-Erben

Ende September hatte der DGB Darmstadt und das Bündnis gegen Rechts zu einer Informationsveranstaltung mit Andrea Röpke eingeladen, eine der beiden Autorinnen des Filmes „Das braune Netzwerk“ über die Aktivitäten von Markus Stangenberg-Haverkamp in der rechtsradikalen Szene. Der Film wurde Anfang dieses Jahres vom WDR ausgestrahlt. Markus Stangenberg-Haverkamp ist Mitglied der Gesellschafterversammlung der Merck-Konzernobergesellschaft, die sich aus 130 Mitgliedern der Merck-Familie zusammen setzt. Sein Vater, Markus Stangenberg-Haverkamp, ist Vorsitzender des Gesellschafterrats und überwacht die Geschäftsführung der  Merck KG und der Merck KGaA. Sein Sohn, Markus Stangenberg-Haverkamp ist ein aktiver Holocaust-Leugner und erklärte bei einer Vernehmung durch die Polizei, „meine Staatsbürgerschaft ist nicht deutsch sondern Deutsches Reich“.

Der Film sorgte bundesweit für Aufmerksamkeit, in Darmstadt besonders in den sozialen Netzwerken und der „alternativen“ Öffentlichkeit. Dem Darmstädter Echo waren diese Enthüllungen über Mitglieder der Merck-Familie keine Notiz im Kommunalteil wert, es berichtete über die bundesweite Resonanz auf diesen Dokumentarfilm lediglich auf einer Magazinseite. Auch über die Veranstaltung mit der Filmemacherin schwieg sich das Darmstädter Echo aus – ein Fall von Selbstzensur bzw. fehlender Courage?

Schwierige Recherchen

Dabei wurden auf dieser Veranstaltung interessante Details über die Recherchen und die Schwierigkeiten, den Film überhaupt zu senden, berichtet. Die beiden Filmemacherinnen recherchierten über ein Jahr lang, bis sie belegen konnten, dass hinter den Veröffentlichungen von „Stangenberg“ - ein durchaus häufiger Name in Deutschland - sich eben dieser Markus Stangenberg aus der Merck-Familie verbarg. Fotos wurden abgeglichen, der „Stangenberg“ auf rechtsradikalen Treffen mit dem Markus Stangenberg auf der Merck-Gesellschafterversammlung. Vor der Ausstrahlung des Filmes sichteten und bewerteten Rechtsanwälte das Material, auch das WDR wollte 100-prozentige Gewissheit haben über die Richtigkeit des Filmberichtes. Die Macht des Milliarden-Konzernes samt seiner starken Rechtsabteilung wirkt auf Medienmacher und auch die großen Rundfunkanstalten einschüchternd und es gehört ein starkes Rückgrat und eine ebenso starke Überzeugung dazu, kritische Themen zu recherchieren und dann öffentlich zu machen.

Dass die Recherchen des Filmes zutreffend sind, zeigt die Reaktion von Merck. Es gab keine Unterlassungsklage oder irgendeine Richtigstellung seitens Merck, nur die dürftige Erklärung seines Vaters Frank Stangenberg-Haverkamp gegenüber dem WDR, die Gesinnung seines Sohnes sei weder bekannt noch von einer Relevanz für das Unternehmen:

Andrea Röpke informierte über die rechten Netzwerke, auf die sie bei der Recherche zu dem Film gestoßen ist. Z. B. die „Identitäre Bewegung“ ist hochgradig vernetzt in der Scene. Sie hält sich aus der sichtbaren Tagespolitik heraus, ist aber als der wichtigste Stichwortgeber in der rechten Szene anzusehen. Mit theoretischen Aufsätzen und Treffen schaffen sie das ideologische Rüstzeug und die Netzwerke, die insgesamt die rechtsradikale Bewegung voranbringen sollen. Auch das Spendenaufkommen für die Aktiven und Aktivitäten in der rechtsradikalen Szene ist durchaus hoch.

Zum Schluss gab es noch Nachdenkliches von der Filmemacherin zu hören. Sie freue sich eine solche Veranstaltung in Darmstadt durchführen zu können, denn in einigen Städten im Osten seien solche Info-Veranstaltungen nur noch schwer möglich, da hier regelmäßig Rechte auftauchen und durch lautes Pöbeln die Veranstaltungen stören. Inzwischen werde bei solchen Veranstaltungen schon Eintrittsgelder erhoben (in Volkshochschulen bis 8 €), um die Pöbler draußen zu halten. Unter dem frischen Eindruck des Ergebnisses der Bundestagswahlen äußerte sie die Befürchtung, dass durch den Wahlerfolg der AfD die Rechten in ihrem öffentlichen Auftreten noch ungehemmter ihre Positionen vertreten und die AfD durch ihre finanziellen Zuwendungen, noch intensiver die rechten Netzwerke unterstützt.

 

Erhard Schleitzer
11.10.2017