Das Rathaus und die Machtergreifung 1933

Machtergreifung der NSDAP in Ober-Ramstadt

Am 30.Januar 1933 übergab Reichspräsident Hindenburg die Regierungsgewalt an die NSDAP und Adolf Hitler wurde zum Reichskanzler ernannt. Innerhalb kürzester Zeit wurde jede Opposition ausgeschaltet. Den Prozess der Etablierung des Faschismus in Darmstadt wurde bei siehsmaso 2013 behandelt (siehe die Links unterhalb des Artikels.)

Im Folgenden dokumentieren wir einen Text, der diesen Prozess für Ober-Ramstadt beschreibt. Er wurde zuerst auf der Seite www.stolpersteine-ober-ramstadt.de veröffentlicht.

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War Ober-Ramstadt von Anfang an eine NS-Hochburg? Vor der letzten Reichstagswahl im Jahr 1933 war Ober-Ramstadt in zwei große Lager geteilt. Die dominierenden Parteien waren die NSDAP und die SPD. Aber welche der beiden Parteien war größer? Der Nationalsozialismus oder die Arbeiterbewegung? Vor 1930 war Ober-Ramstadt relativ stark von der Arbeiterbewegung geprägt. Die SPD stellte die größte Partei dar, allerdings hatte sie keine absolute Mehrheit, ihr gegenüber standen die KPD und konservative Parteien. Erst 1930 entsteht die NSDAP in Ober-Ramstadt. Wenn man ein Blick ins Archiv wirft, auf die Reichswahlen im Jahr 1932 in Ober-Ramstadt, erkennt man, dass beide im Vergleich zu den Wahlen im ganzen Reich überdurchschnittlich abgeschnitten haben. Die NSDAP erhielt 52,65 % der Stimmen und die SPD zusammen mit der KPD insgesamt 45,6%. Die Parteien der Mitte waren kaum spürbar vertreten, beide großen Lager kämpften um die Macht.

Am 5.März 1933, bei den letzten Reichstagswahlen konnte die NSDAP ihre absolute Mehrheit in Ober-Ramstadt festigen, während sie im Reichsgebiet trotz eines Anstieges immer noch prozentual weniger Stimmen erhielt als in Ober-Ramstadt. Es ist hierbei zu beachten, dass zu dieser Zeit SPD und KPD etwa 45% der Stimmen bekamen, obwohl viele der Sozialdemokraten und Kommunisten inhaftiert wurden und eine politische Rechtslosigkeit in ganz Deutschland herrschte.

Am 7.März 1933 wurde schließlich die Hakenkreuzfahne gegen fünf Uhr unter Aufmarsch der SA am Ober-Ramstädter Rathaus gehisst. Der Ortsgruppenführer Jörgeling besuchte die nun nationalsozialistische Stadt und sprach ein „Sieg Heil“ auf den Führer Adolf Hitler aus, welches die jubelnde Menschenmenge erwiderte. Bekannt gegeben wurde in seiner Rede, dass jeder, der sich gegen die SA oder den Führer beleidigend äußere, inhaftiert werde. Der Abschluss der feierlichen Parade bildete das Sturmlied ,,Fahnen hoch”, während die deutsche schwarz-rot-gold Flagge verbrannt wurde.

Nicht allen Ober-Ramstädter Bürgern war an diesem Tag allerdings bewusst, welche Terrordiktatur hier entstehen sollte. In Zeitungen aus dem Jahr 1933 wird berichtet, dass die Bürger von den SA-Aufmärschen begeistert waren und keine Kosten und Mühen gescheut wurden, um derartige Ereignisse auf die Beine stellen zu können. Es sei der „Aufbruch der Nation“, die Stadt Ober-Ramstadt sei zu neuem Leben erwacht. Veranstaltungen, wie der Fackelzug am 21. März 1933, wurden genutzt, um in der Stadt Propaganda zu betreiben und den Sieg der NSDAP zu feiern. Zu diesen Anlässen wurde das tägliche Leben, wie zum Beispiel die wöchentlichen Turnstunden unterbrochen. Besonders die Jugend war von diesen Aufmärschen oft fasziniert und fühlte sich als ein Teil der faschistischen Bewegung. Selbst in der Schießbergschule wurden Veranstaltungen gehalten und die nationalsozialistische Bewegung machte selbst vor Schülern keinen Halt. Die Kinder trugen nationalsozialistische Gedichte vor, die dort herrschende Stimmung war feierlich und triumphierend.   Die Odenwälder Nachrichten sprechen in den höchsten Tönen von dem neuen Reichskanzler Adolf Hitler und seiner Partei. Der Bericht vom 23. März 1933 zeigt die Freude über den neuen Reichstag zwei Tage zuvor und die Anteilnahme der Stadt Ober-Ramstadt am Gedenken an die „Freiheitskämpfer“, die ihr Leben für die NSDAP gelassen haben, die Freude über „ein Deutschland für Freiheit, Arbeit und Brot“ (siehe Artikel: „Ober-Ramstadts Bekenntnis zum nationalen Deutschland“ in den Odenwälder Nachrichten am 23.03.1933). Es wurden Fahnen gehisst und Geschäfte geschlossen, die Stadt wurde in Feiertagsstimmung versetzt.

Doch vor dem Sieg der NSDAP am 4. bis 5. März kam es in Ober-Ramstadt zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen SA-Männern und Anhängern der Arbeiterparteien SPD und KPD. Die bewaffnete SA greift das Reichsbanner (SPD Organisation) an, dabei wurden zwei Männer auf Seiten der SPD angeschossen, einer davon wurde tödlich verletzt. Hinzuzufügen ist, dass das Gerichtsurteil sich nur gegen Mitkämpfer der Opfer richtete. Erschreckend ist es, welchen Einfluss und welche Macht die NSDAP schon auf die Justiz hatte. 42 Reichsbannermitglieder werden verhaftet. Viele werden sogar zu hohen Haftstrafen verurteilt- aber was hatten sie verbrochen?

An diesem Beispiel wird die damals herrschende Verfolgung und Rechtlosigkeit deutlich, unter welcher die Gegner des Nationalsozialismus leiden mussten. Die Machtergreifung nach dem Januar 1933 durch die Nationalsozialisten wurde also oft durch Gewalt und illegale Handlungen durchgeführt. Die Odenwälder Nachrichten berichtet zu diesem Vorfall, dass durch die “Besonnenheit und ungeheure Disziplin der SA und SS kein Exempel statuiert wurde”, sonst wäre in Ober-Ramstadt “die Nacht der langen Messer Tatsache geworden”. Außerdem schreibt die Zeitung, dass die SS und SA den ,,roten Terror” im ,,Keime erstickt habe”. Wir haben keine Schuld an den Opfern der Marxisten, denn sie wurden auf der Flucht von ihren eigenen Leuten erschossen. Weiterhin werden Hetzreden über die Gegner des Nationalsozialisten geschrieben: ,,nur wenn der Marxismus-egal in welcher Form er auftritt-ausgerottet wird, ist das Leben der Nation gesichert“. – Eine brutale Drohung.

1933 wurde der ehemalige Feiertag der Arbeiterschaft am 1. Mai durch die Nazis zum erstmals zum “Feiertag der „nationalen Arbeit“. Es wurden Hakenkreuzfahnen und Fahnen mit den Farben Schwarz, Weiß und Rot in die Straßen gehängt. Der Tag galt als Symbol für die “Vereinigung aller Deutschen ohne Klassen- oder Ständeunterschied unter dem Führer Adolf Hitler”, so sahen es die Nazis. Nachdem in den Betrieben ebenfalls die Hakenkreuzfahnen gehisst wurden, traf sich die Ober-Ramstädter Bevölkerung auf dem Festplatz zur Übertragung verschiedener Ansprachen aus dem Berliner Lustgarten vom Reichspräsidenten und Reichsminister.  Als nächster Programmpunkt stand ein Feldgottesdienst und ein Konzert. Schließlich folgte ein Festzug durch ganz Ober-Ramstadt, bei dem jeder Betrieb seine typischen Angestellten präsentierte. Die Feierlichkeiten endeten mit einer Ansprache des Ober-Ramstädter Bürgermeisters zum Tag der nationalen Arbeit.

Schnell setzte sich in der Folgezeit die NS-Bewegung in Ober-Ramstadt durch, Gewalt muss jetzt nur noch in Ausnahmefällen angewandt werden. einen organisierten Widerstand.

Der Nationalsozialismus hatte sich also innerhalb kürzester Zeit seinen Weg in die Gedanken der Ober-Ramstädter Bürger gebahnt.

Christian Schüpfer und Kilian Inhofer

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Zu den Ereignissen 1933 in Darmstadt sind bei siehsmaso folgende Artikel erschienen:

Achtzig Jahre Machtübergabe an den Faschismus

Teil I - Darmstadt war vorne dabei

Teil II: Beginn der Diktatur

Teil III: Die Wahlen vom 5.März und der Ausbau des Unterdrückungsapparates

IV Erinnerungen von Phillip Benz

22.01.2021
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