Erstmals seit zwei Jahren rief der Darmstädter DGB zum 1.Mai wieder zu einer Demonstration auf. Der Krieg in der Ukraine war das alles bestimmende Thema in nahezu allen Redebeiträgen. Jens Liedtge, der neue Vorsitzende der DGB-Region Südhessen, machte in der Eröffnungsrede deutlich, dass dieses Thema auch in den Gewerkschaften kontrovers diskutiert wird. Sind Waffenlieferungen ein Beitrag zum Recht der Ukraine auf Selbstverteidigung oder befördern sie den Krieg? Solche Kontroversen gebe es in den Gewerkschaften und er konnte die verschiedenen Standpunkte nur darstellen.
Zum Krieg in der Ukraine dokumentieren wir hier eine Rede von Uli Franke, der für das Darmstädter Friedensbündnis sprach.
„Das Friedensbündnis Darmstadt fordert: Dieser schreckliche Krieg muss so schnell wie möglich beendet werden! Ein Waffenstillstand und Friedensverhandlungen in Anlehnung an das Minsker Abkommen müssen folgen. Das Töten und die Zerstörung müssen ein Ende haben!
Die derzeitige Politik der NATO-Staaten zielt aber leider überhaupt nicht auf ein möglichst schnelles Ende des Krieges. Das gleiche gilt für die Stimmung, die in den meisten Medien gemacht wird. In den Medien und in der politischen Diskussion wird der russische Angriff als Werk eines Psychopathen interpretiert. Die – zweifellos legitime! – ukrainische Gegenwehr wird als Verteidigung der Demokratie gegen die Diktatur oder fast schon als Kampf zwischen Gut und Böse verklärt. Der Versuch, Kompromisse zu finden, wird mit der „Appeasement“-Politik gegenüber Hitler verglichen, und daraus wird gefolgert, dass man
keinerlei russischen Forderungen entgegen kommen dürfe, da sonst später alles nur noch schlimmer würde. Entspannungspolitik wird als Fehler von gestern geächtet. Das alles ist auch der vorherrschende Tenor bei den Ukraine-Kundgebungen auf dem Darmstädter Friedensplatz.
Diese Denkweise kann nicht zu ernsthaften Verhandlungen und zu einem Ausgleich von Interessen führen. Sie bildet vielmehr die Grundlage für eine Politik, die ein Ende des Krieges erst nach der vollständigen Niederlage Russlands vorsieht. Diese Denkweise erzeugt einen moralischen Druck, gegen jede Vernunft die Eskalation des Krieges bis hin zum Atomkrieg zu riskieren. Wir sind entsetzt, wie leichtfertig dies geschieht. Was soll später Schlimmeres kommen, wenn heute ein Atomkrieg droht?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, von dieser unvernünftigen Denkweise dürfen wir uns nicht anstecken lassen. In klügeren Zeiten hat der sozialdemokratische Außenpolitiker Egon Bahr festgestellt: „In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“ Heute sind es unsere Leitmedien und die Außenministerin, die uns das erzählen. Natürlich geht es auch in diesem Krieg und in seiner Vorgeschichte um Interessen! Der Krieg ist Teil eines Machtkampfs zwischen den USA mit ihren Verbündeten auf der einen Seite, und Russland auf der anderen Seite: Um die konkurrierende Großmacht Russland zu schwächen, haben NATO und EU sich bemüht, die Ukraine immer enger an sich zu binden und dem russischen Einfluss zu entziehen. Das führte 2014 zu dem Bürgerkrieg in der Ukraine, der die Entfremdung zwischen den zuvor kulturell und wirtschaftlich verbundenen Staaten vollendet hat.
Anschließend wurde die Ukraine zum antirussischen Frontstaat aufgerüstet. Gleichzeitig hat man den Boykott des Minsker Abkommens durch die Ukrainische Regierung toleriert. Auf der anderen Seite will Russland seinen weltpolitischen Einfluss und seine militärischen Möglichkeiten erhalten und vergrößern. Dazu hat es die Krim annektiert, dazu hat es die sogenannten „Republiken“ im Donbass unterstützt und dazu führt es diesen völkerrechtswidrigen, fürchterlichen Angriffskrieg. Durch die Aufrüstung der Ukraine in den letzten Jahren und durch die aktuellen Waffenlieferungen direkt in den Krieg hinein ist ganz offensichtlich ein Stellvertreterkrieg entstanden, in dem die Ukraine möglichst lange durchhalten soll, damit Russland größtmöglichen Schaden erleidet.
Durch den unvernünftigen Beschluss zur Lieferung schwerer Waffen hat sich Deutschland nun faktisch als Kriegspartei eingemischt. Das ist brandgefährlich. Auch wenn es nicht zum offenen Krieg kommt, werden hierzulande die Preise massiv steigen, gleichzeitig drohen Verwerfungen durch eine schwere Energie- und Wirtschaftskrise mit der Folge von Armut, Arbeitslosigkeit und weiterem Sozialabbau. Hinzu kommen die immensen Kosten für das Aufrüstungs-Sonderprogramm. Dabei ist eine weitere massive Aufrüstung zur Verteidigung unnötig, denn das Waffenarsenal der NATO ist dem russischen bereits weit überlegen. Und die Aufrüstung ist politisch schädlich, da sie die Militarisierung der Außenpolitik und die politischen Spannungen immer weiter voran treibt.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, gibt es hier jemand, der die Hoffnung hat, dass die Gutverdiener und die Vermögenden herangezogen werden um die Kosten dieses Stellvertreterkriegs zu tragen, und um die Schulden für das 100-Milliarden-Aufrüstungsprogramm abzutragen?… Ich sehe niemanden, der die Hand hebt….
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz spricht davon, dass wir „wahrscheinlich den Höhepunkt unseres Wohlstands hinter uns“ hätten. Wie so oft wenn solche Leute „wir“ sagen, meint er nicht sich selbst, sondern er meint uns! Deshalb müssen wir Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesregierung widersprechen und fordern:
Stoppt den Krieg in der Ukraine, anstatt ihn durch Waffenlieferungen auszuweiten! Unterstützt ernsthafte Friedensverhandlungen! Nein zur Aufrüstung,
denn wir wollen keine weiteren Waffenarsenale finanzieren, sondern eine bessere Welt schaffen durch 100 Milliarden Euro für Klima, Bildung und Soziales! Hört auf, die globale Konkurrenz um Ressourcen, um Märkte und um politische Vorherrschaft immer weiter zu vertiefen.
„Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen“ sagte der französische Sozialist und Pazifist Jean Jaurès vor 100 Jahren. Deshalb brauchen wir mehr internationale Kooperation für wirtschaftliche Entwicklung und für gemeinsame Sicherheit, um einen dauerhaften und umfassenden Frieden möglich zu machen!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lasst uns gemeinsam für dieses Ziel eintreten!"