Darmstadt hat einen neuen Mietspiegel 2022. Dieser wird in den nächsten zwei Jahren die Grundlage für Mieterhöhungen bei frei finanzierten Wohnungen legen. Der Mietspiegel gibt Auskunft über die in Darmstadt ortsübliche Vergleichsmiete. Er trägt maßgeblich dazu bei das Mietpreisgefüge im nicht preisgebundenen Wohnungsbestand transparent zu machen, um Streitigkeiten zwischen den Mietvertragsparteien zu vermeiden.
Der Mietspiegel 2022 der Stadt Darmstadt dokumentiert die katastrophale Entwicklung der Wohnungsmieten in Darmstadt: Die ortsübliche Vergleichsmiete ist innerhalb von vier Jahren um 17,4 % auf durchschnittlich 10,44 € pro Quadratmeter gestiegen. Damit hat Darmstadt sogar Frankfurt überholt, wo die ortsübliche Vergleichsmiete nur um knapp 9 % auf 10,29 € pro Quadratmeter gestiegen ist.
Was ist der Mietspiegel?
Der Mietspiegel gibt die statistisch erhobenen Wohnungsmieten wieder, die in den letzten sechs Jahren neu vereinbart oder verändert wurden, die sogenannte ortsübliche Vergleichsmiete. Mieten, die längere Zeit nicht verändert wurden, fließen nicht in den Mietspiegel ein.
In bestehenden Mietverhältnissen darf die Miete maximal auf die ortsübliche Vergleichsmiete erhöht werden. Anhand des Mietspiegels ist also überprüfbar, ob Mieterhöhungsverlangen die rechtlich zulässige Grenze einhalten. Zusätzlich muss die Kappungsgrenze eingehalten werden. Danach darf die Miete innerhalb von drei Jahren um nicht mehr als 15 % erhöht werden. Beim Neuabschluss von Mietverträgen darf die ortsübliche Vergleichsmiete um nicht mehr als 10 % überschritten werden, sofern keine Ausnahmeregelung greift, wie zum Beispiel für Neubauten.
Wer soll das bezahlen? Wer ist betroffen?
Alle Mietenden, die nicht das Glück hatten, eine Sozialwohnung zu ergattern, müssen jetzt mit einer Erhöhung ihrer Grundmiete auf die Mietspiegel-Miete rechnen. Hinzu kommen die stark gestiegenen Preise für Heizung, Warmwasser und Strom im Rahmen der Betriebskostenabrechnungen und erhöhter Vorauszahlungen. Schon bisher war Darmstadt Spitzenreiter: Im Jahr 2018 mussten in Darmstadt mehr als 20 % der Haushalte über die Hälfte ihres Einkommens für die Miete ausgeben, wie die Hans Böckler Stiftung in einer Studie ermittelt hat. Bei einem Anstieg der Mieten um durchschnittlich 17,4 % wird dieser Anteil der Haushalte inzwischen noch weiter gestiegen sein, denn die Einkommenssteigerungen konnten bei Weitem nicht mithalten.
Bei diesen Zahlen werden sich zwangsläufig immer mehr Menschen das Wohnen in unserer schönen Stadt nicht mehr leisten können. Aber nicht nur die unteren Einkommensgruppen sind betroffen, denn schon im Jahr 2018 mussten knapp 59 % der Haushalte in Darmstadt über 30 % ihres Einkommens für die Miete ausgeben. Die Mehrheit der Mietenden ist also von unverhältnismäßig hohen und weiter steigenden Wohnkosten betroffen.
Was macht die Politik?
Wohnungsdezernentin Barbara Akdeniz verweist auf den Bund. Nur der Bundesgesetzgeber ist zuständig für die gesetzliche Regelung der Miethöhe, wie das Scheitern des Berliner Mietendeckels vor dem Bundesverfassungsgericht gezeigt hat. Der Koalitionsvertrag im Bund sieht eine Absenkung der Kappungsgrenze von 15 auf 11 % vor, die Ampel hat aber noch kein entsprechendes Gesetz beschlossen. Weitere Regelungen zur Eindämmung der Mietpreisspirale sind nicht beabsichtigt.
Die Stadt verweist außerdem auf ihr wohnungspolitisches Konzept aus dem Jahr 2019. Darin hat sie unter anderem beschlossen, Mieterhöhungen der Bauverein AG nach dem Mietspiegel für Bezieher mittlerer Einkommen im Sinne des Wohnraumförderungsrechts auf 1 % pro Jahr zu begrenzen und 10.000 Wohnungen bis zum Jahr 2020 zur Baureife zu bringen. Finanziell bedrängte Mieterinnen und Mieter wurden in der Pressekonferenz zur Vorstellung des aktuellen Mietspiegels von der Wohnungsdezernentin ermuntert, die Kosten ihrer Unterkunft im Rahmen von Sozialleistungen geltend zu machen.
Was sagt der Mieterbund Darmstadt?
Die Verweisung von Mieterinnen und Mietern auf Sozialleistungen ist ein Armutszeugnis. Es ist Aufgabe der Kommunalpolitik, die Stadt nicht nur attraktiv, sondern auch leistbar für ihre Bewohner zu machen. Wohnen ist ein elementares Grundbedürfnis, dessen Befriedigung uns finanziell nicht überfordern darf.
Das wohnungspolitische Konzept war ein Schritt in die richtige Richtung. Dennoch sind die Mieten in Darmstadt explodiert und sogar stärker gestiegen als in Frankfurt. Daran zeigt sich, dass das Konzept noch nicht ausreichend und nicht schnell genug wirkt. Weitere und kurzfristig wirksame Maßnahmen sind erforderlich. Einflussmöglichkeiten auf das Mietniveau hat die Stadt Darmstadt insbesondere bei der Bauverein AG und bei der Ausweisung und Vergabe von Grundstücken für den Wohnungsbau.
Bauen, bauen, bauen wird oft als Patentrezept genannt. Wohnungsbau ist ein notwendiger, aber kein ausreichender Baustein zur Bekämpfung der Wohnungsmisere. Bauen nimmt Zeit in Anspruch - gerade angesichts aktueller Engpässe auf dem Arbeits- und Baustoffmarkt – und Neubauwohnungen sind teuer. Zu einer Entlastung auf dem Mietmarkt wird es allein durch Bautätigkeit in absehbarer Zukunft noch weniger kommen als in der Vergangenheit. Neben verstärkter Bautätigkeit, um eine ausreichende Zahl an Wohnungen zu schaffen, sind daher vor allem Maßnahmen zur Begrenzung der Mietpreisspirale bei den schon vorhandenen Wohnungen dringend erforderlich.
Die Stadt allein kann die Mietpreisspirale nicht stoppen. Hier ist der Bundesgesetzgeber gefragt: Wir brauchen einen bundesweiten Mietenstopp und zwar jetzt! Nur ein vorübergehender Mietenstopp verschafft uns die Zeit, um den Wohnungsbau und weitere Instrumente zur Beruhigung des Wohnungsmarkts voranzubringen und das Wohnen für Mietende bezahlbar zu halten. Sind die Mieten erst einmal soweit gestiegen, dass viele sie sich nicht mehr leisten können, kommen alle anderen wohnungspolitischen Maßnahmen zu spät.
Was können Mieterinnen und Mieter tun?
Machen Sie sich bei den Verantwortlichen in der Politik bemerkbar und unterstützen Sie mit uns die bundesweite Kampagne für einen Mietenstopp:
https://mietenstopp.de
Der Mieterbund bietet an: Wenn Sie eine Mieterhöhung erhalten oder in den letzten drei Jahren einen Mietvertrag in Darmstadt abgeschlossen haben, nutzen Sie die Gelegenheit, die Miethöhe durch uns überprüfen zu lassen.